Protocol of the Session on June 20, 2018

Wenn ich mich umschaue, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehe ich, dass diese Voraussetzungen in Niedersachsen vorhanden sind. Und es braucht eine Diskussionskultur, in der offen über neue Ideen gesprochen werden kann - und ebenso über Fehlentwicklungen. Nicht jeder, der eine Idee hat, ist ein kluger Mann, und nicht jeder, der auf Argumentationsbrüche hinweist, will damit Innovationen verhindern.

Autonomes Fahren, um damit zu beginnen, kann man am ehesten mit einem Mähroboter vergleichen, der inzwischen durch viele Vorgärten fährt. Autonomes Fahren für Menschen ist nur größer. Aber das Prinzip ist das gleiche: Fahren auf einer bestimmten Strecke und Aufladen an einer elektrischen Ladestation, ohne dass ich mir dabei über die Reichweite der Batterie Gedanken machen muss. Mit leichten Baustoffen, die das Gewicht der Fahrzeuge nachhaltig verringern und damit auch die Verbrauchskosten, wird das das Topthema der Zukunft, und vielleicht mit einer Brennstoffzelle, die die Reichweite solcher Fahrzeuge gewaltig erhöhen kann - alles hoffentlich „Made in Niedersachsen“.

Wir können froh sein, dass wir an dieser Stelle das Rad nicht neu erfinden müssen, sondern dass wir mit VW ein Unternehmen haben, das hier bei uns zu Hause ist und das bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen weltweit führend ist.

(Beifall bei der CDU)

Und trotzdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss es bei aller Euphorie auch erlaubt sein, über die Dinge zu sprechen, die zum Nachdenken anregen. Ich persönlich bin seit zwölf Jahren Hybridauto gefahren und fahre nun seit fast acht Wochen ein reines Elektroauto. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man lautlos und ohne direkte Emissionen über die Straßen fahren kann, und ein

blödes Gefühl, wenn die Ladesäule zickt oder besetzt ist oder wenn man erst 1 000 Euro ausgeben darf, damit man zu Hause schneller laden kann.

Die Redezeit in der Aktuellen Stunde reicht nicht aus, um die Erfahrungen aus acht Wochen Elektromobilität aus Sicht eines Osnabrückers, der hier in Hannover zu tun hat, zu erzählen.

Nur ganz kurz: Das war wie in einer Beziehung. In den ersten Tagen war ich Feuer und Flamme. Dann folgte die Phase der Ernüchterung. Und jetzt ist die Beziehung stabil. Ich kenne die Stärken, und ich kann mit den Schwächen leben.

Ich habe trotzdem für innovative Antriebe eine große Leidenschaft. Aber es macht mich nachdenklich, wenn ich lese, dass wir für 50 Millionen Elektrofahrzeuge, die wir eines Tages haben könnten, 25 % mehr Strom als heute benötigen werden - und das in einer Zeit, in der die Kernkraftwerke abgeschaltet werden und wir über das Aus für Kohlekraftwerke diskutieren. Natürlich könnte man den Bestand von Windkraftanlagen verdreifachen. Aber dazu fehlt mir die Fantasie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns wird das bedeuten, dass die Mobilität der Zukunft vielseitig sein wird. Es gibt nicht die eine Lösung. Wir brauchen einen breiten Mix an Motoren, und dazu gehört für mich auch der Verbrennungsmotor, der hocheffizient mit synthetischem Kraftstoff betrieben werden könnte. Entscheidend wird die Frage sein, mit möglichst wenig Ressourcenverbrauch möglichst viele Kilometer zu machen.

Darüber hinaus muss das, was wir neu entwickeln, auch einen Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger haben. Nur weil ich elektrisch fahre, ist das noch nicht bequem.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Autos mit Verbrennungsmotor wurden erst dann ein Verkaufsschlager, als man auf das notwendige Kurbeln zu Beginn verzichten konnte.

Wir können all das nicht staatlich verordnen, sondern wir müssen darauf bauen, dass die Vorteile sowohl den Bürger überzeugen als auch die Nachteile überwiegen. Es ist unsere Aufgabe, den Rahmen zu setzen, und die Aufgabe der Ingenieure, das umzusetzen. Dafür braucht es in beiden Bereichen eine offene Kultur und einen offenen Geist.

Sie müssen zum Ende kommen, Herr Kollege.

Das mache ich gerne.

