Protocol of the Session on September 13, 2018

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Danke, Herr Onay. - Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Carsten Becker das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich habe großes Verständnis für jede kritische Debatte über die Erweiterung der Eingriffsbefugnisse im niedersächsischen Gefahrenabwehrrecht. Es wäre ja auch ungewöhnlich, wenn die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit zum Teil umfassender Veränderungen, die wir dort vornehmen, nicht hinterfragt würden.

Aber die Behauptung, hier werde ein Polizeistaat etabliert, wie das die Fraktion der Grünen mit dem Banner ausgedrückt hat,

(Belit Onay [GRÜNE]: Das haben wir nicht!)

hinter dem sie sich bei der Demo am vergangenen Samstag versammelt hat, Herr Onay, empfinde ich als bodenlos. „Freiheit statt Polizeistaat“ stand darauf.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das wür- den doch auch Sie fordern!)

Meine Damen und Herren, als Polizeistaat wird ein Staat bezeichnet, dessen Organe nicht rechtlich gebunden handeln und in dem die Gewaltenteilung

entweder gar nicht existiert oder zumindest nicht funktioniert. Polizeistaaten sind in der Regel totalitäre Staaten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie allen Ernstes das als Attribut benennen wollen, mit dem Sie dieses Land und die gesetzgebende Mehrheit in diesem Hause kennzeichnen möchten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Auch der kritischste Sachverhalt taugt noch als schlechtes Beispiel. In diesem Fall ist es ein Beispiel für die Art und Weise, wie der Diskurs zum Gefahrenabwehrrecht in Teilen geführt wird. Ein weiteres Beispiel ist die Überschrift, mit der Sie diese Aktuelle Stunde bezeichnet haben, meine Damen und Herren von den Grünen: „15 000 Menschen sagen Nein zum neuen Polizeigesetz“.

(Belit Onay [GRÜNE]: Das war das Motto der Demo!)

Auch das ist wohl mehr Kampagne als Argument. Tatsächlich hat es sich nämlich nicht um 15 000, sondern um 8 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehandelt - gezählt und nicht geschätzt.

(Belit Onay [GRÜNE]: Ich habe nach- gezählt! - Heiterkeit)

Auch das zeigt, Herr Onay, wie unterschiedlich der Blick auf den gleichen Sachverhalt ausfallen kann.

(Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])

Bedauerlicherweise finden wir für diese argumentative Qualität eine Reihe von Beispielen, die eher an eine Kampagne als an einen sachbezogenen Diskurs erinnern.

So ist die Darstellung, dass die Anwendung des Elektroimpulsgerätes, des sogenannten Tasers, durch Polizeibeamte erleichtert werden soll, schlicht falsch. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Elektroimpulsgeräte werden im Gesetzentwurf nämlich erstmals und eindeutig als Waffen definiert - übrigens eine Einordnung, die im Gegensatz zu jener in vielen anderen Bundesländern steht. Mit dieser Einordnung als Waffe wird eine Anwendung von Tasern durch Verwaltungsvollzugsbeamtinnen und Verwaltungsvollzugsbeamte von vornherein ausgeschlossen. Für den Bereich der Polizei bleibt die bisherige Erlassregelung natürlich in Kraft, dass Taser ausschließlich den Spezialeinsatzkommandos vorbehalten bleiben. Daran wird sich nichts ändern.

Die Realität ist also eine Einengung der Anwendungsmöglichkeiten. Behauptet wird vielfach das Gegenteil. Insofern ist die Darstellung, die Polizei werde Taser zukünftig auch gegen Fußballfans einsetzen, schlichtweg falsch und allenfalls zur Mobilisierung von Ultragruppen geeignet, die befürchten, demnächst werde die Polizei in ihren Blocks mit diesen Geräten auftauchen.

Herr Becker, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Limburg?

Ja, die gestatte ich.

Vielen Dank, Herr Kollege Becker, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Wenn Sie sagen - was ja auch der Innenminister schon gesagt hat -, dass beabsichtigt ist, an der bisherigen Erlasslage festzuhalten und die Elektroimpulsgeräte eben nicht für jede Polizistin und für jeden Polizisten zuzulassen, warum haben Sie dann darauf verzichtet, das so eindeutig im Gesetz festzulegen, um damit diesen Sorgen tatsächlich die Grundlage zu entziehen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist nur eine Frage der Gesetzessystematik, dass das als Waffe eingeordnet wird. Es ist vollkommen klar, dass Waffen ausschließlich Polizeivollzugsbeamte einsetzen dürfen und nicht Verwaltungsvollzugsbeamte. Das war die Zielsetzung der Definition.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Sie spra- chen ja vom SEK!)

Im Gesetz zu unterscheiden, welche Organisationseinheiten der Polizei diese Waffe einsetzen sollen oder nicht, wäre von der Gesetzessystematik her - ich glaube, das können Sie als Jurist sehr gut nachvollziehen - viel zu kleinteilig. Das gehört in eine interne Erlassregelung.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das könn- te ein Innenminister Schünemann dann ja machen! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Von daher entspricht das in vollem Umfang den bisherigen Gepflogenheiten solcher Regelungen und der bisherigen Systematik in unseren Landesgesetzen, in denen so etwas geregelt wird. Ich glaube, das wissen Sie auch.

