Protocol of the Session on August 24, 2018

Die örtlich zuständigen Planungsträger - in der Regel die Landkreise als Träger der Regionalplanung sowie die Städte und Gemeinden als Trägerinnen und Träger der Bauleitplanung - können die Flächen zur Nutzung der Windenergie per Regionalem Raumordnungsprogramm bzw. in den F- und B-Plänen festlegen - und natürlich auch andernorts ausschließen.

Nach Maßgabe der Rechtsprechung haben sie aber der Windenergie im Falle einer Planung mit Ausschlusswirkung durch die ausgewiesenen Flächen substanziell Raum zu geben. Hierzu enthält der Anhang des Windenergieerlasses individuelle Orientierungswerte. Diese zeigen transparent auf, in welchem Maß jeder Regionalplanungsträger entsprechend den jeweiligen regionalen Voraussetzungen zur Erreichung des landesweiten Ausbauziels von mindestens 20 GW beitragen kann.

Der Beitrag der Regionalplanungsträger zur Erreichung des Landesziels fällt bis dato noch sehr unterschiedlich aus. In der Gesamtschau ist die Windenergienutzung im Nordwesten des Landes bereits deutlich stärker vorangeschritten als in Südniedersachsen. Eine Vielzahl an Regionalen Raumordnungsprogrammen befindet sich aktuell im Prozess der Änderung oder der Neuaufstellung. Wir sehen, dass sich die Planungsträger in den Verfahren mit den Orientierungswerten des Windenergieerlasses auseinandersetzen.

Allerdings werden wir landesseitig beobachten müssen, inwieweit Flächenbereitstellung und -ausbau in Richtung Landesziel laufen und ob man beispielsweise über die Landes-Raumordnungsprogramme noch nachsteuern muss.

Wenig hilfreich - lassen Sie mich das an dieser Stelle auch sagen - sind allerdings Forderungen, wie wir sie gerade vom Brandenburgischen Ministerpräsidenten erlebt haben, die Privilegierung aufzuheben. Das trägt nicht zu einem entsprechenden Ausbau der Windenergie bei, sondern wird eine weitere Blockade verursachen - ähnlich wie Forderungen nach der Festlegung einer festen Abstandsregelung. Alle diese Instrumente wären dem Ausbau der Windenergie nicht förderlich, sondern würden ihn behindern. Das sollte nicht unser gemeinsames Ziel sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Die erste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Herr Kollege Miesner. Bitte!

Frau Präsidentin! Herr Minister Lies, erst einmal vielen Dank für die Antwort.

Ich frage die Landesregierung: Wie geht es in Niedersachsen mit dem Netzausbau insgesamt weiter? Das ist ja letztendlich auch die Achillesferse bei der Umsetzung der Energiewende insgesamt.

Vielen Dank. - Bitte, Herr Minister!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Miesner, beim Stand des Netzausbaus muss auch berücksichtigt werden, wer Vorhabenträger bei der Umsetzung ist. Beim Höchstspannungsnetz gibt es 16 Vorhaben im Rahmen der Energiewende: sechs stehen in der Anlage zum EnLAG und fallen damit in unsere Zuständigkeit; sie sind in elf Bauabschnitte mit einzelnen Genehmigungsverfahren unterteilt. Zehn stehen in der Bundesbedarfsplanung, von denen vier ländergrenzenüberschreitend sind. Für die vier ländergrenzenüberschreitenden Vorhaben gilt die Bundesfachplanung, und am Ende ist die Planfest

stellungsbehörde die Bundesnetzagentur. Für die anderen sind wir, das Land, mit unserer Planfeststellungsbehörde in der Genehmigungsverantwortung.

Wir haben im Rahmen der Netzausbaureise des Bundesministers, der sich intensiv mit der Frage beschäftigt hat, an welchen Stellen der Netzausbau wie vorangeht, erlebt, wie die Situation deutschlandweit ist. Wir sind in Niedersachsen auf einem guten Weg, haben aber noch viel Arbeit vor uns - das gehört zur Wahrheit dazu. Wir sind aber auch besonders betroffen, weil wir zwölf Netzausausbauprojekte mit einer Gesamtnetzlänge von 900 km haben. Man kann sich, glaube ich, vorstellen, dass dabei eine Reihe von Fragen, sowohl umwelt- als auch naturschutzfachliche, zu diskutieren sind, aber auch Diskussionen mit den Bürgerinnen und Bürgern zu führen sind.

Wir haben bei dem Termin vor Ort mit Bundesminister Altmaier auch ein ganz konkretes Thema aufgegriffen, das Emden–Conneforde angeht und bei dem wir jetzt noch einmal sehr intensiv in Alternativprüfungen einsteigen. Wir werden das auch mit ihm besprechen. Ich glaube, das zeigt, wie gut an dieser Stelle die Zusammenarbeit zwischen Bund und Land ist, weil wir ein gemeinsames Ziel haben.

