Protocol of the Session on October 24, 2018

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist tatsächlich passiert? - Im April gab es den schrecklichen Unfall in Hannover, der wahrscheinlich durch einen Abbiegeassistenten hätte verhindert werden können, und noch an dem Tag, als dies in der Presse war, ist der Kollege Schulz-Hendel in sein Büro gegangen und hat mit dem Computer einen Antrag geschrieben, damit wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen und eine Initiative ergreifen. Dafür, Herr Schulz-Hendel, sollten wir Ihnen erst einmal dankbar sein und nicht solche komischen Diskussionen über Ihre Initiative führen. Wir jedenfalls sind Ihnen für Ihr Engagement dankbar.

(Beifall bei der FDP)

In den Plenarberatungen, aber auch im Ausschuss haben eigentlich alle gesagt: Wir sind für diese Initiative, wir sind für mehr Sicherheit durch Abbiegeassistenten etc. Herr Schulz-Hendel hat gesagt, dass es verständlich und für ihn auch klar ist, dass die Große Koalition seinen Antrag so nicht wird beschließen können. In Klammern: Er hat bewusst auch ein paar Forderungen hineingenommen, die über das Ziel hinausgehen, damit sie von Ihnen gestrichen werden können und wir dann einen einstimmigen Beschluss fällen können.

Anstatt das aufzugreifen - wobei er Ihnen sogar gesagt hat, was Sie herausstreichen sollten, was er extra dafür hineingeschrieben hat -, ging dann eine erstaunliche Diskussion über einen Änderungsantrag los. Das hat uns dann Monate aufgehalten. In der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses, der das hier ins Plenum bringen wollte, lag immer noch kein Änderungsantrag vor - so lange war tatsächlich darauf gewartet worden -, sodass der Wirtschaftsausschuss dem Parlament die Ablehnung des Antrags der Grünen mit der Initiative, die ja alle wollten, empfohlen hat.

Irgendwann hat dann - ich weiß nicht, welche Gremien bei Ihnen für die Beschlussfassung zuständig sind - ein Änderungsantrag das Licht der Welt erblickt, mit dem Sie ordentlich Weichspüler über den Antrag der Grünen gekippt haben. Ich würde sagen, Sie haben Konzentrat genommen, obwohl es eine einfache Weichspülerlösung auch getan hätte, damit es zu einem solchen Antrag kommt.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten in der politischen Debatte vielleicht einmal überlegen, ob man, wenn aus dem Hause, aus welcher Richtung auch immer, ein Antrag zu einem Thema kommt, das wir alle für richtig halten und bei dem wir alle am gleichen Strang ziehen, nicht fraktionsübergreifend einen gemeinsamen Änderungsantrag einbringt und sich auf diesen verständigt. Das wäre bei diesem Thema aus meiner Sicht absolut problemlos möglich gewesen. Aber Sie haben sich dieser Diskussion zumindest im Fachausschuss verweigert. Das kritisieren wir sehr, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Von daher hat der Landtag - das muss man jetzt feststellen - für eine Sache, die alle richtig finden, die alle im Kern wollen und die alle im April für

notwendig gehalten haben, sechs Monate Zeit vertrödelt. Das ist schade.

Wir werden am Ende dem Antrag der Großen Koalition zustimmen. Wir hätten uns an der einen oder anderen Stelle ein bisschen mehr Mut gewünscht. Vielleicht für das nächste Mal: Lassen Sie uns alle schneller werden, und lassen Sie uns bei Dingen, die uns ein gemeinsames Anliegen sind, auch gemeinsam agieren!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Wirtschafts- und Verkehrsminister Dr. Bernd Althusmann. Bitte schön!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach derzeitigen Prognosen wird in den kommenden Jahren bis 2030 der Lkw-Verkehr in Deutschland um etwa 30 % zunehmen. Da wir ein Transitland sind, wird damit, wenn wir keine Gegenmaßnahmen ergreifen, die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen im Verkehr ums Leben kommen, noch einmal deutlich steigen. Daher werden wir als Landesregierung - ich bin sehr froh, dass sich der Landtag dem Grunde nach, bis auf Einzelheiten, einig ist - alles unterstützen, um die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmer in unserem Land - gerade von Kindern, aber auch von älteren Verkehrsteilnehmern - vor Unfällen mit Lkw oder Nutzfahrzeugen deutlich zu verbessern. Das sollte unser Ziel sein, und hier werden wir auch nicht nachlassen.