Bezahldienste im Internet sind nicht von Bankern erfunden worden, Buchbestellungen im Internet auch nicht. Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob es uns gelingt, dass Autos immer noch von Autokonzernen gebaut werden oder von anderen. Ich muss Ihnen nicht sagen, wo unsere Interessen liegen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir hier in Niedersachsen dafür sehr gute Voraussetzungen haben.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Thordies Hanisch. Bitte, Frau Kollegin!

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen nachhaltige Mobilität - nicht nur, weil es Vorgaben aus der EU gibt, sondern, weil wir die Zukunft gestalten. Sowohl die Reduzierung der CO2-Emissionen als auch die Nutzung regenerativer Energien sind erklärte politische Ziele. Wir bleiben mobil, und wir müssen unsere Mobilität so nachhaltig gestalten, dass sie mit Mensch und Natur so weit wie möglich in Einklang ist. Das wollen wir erreichen, und - noch wichtiger - das können wir erreichen.

Bei der Umsetzung der Energiewende ist die Verkehrswende ein wichtiger Baustein. Hier ist das oberste Gebot Energieeffizienz. Bei der Mobilität ist die Betrachtung des Antriebs, von der Energiegewinnung des Rohstoffs bis in die Vorwärtsbewegung auf der Straße, die relevante Betrachtung. Hier ist die Elektromobilität unschlagbar weit vorn - mit über 80 % Energieeffizienz. Von der Windkraftanlage bis in die Vorwärtsbewegung auf der Straße gehen bei Herstellung, Transport und Nutzung der Energie weniger als 20 % verloren. Auch beim gerechneten CO2-Ausstoß schneidet die Elektromobilität schon mit dem heutigen Strommix am besten ab, gefolgt von Diesel, Gas und Benzin.

Bei einem Brennstoffzellenantrieb, der durch Wasserstoff betrieben wird, fällt der gerechnete CO2Ausstoß weniger gut aus. Aber an dieser Stelle muss weitergedacht werden. Die ungünstige Bilanz von Wasserstoff rührt nämlich dann doch aus dem

heutigen Strommix. Aber bei der Speicherung von Überschüssen ist Wasserstoff eine mögliche Lösung. Die Vorteile des Wasserstoffantriebs sind die schadstofffreie Herstellung, Speicherung und Nutzung.

Aber auch die Akkus der E-Mobilität können als intelligenter Speicher in einem intelligenten Netz eingesetzt werden. In einem ersten Leben können Akkus direkt in den Fahrzeugen überschüssige Energiemengen speichern, und in einem zweiten Leben werden Akkus in Gebäuden installiert, in denen sie noch über Jahre als Speicher für Strom dienen. Daneben gibt es immer wieder neue Meldungen über Entwicklungen bei der Speichertechnik. Graphenspeicher, Schwefelspeicher oder Flussspeicher werden Bewegung in den Speichermarkt bringen. Auch bei den Leichtbaustoffen geht es um nichts anderes als Energieeffizienz.

Und Niedersachsen ist mit vorn dabei - mit der Open Hybrid Lab Factory in Wolfsburg. Hier heißt Hybrid dann nicht „Benzin-Elektro-Antrieb“, sondern „Glasfaser-Kohlenstofffaser-Materialmix“, leichte, stabile und kostengünstige Bauteile für die Großserienproduktion. Das ist wichtig für die Reichweite von E-Fahrzeugen, aber auch bei den Verbrennern. Bei einem 1 200 kg schweren Fahrzeug ist Potenzial für eine Materialdiät. Bei einer Reduktion um 100 kg ist bereits mit einer Senkung des Kraftstoffverbrauchs um etwa einen halben Liter pro 100 km zu rechnen.

Mit dem Testfeld „Autonomes Fahren“ bringt Niedersachsen die Digitalisierung auf die Straße. Daten zur Kommunikation zwischen Autos und von Autos mit der Umgebung werden gesammelt, ausgewertet und genutzt. Damit wird in Niedersachsen im praktischen Testfeld autonomes Fahren erforscht und weiterentwickelt.

Wer gelegentlich mit einem Auto mit Assistenzsystemen fährt, der hat ein Bild davon, was möglich ist, und eine Ahnung davon, was möglich sein wird. Das Ergebnis, das am Ende stehen wird, ist: besserer Verkehrsfluss und somit weniger Verbrauch und weniger Schadstoffausstoß und mehr Sicherheit. - Man darf nicht vergessen: Autonomes Fahren kann auch einen wichtigen Beitrag zur Bereitstellung von Mobilität im ländlichen Raum leisten.