Wir sind in der Verantwortung. Es muss unser Ziel sein, die Planfeststellungsverfahren bis 2020 abgeschlossen zu haben, sodass wir sowohl in der eigenen landesfachlichen Zuständigkeit für die Leitungen, aber auch in der Unterstützung des Bundes für die HGÜ-Leitungen vorankommen und der Netzausbau auch weiterhin Unterstützung für den Ausbau der Energiewende leistet.

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Die zweite Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Herr Abgeordneter Bäumer.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, welche Kraftwerksleistung aus konventionellen Energieträgern - also aus Gas, Kohle oder Öl - wir in Niedersachsen für eine sichere Stromversorgung bzw. für ein stabiles Netz brauchen.

(Jörg Bode [FDP]: Eine spannende Frage!)

Vielen Dank. - Herr Minister Lies, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bäumer, das ist eine der Kerndiskussionen, die wir auch in dieser Strukturwandel-, Wachstum-, Arbeit- oder auch Klima- oder Kohlekommission - wie sie auch immer genannt wird - führen: die Frage der Versorgungssicherheit, die Frage der Preisstabilität und natürlich die Frage des ökologischen Nutzens, also des Klimaschutzes. Alle drei Fragen müssen sehr intensiv miteinander diskutiert und abgewogen werden. Das ist sozusagen der größte Streitpunkt, den man führen kann: Wie viele Kraftwerke für fossile Energieträger brauchen wir eigentlich wie lange, um das sicherzustellen?

Man muss zwischen den Aufgaben unterscheiden, die die Kraftwerke wahrnehmen: Haben die Kraftwerke - gerade die Kraftwerke für fossile Energieträger - die Aufgabe, Energie zur Verfügung zu stellen, oder haben sie die Aufgabe, Systemdienstleistungen - also Netzstabilität, was durchaus etwas völlig anderes ist - zu erbringen? In der Vergangenheit war es eines der Probleme, dass die Kraftwerke für fossile Energieträger im Prinzip Frequenz- und Netzstabilität geschaffen haben und die Erneuerbaren diese Aufgabe nicht mit übernommen haben. Auch durch rechtliche Verpflichtungen nehmen die Systemdienstleistungen der Erneuerbaren immer weiter zu. Wenn wir am Ende den Wechsel weg von den fossilen Energieträgern hin zu den Erneuerbaren wollen, dann müssen die Erneuerbaren auch die Systemdienstleistungen übernehmen.

Um es vereinfacht zu sagen: Man muss immer zwischen „Ist genug Strom da?“ und „Ist das Stromnetz stabil genug?“ unterscheiden. Aus den Systemdienstleistungen - weniger aus der Kernfrage, wie viel Energie wir brauchen; dafür wäre es oft nicht notwendig - und aus der Kernfrage der Systemstabilität ergibt sich die Frage des Must Run und damit der technisch verursachten Mindesterzeugung, nicht des Bedarfs. Da muss man unterscheiden. Ich glaube, in dem stetigen Wandel, in dem wir sind und in dem sich auch die Technik weiterentwickelt - mit dem Fortschreiten von Flexibilität, Schaltelementen und den Anlagen der erneuerbaren Energien -, sind diese Systemdienstleistungen geringer und können wir das Must Run deutlich reduzieren.

Es ist natürlich schwierig - das muss man auch sagen -, Niedersachsen als isoliertes Inselnetz zu beschreiben. Es ist schon schwer, Deutschland als isoliertes Inselnetz zu betreiben, weil wir natürlich in einem europäischen Verbundsystem sind und in Europa über Interkonnektoren eher dafür sorgen wollen, ein stabiles System innerhalb Europas zu haben, und uns nicht auf ein Inselnetz in Niedersachsen konzentrieren. Trotzdem kann man es natürlich als theoretische Sichtweise nehmen. So war die Frage wahrscheinlich auch gemeint. Für Niedersachsen als Inselnetz ohne Verbindung wäre für eine sichere Versorgung eine konventionelle Mindestleistung von 1 GW notwendig. Das wäre die rechnerisch ermittelte konventionelle Mindestleistung. Das hat das EFZN in einem Gutachten ermittelt und dargestellt.

Dasselbe gilt dann natürlich für die bundesweite Betrachtung, wenn wir einmal den Schnitt nehmen. Wir würden bundesweit ungefähr 10 GW Mindesterzeugung konventioneller Kraftwerke benötigen, die perspektivisch relativ zeitnah - jetzt lassen wir einmal alle politischen Entscheidungen und Strukturdiskussionen weg - über Gaskraftwerke zu lösen wäre. Klar ist aber auch: Wir brauchen in der Ergänzung zu den Erneuerbaren auch fossile Energieträger, die in der Lage sind, sowohl den notwendigen Teil der Systemstabilisierung als auch vor allen Dingen den Teil der Versorgung sicherzustellen.