Ich habe erwähnt, dass Deutschland ein Transitland ist, weil es sich nicht nur um ein nationales Problem handelt. Deutschland alleine wird es nicht lösen können, sondern wir brauchen natürlich eine europaweite Lösung, weil Tausende von Lkw durch unser Land fahren, die nicht aus Deutschland kommen.

Ich will nur einmal eine Zahl nennen. Im Jahr 2017 kamen bei Unfällen auf den Straßen Europas über 25 000 Menschen ums Leben - das sind ca. 70 pro Tag -, und etwa 135 000 Menschen wurden schwer verletzt.

Ich will mich gar nicht mit irgendjemandem über die Urheberschaft streiten, sondern nur darauf hinweisen, dass die Europäische Kommission offensichtlich den Antrag der Grünen im Niedersächsischen Landtag sehr genau gelesen und nur zwei Wochen, nachdem der Antrag hier in das niedersächsische Landesparlament eingebracht worden ist, ein umfangreiches, mehrseitiges Mobilitätspaket auf den Weg gebracht hat, in dem u. a. Abbiegeassistenzsysteme integriert waren.

Bereits am 8. Juni hat der Bundesrat - im Übrigen auch auf Initiative bzw. mit Unterstützung Niedersachsens - die verpflichtende Einführung von Abbiegeassistenzsystemen bei Lkw und Nutzfahrzeugen beschlossen und die Bundesregierung aufgefordert, gegenüber der Europäischen Union nochmals tätig zu werden, weil die Verordnung, die notwendig wäre, um eine europaweite Lösung zu erhalten, bis heute noch nicht vorliegt. Insofern werden wir weiter daran arbeiten müssen. Denn der tote Winkel ist bekanntlich ein tödlicher Winkel, wenn Lkw-Fahrer Kinder oder ältere Menschen insbesondere als Fahrradfahrer oder Fußgänger übersehen.

Die Bundesländer haben die Bundesregierung mehrfach aufgefordert, sich gegenüber der EUKommission und bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen dafür einzusetzen, zu diesen verpflichtenden Lösungen zu kommen und automatisch wirkende Abbiegeassistenzsysteme für neue Lkw ab 7,5 t vorzuschreiben - Verkehrsministerkonferenz 2017, Bundesrat Mai/Juni 2018. Ich denke, auch Nachrüstlösungen sollten definiert werden.

Es wird gegenüber der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen über diese Abbiegeassistenzsysteme intensiv verhandelt. Es soll in der zuständigen Arbeitsgruppe noch im Oktober, also in diesem Monat, eine entsprechende Abstimmung geben, und das Weltforum für die Fahrzeugharmonisierung wird im März 2019 darüber abstimmen. Leider dauern diese internationalen Prozesse unnötig lange.

Auf nationaler Ebene hat das Bundesverkehrsministerium im Juli die Aktion „Abbiegeassistent“ gestartet, um die freiwillige Aus- und Nachrüstung zur forcieren. Der Bund hat aktuell eine Regelung vorgelegt, nach welcher auf nationaler Basis Neu- und Nachrüstsysteme geprüft, genehmigt und verwendet werden können. So können jetzt endlich auch finanzielle Anreize für Nachrüstungen in Deutschland auf den Weg gebracht werden.

Fazit: Aufgrund der Initiative auch des Bundeslandes Niedersachsen und aller Länder ist in den Gremien der Europäischen Union, allerdings auch auf UN-Ebene versucht worden, die nationalen Vorschriften deutlich zu verändern. Die Frage des Transitlandes in diesem Zusammenhang habe ich erläutert.