Die VW-Gruppe ist der zweitgrößte Patentanmelder im Bereich des autonomen Fahrens weltweit. Niedersachsen spielt ganz vorne mit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Digitalisierung, Elektromobilität, Automatisierung und autonomes Fahren brauchen Fachkräfte. Letzte Woche bin ich in einer Berufsschulklasse gewesen, in der die Fachkräfte dafür ausgebildet werden: Mechatroniker mit dem Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik. - Wir brauchen Fachkräfte, wir bilden diese Fachkräfte aus, und wir bilden Fachkräfte weiter.

Mit den Ansätzen zur Effizienzsteigerung bei Verbrennern und bei alternativen Antrieben werden wir in Niedersachsen die Mobilitätswende mitgestalten und dabei diesen Weg zusammen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehen. Wir treiben moderne Antriebs- und Mobilitätskonzepte voran.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es hat nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Schulz-Hendel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gefragt: Warum heute diese Thematik für die Aktuelle Stunde?

(Jörg Bode [FDP]: Ich mich auch!)

Soll sie darüber hinwegtäuschen, dass VW und andere Konzerne die Verbraucherinnen betrogen, belogen und getäuscht haben? Soll sie darüber hinwegtäuschen, dass Ihr Aufsichtsratsmitglied Minister Althusmann Hand in Hand mit Autokonzernen durch Talkshows tingelt und den Dieselskandal kleinredet? Soll sie uns darüber hinwegtäuschen, dass sich die Kanzlerin, aber auch Minister Althusmann und Ministerpräsident Weil von der Autolobby mit dem Nasenring durch die Manege treiben lassen? Soll sie uns darüber hinwegtäuschen, dass sich Autokonzerne wie VW weiterhin weigern, notwendige Hardware-Umrüstungen auf ihre Kosten durchzuführen, und dafür sogar die Rückendeckung von Minister Althusmann erhalten?

(Unruhe bei der CDU - Glocke der Präsidentin)

Soll sie uns auch darüber hinwegtäuschen, dass VW und Althusmann den Eindruck vermitteln, dass mit der Bußgeldzahlung die Dieselaffäre ausge

standen wäre? Und soll sie uns davon ablenken, dass die Staatsanwaltschaft bei VW im Dauereinsatz ist?

(Jens Nacke [CDU]: Genau das ha- ben wir gewollt! - Heiterkeit bei der CDU - Jörg Hillmer [CDU]: Erwischt!)

Meine Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn Sie wirklich einen modernen, in die Zukunft gerichteten Automobilstandort Niedersachsen wollen, dann wird das nur gelingen, wenn ernsthaft und vor allem transparent beim VW-Konzern ermittelt und aufgeklärt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ob Affentest, möglicher Kreditbetrug oder reihenweise nicht enden wollende Manipulationen - ein Fortschritt wird nur gelingen, wenn endlich die Verbraucherinnen auf Kosten der Automobilindustrie entschädigt werden und wenn auch Sammelklagen nicht nur für ausgewählte Verbände zugelassen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Bisher können wir nicht erkennen, dass Ihr Aufsichtsratsmitglied Minister Althusmann, der vor der Wahl gesagt hat, er schickt Fachexpertinnen in den Aufsichtsrat, mit dem erforderlichen Nachdruck für eine lückenlose Aufklärung der kriminellen Machenschaften bei VW sorgt. Nur mit einer vollständigen Aufarbeitung mit allen erdenklichen Konsequenzen bei VW wird die Chance eröffnet, sich neu aufzustellen und sich zukunftsorientiert zu entwickeln.

Um erfolgreiche Verkehrspolitik und Industriepolitik zu betreiben, meine Damen und Herren, ist weit mehr notwendig, als Steigbügelhalter für ein niedersächsisches Unternehmen zu sein. Ein Testfeld für autonomes Fahren, über 280 km zwischen Hannover, Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter, macht noch keine kluge Standortpolitik aus.

Unser Ansatz, dass ab 2030 keine neuen Autos mit fossilen Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden dürfen, ist ein überfälliger Weckruf der Politik an die Wirtschaft, die den Wandel über Jahre schlichtweg verpennt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker besteht darin, einen Ordnungs- und Investitionsrahmen vorzugeben, auf den sich sowohl die Hersteller als auch die Verbraucherinnen verlassen können.