Insofern haben wir einen Bedarf an konventionellen Kraftwerken. Ob das am Ende Kohle- oder Gaskraftwerke sind, ist auch eine Frage des Ausstiegs aus der Kohle. Aber definitiv haben wir im Moment deutlich mehr Kraftwerksleistung aus fossilen Energieträgern im Netz, als wir zur Sicherstellung der Energieversorgung zukünftig brauchen werden.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Frau Kollegin Byl. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass dieses Parlament extra eine Änderung der Tagesordnung beschlossen hat, damit Umweltminister Lies zur Kohlekommission fahren und dort unsere niedersächsischen Interessen vertreten konnte, möchte ich die Landesregierung um einen genaue

ren Bericht darüber bitten, was gestern auf dieser Sitzung passiert ist.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP - Jörg Bode [FDP]: Eine sehr gute Frage! Eigentlich wollte ich die stellen!)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Bitte, Herr Minister Lies!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Byl, die Kommission tagt natürlich nicht nur einmal. Wir haben eine Folge von Kommissionssitzungen. Für die Kommissionssitzungen wird jeweils vereinbart, welche Themenschwerpunkte bearbeitet werden.

Gestern war die Kernfrage - das passt zu der Frage, die der Kollege Bäumer gerade gestellt -: Wie ist die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, und welche Klimabilanzziele müssen wir erreichen, damit wir 2020 - was schon ziemlich schwierig sein wird -, aber spätestens 2030 in der Lage sind, unsere eigenen und die europaweiten Vorgaben einzuhalten?

Das ist eine ganz wichtige Frage. Die Diskussion ging in die Richtung: Brauchen wir mehr Kraftwerksleistung aus fossilen Energieträgern? Können wir die Kraftwerksleistung reduzieren? Wie sieht der Abbaupfad aus?

Bei CO2 sprechen wir - das muss man sagen - über einen kumulierten Wert und keinen Jahreswert. Also kann man sagen, man baut am Anfang mehr ab und am Ende weniger - oder man nimmt einen anderen Prozess.

Das war der erste Kern der Diskussion, der wesentlich für die Frage ist, wie es mit dem Ausbau der Erneuerbaren vorangeht.

Zweitens war es gestern von entscheidender Bedeutung, dass gestern die am Kohleabbau beteiligten Länder, sozusagen die Revierländer, die Gelegenheit hatten, ihre Positionen darzustellen.

Vor allen Dingen die Kolleginnen und Kollegen aus dem rheinischen Revier, aber auch aus der Lausitz haben dargestellt, wie der Strukturwandel bei ihnen aussieht, was notwendig wäre. Sie haben das natürlich sehr stark mit der Fragestellung verbunden: Sollten wir nicht möglichst lange Laufzei

ten vorsehen, um möglichst lange die Arbeitsplätze zu sichern?

Zusammen mit dem Landrat Radeck, der das Helmstedter Revier vertreten hat, habe ich die niedersächsische Position deutlich gemacht, mit der ich im Kreise der Länder ein Exot war. Wir haben den Strukturwandel schon vollzogen. 10 000 Arbeitsplätze im Bergbau haben wir schon verloren. Wir versuchen aber, die Herausforderungen zu lösen. Wir treiben den Ausbau der Erneuerbaren voran. Ich habe gestern Niedersachsen als ein Modellland präsentiert, das zeigen kann, wie die erneuerbaren Energien zu Erfolgsmodellen beitragen können.

Ich bin fest davon überzeugt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zu einem großen wirtschafts- und industriepolitischen Standortvorteil für Niedersachsen führen wird. Wenn an Standorten an der Küste 2, 3 oder 4 GW Offshoreleistung eingespeist werden, dann sollten wir nicht nur das Ziel haben, die Energienetze auszubauen - das ist selbstverständlich -, sondern dann sollten wir vor allen Dingen das Ziel haben, aus diesen Küstenregionen starke Wirtschafts- und Industriestandorte zu machen, die davon profitieren, dass die erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen und der CO2-Footprint an dieser Stelle null und nicht, wie an anderen Stellen, wesentlich negativer ist.

(Zustimmung bei der CDU)

- Ja, das finde ich auch. Danke!

Gestern ging es darum, die Positionen der Länder deutlich zu machen. Ich bitte einfach um Verständnis, dass das wichtig war, erstens um die nötigen Mittel zu bekommen, damit der Strukturwandel im Helmstedter Revier positiv vorangebracht werden kann und dort neue Arbeitsplätze entstehen, zweitens damit deutlich wird, dass die Energiewende in Zukunft der Motor für die wirtschaftliche und auch die gesellschaftliche Entwicklung, der Motor für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Niedersachsen sein wird, und drittens damit die Ausbauszenarien so gestaltet werden, dass wir davon profitieren können.

Bei dieser kurzen Zusammenfassung möchte ich es belassen. Die Sitzungen sind im Prinzip vertraulich. Aber wenn Interesse besteht, stelle ich Ihnen selbstverständlich gerne diejenigen Unterlagen zur Verfügung, die Ihnen zur Verfügung gestellt werden können.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Die erste Zusatzfrage für die AfD-Fraktion stellt Herr Abgeordneter Wirtz.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Minister, sehen Sie angesichts des wachsenden Widerstandes von Landbesitzern, die ihr Land nicht für die Kabelverlegung zur Verfügung stellen wollen, überhaupt noch Chancen, den Netzausbau so voranzutreiben, dass bis 2030 die Klimaziele erreicht werden?

Vielen Dank.