Meine Damen und Herren, eine angemessene Wahrnehmung der politischen Verantwortung für die Sicherheit der Menschen in unserem Land setzt zunächst einmal eine Bewertung der aktuellen Bedrohungslage und die Beschreibung der daraus resultierenden Handlungserfordernisse voraus. Die will ich Ihnen auch nicht vorenthalten, meine Damen und Herren.

Entgegen vielfacher Behauptungen handelt es sich bei dem Terrorismuspaket des NPOG gerade nicht um ein unreflektiertes Mehr vom selben, sondern um ein abgestuftes Rechtsinstrumentarium, das es der Polizei überhaupt erst ermöglicht, auf die neue Phänomenologie des islamistisch motivierten Terrorismus zu reagieren.

Während die klassischen Erscheinungsformen des Terrorismus dadurch gekennzeichnet sind, dass bereits im Vorfeld der eigentlichen Anschläge vorbereitende, strafbewehrte Versuchshandlungen bzw. Vorbereitungshandlungen verwirklicht werden, ist gerade das Fehlen dieser strafbewehrten Handlungen ein häufiges Merkmal des islamistisch motivierten Terrorismus. In der Praxis können Polizei und Staatsanwaltschaft damit auf die Eingriffsbefugnisse des Strafrechts, wie insbesondere die Untersuchungshaft, vielfach nicht zugreifen. Auf diesen Umstand reagieren wir mit dem Terrorismuspaket des NPOG und geben unseren Sicherheitsbehörden ein abgestuftes Instrumentarium aus Meldeauflagen, Aufenthaltsverboten, Kontaktverboten, der elektronischen Aufenthaltsüberwachung und, ja, in letzter Konsequenz, als Ultima Ratio, auch einen verlängerten Präventivgewahrsam an die Hand.

Zum weiteren Verfahren, meine Damen und Herren: Wir haben nicht ohne Grund eine so breite Anhörung im Innenausschuss angelegt. Wir haben dort, wie erwartet, sehr konstruktive Hinweise erhalten. Die werden wir jetzt in den weiteren Gesetzesberatungen bewerten und angemessen berücksichtigen. Das ist eine Fortentwicklung des Entwurfs, so wie es in den Beratungen in diesem Haus üblich ist.

(Belit Onay [GRÜNE]: Macht das Ihr Koalitionspartner mit? - Christian Meyer [GRÜNE]: Herr Schünemann hat gesagt, da wird nichts geändert!)

Für einen Rückzug dieses Gesetzentwurfs, Herr Onay, gibt es überhaupt keinen Grund.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Becker. - Es spricht jetzt für die AfD-Fraktion Herr Jens Ahrends.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Frau Modder, ich halte es nach all den Reden, die wir hier gehört haben, für angebracht, mich an dieser Stelle ganz klar zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zu unserem Grundgesetz zu bekennen.

(Wiard Siebels [SPD]: Das ist gut!)

Als Offizier der Bundeswehr habe ich einen Eid geleistet, und diesem Eid fühle ich mich heute noch verpflichtet. Ich denke, das kann ich auch im Namen aller Soldaten sagen, die Mitglieder der AfD geworden sind. Wir setzen uns für das Land ein, wir waren bereit, unser Leben zu geben, und das machen wir immer noch.

(Johanne Modder [SPD]: Dann erklä- ren Sie mal den Schulterschluss! Dann erklären Sie mal, warum Sie beim FC Landtag ausgestiegen sind!)

- Ich erkläre Ihnen jetzt gar nichts. Ich fahre fort mit meiner Rede.

Seit September 2015 hören wir von einer steigenden Anzahl von Salafisten. Seit damals hat sie sich fast verdoppelt auf über 11 000.

Wir hören auch, dass die Zahl der Islamisten unablässig steigt. Wir haben 2016 offizielle Zahlen von 43 000 gehabt. Dann wurde die Definition geändert. Heute ist die aktuelle Zahl 24 000.

Wir lesen derzeit von 776 Gefährdern, deren Zahl sich seit 2015 ungefähr verdreifacht hat. - Das alles sind erschreckende Zahlen.

Immer öfter hören wir auch von Vorbereitungen zu Terroranschlägen, die Gott sei Dank zumeist verhindert wurden. Dafür spreche ich unseren Sicherheitskräften an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aus.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das abgesagte Fußballländerspiel hier in Hannover, an den Rizin-Bomber in Köln und an den Tschetschenen, den man in Berlin festgenommen hat, der an der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags beteiligt gewesen sein soll - um nur einige Beispiele zu nennen.

Wir alle sollten uns bewusst sein, was passiert, wenn die Polizei es nicht schafft, rechtzeitig einen Anschlag zu verhindern. Der Anschlag in Berlin ist ein mahnendes Beispiel dafür, aber auch die vielen weiteren islamistischen Anschläge in anderen europäischen Ländern.

Es ist gar nicht auszudenken, wie viele Tote es gegeben hätte, wenn die geplante Rizin-Bombe in Köln zum Einsatz gekommen wäre. Von daher müssen wir alles, was möglich ist, daransetzen, der Polizei Mittel an die Hand zu geben, die sie in die Lage versetzen, ihren Auftrag zu erfüllen.

Wir diskutieren heute hier erneut darüber, ob wir Polizisten ein Gesetz an die Hand geben sollen, das es ihnen ermöglicht, Anschläge zu verhindern, anstatt nach erfolgten Anschlägen nach den Tätern zu suchen und dabei festzustellen, dass womöglich wertvolle Informationen nicht verfügbar waren.