Wir werden im Übrigen auch landesseitig den Ausbau von Telematiksystemen, den Ausbau vernetzten, autonomen und automatisierten Fahrens im Rahmen der Einführung von 5G-Standards in Niedersachsen dazu nutzen, die Verkehrssicherheit in den Städten und Gemeinden in unserem Bundesland deutlich zu verbessern.

Diese Auffassung vertritt nicht nur die Niedersächsische Landesregierung. Diese Auffassung vertreten alle Landesregierungen; denn die Verkehrsminister Deutschlands teilen diese Auffassung in Gänze und haben dies auch entsprechend beschlossen. National wie international werden wir alles tun, um die schwächeren Verkehrsteilnehmer zu schützen, damit die schrecklichen Bilder von Unfallstellen dank modernster Technik hoffentlich irgendwann mit der Vision Zero der Vergangenheit angehören.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung um zusätzliche Redezeit gebeten. 90 Sekunden, Herr Kollege Schulz-Hendel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Verkehrsminister Dr. Althusmann! Wenn ich das alles hier heute so höre, dann ist es mir nach wie vor ein Rätsel, warum wir nicht zu einem gemeinsamen Antrag gekommen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Althusmann, ich möchte aber noch einmal etwas zu Ihren Ausführungen über eine Initiative des Bundeslandes Niedersachsen sagen. Es mag richtig sein - oder mir ist etwas entgangen -, dass Sie eine Initiative für Notbremssysteme mit auf den Weg gebracht haben, aber keine Initiative zu Abbiegesystemen. Ich glaube wohl, dass Sie die Initiativen der anderen Bundesländer unterstützt haben. Das sollte man dann auch richtigerweise so

formulieren. Das ist jetzt nicht so schlimm; Sie haben ja die Initiativen unterstützt. Aber es sollte hier auch nicht der Eindruck erweckt werden, als ob Sie eine eigene Initiative für Abbiegesysteme in den Bundesrat eingebracht haben.

(Glocke der Präsidentin)

Letzter Punkt: Zu der Einbeziehung von Fachexperten habe ich von Ihnen, Herr Minister, nichts gehört. Ich glaube auch nicht, dass das ausschließlich Ihre Angelegenheit ist, sondern es ist das originäre Recht dieses Parlamentes,

(Glocke der Präsidentin)

die Einbeziehung von Fachexperten vorzunehmen. Ich glaube, es ist auch völlig unstrittig, -

Letzter Satz!

- dass das nur dann Sinn macht, um zu vernünftigen Maßnahmen in Niedersachsen zu kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich danke Ihnen. - Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Beratung ist damit abgeschlossen.

Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung ist die weitergehende Empfehlung. Nach § 39 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 unserer Geschäftsordnung stimmen wir daher über die Beschlussempfehlung ab. Nur falls die Beschlussempfehlung abgelehnt wird, stimmen wir anschließend noch über den Änderungsantrag ab. Mit anderen Worten: Um zu einer Abstimmung über den von der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU eingereichten Änderungsantrag zu kommen, müsste zunächst die Beschlussempfehlung abgelehnt werden.

Wir kommen also zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/758 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde somit nicht gefolgt.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU in der Drucksache 18/1795.

Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dem Änderungsantrag wurde somit gefolgt. Damit wurde der Antrag in der Fassung des Änderungsantrages angenommen.

Bevor wir in den nächsten Tagesordnungspunkt einsteigen, wechseln wir innerhalb des Präsidiums.

(Vizepräsident Frank Oesterhelweg übernimmt den Vorsitz)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fahren fort mit dem

Tagesordnungspunkt 12: Abschließende Beratung: Vertreibung und Gewalt nicht vergessen - Leistung der Deutschen aus Russland anerkennen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/1544 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 18/1721 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1861 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP - Drs. 18/1935 - dazu: Zurückziehung von Vorlagen - Drs. 18/1936

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Der gemeinsame Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP in der Drucksache 18/1935 zielt auf eine Annahme des Antrages in einer geänderten Fassung.