„Brandbrief“ des Wasserverbandstags und drohende Kostensteigerung bei Trinkwassergebühren: Bestimmt das Landvolk die Umsetzung des geltenden Düngerechts?
Der Wasserverbandstag fordert im „Brandbrief Trinkwasserschutz“ vom 26. Februar 2018 an die Verbraucherschutzministerin und an den Umweltminister, dass „dringend erforderliche Aspekte“ wie eine Verordnung für zusätzliche Wasserschutzmaßnahmen in roten Gebieten und die flächendeckende Meldepflicht für den Nährstoffvergleich und die Aufzeichnung des gesamtbetrieblichen Düngebedarfs in Niedersachsen festgelegt werden müssen, da die weiterhin steigende Bewirtschaftungsintensität den EU-Qualitätsnormen beim Gewässerschutz entgegenstehe.
Laut Wasserverbandstag droht eine Kostensteigerung bei den Wassergebühren aufgrund der Aufbereitungskosten.
Die Umweltverbände Greenpeace, BUND und NABU sprechen in einem Positionspapier zur Vorstellung des Nährstoffberichts am 28. März 2018 von einer „Gülleflut“ in Niedersachsen. In Medienberichten wird Agrarministerin Barbara Otte-Kinast bei der Vorstellung mit den Worten zitiert:
Nicht zuletzt weil Niedersachsen einen Nährstoffüberschuss durch den Anfall von Gülle hat, wurde die Bundesgesetzgebung verschärft. Für die Umsetzung der neuen Regelungen des Düngegesetzes und der Düngeverordnung sind die Bundesländer zuständig. Im Rahmen der Übernahme hoheitlicher Aufgaben nach dem unter Rot-Grün verabschiedeten Kammergesetz leistet in Niedersachsen die bei der Landwirtschaftskammer angesiedelte Düngebehörde die Kontrollaufgabe unter Aufsicht des Agrarministeriums. Das Landvolk als Interessenverband soll Einfluss auf die Stellenbesetzungen der Düngebehörde genommen haben.
1. Wie ist das Verfahren, und wer ist an der Neubesetzung der Stelle des vorzeitig in Ruhestand gegangenen - das muss eigentlich „geschickten“ heißen - bisherigen Leiters der Düngebehörde bisher beteiligt gewesen?
2. Wie steht die Landesregierung zu den einzelnen Forderungen im „Brandbrief Trinkwasserschutz“ des Wasserverbandstags?
3. Ist der Präsident der Landwirtschaftskammer befugt, der Düngebehörde die Weisung zu geben, dass die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Vorträge mehr vor Landwirtinnen und Landwirten zum Thema Düngegesetz und Düngeverordnung halten dürfen?
Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Für die Landesregierung antwortet die Ministerin Frau OtteKinast. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorwegzusagen: Eigentlich bin ich überaus dankbar dafür, dass die Fraktion der Grünen diese Dringliche Anfrage zur heutigen Sitzung hier eingebracht hat.
Nicht nur seit der Vorstellung des letzten Nährstoffberichts am 28. März - das war am Mittwoch vor Ostern dieses Jahres - im Rahmen einer außerordentlich gut besuchten Pressekonferenz ist uns allen klar, dass es in Niedersachsen beim Thema Nährstoffüberschüsse überhaupt nichts zu beschönigen gibt. Die Landwirtschaftskammer hat genauso wie ich anlässlich der Pressekonferenz
deutlich auf diese Situation hingewiesen. Ich bin den Medien dafür dankbar, dass sie hierüber anschließend mit sehr großer Sachlichkeit berichtet haben.
Wer die Pressekonferenz, die Pressemeldungen des ML und des MU sowie die anschließende breite Berichterstattung danach aufmerksam verfolgt hat, der wird wahrgenommen haben, dass sich diese Niedersächsische Landesregierung dieser Herausforderung mit einem umfassenden Bündel an Maßnahmen stellt und stellen wird.
Mit vereinten Kräften wollen wir die Nährstoffüberschüsse konsequent hier in Niedersachsen reduzieren. So ist es selbstverständlich, dass wir weiterhin zielgerichtet und risikoorientiert die Vorgaben des neuen Düngegesetzes auch kontrollieren werden. Es ist natürlich ebenso selbstverständlich, dass diese Kontrollen fachlich, unabhängig und fernab jeglicher Einflussnahme durchgeführt werden.
Darauf aufbauend, werden wir wie angekündigt die Ermächtigung gemäß § 13 Abs. 2 der Düngeverordnung in den sogenannten Risikogebieten und gemäß § 13 Abs. 6 flächendeckend für ganz Niedersachsen Meldepflichten für Nährstoffvergleiche und gesamtbetriebliche Düngebedarfe in den kommenden Wochen und Monaten in Angriff nehmen.
Wir wollen damit nicht nur zielgerichteter vorgehen, sondern auch die Vorteile insbesondere des § 13 Abs. 6 für die Landwirte und die Verwaltung zur Vereinfachung der Abläufe darstellen.
Die Bewältigung dieser Aufgabe erfordert Kräfte ganz vieler Akteure in unserem Bundesland. Es wird Sie daher nicht wundern, dass ich sowie meine Fachebene in den letzten Wochen sehr viele Gespräche mit all diesen Akteuren geführt haben.
Natürlich gehört zuerst die enge Abstimmung mit dem Umweltministerium und den Kolleginnen und Kollegen des Grund- und Oberflächenwasserschutzes dazu. Außerdem führten wir u. a. Gespräche mit Vertretern der Landwirtschaft, der Wasserwirtschaft, des Landkreistages oder auch mit ganz vielen Unternehmen, die eben Aufbereitungsanlagen für Wirtschaftsdünger anbieten. Von allen habe ich viel positive Resonanz für diesen eingeschlagenen Weg erhalten.
Darauf aufbauend, werde ich auch mit vielen weiteren Akteuren in der kommenden Zeit natürlich Gespräche zu dieser Thematik führen, die helfen sollen, dass wir gemeinsam Stück für Stück die Nährstoffüberschüsse hier bei uns in Niedersachsen abbauen können.
Zu 1.: Nach Auskunft der Landwirtschaftskammer Niedersachsen geht der Leiter der Düngebehörde nicht in den vorzeitigen Ruhestand, sondern gemäß § 35 Abs. 2 NBG planmäßig wegen Erreichens der Altersgrenze mit Ablauf des 31. Oktober 2018. Die tatsächliche Vakanz der Stelle wird allerdings wahrscheinlich schon früher eintreten, da noch Ansprüche auf Resturlaub und Freizeitausgleich bestehen.
Eine endgültige Auswahl zwischen den Bewerberinnen und Bewerbern für die Neubesetzung der Stelle hat noch nicht stattgefunden. Das Auswahlverfahren ist nach Aussage der Landwirtschaftskammer noch nicht abgeschlossen.
Zum gegenwärtigen Stand des Nachbesetzungsverfahrens wird Folgendes mitgeteilt: Ursprünglich war die Stelle zur Neubesetzung zum 1. November ausgeschrieben. Dabei wurde zunächst eine Sichtung der eingegangenen Bewerbungen durch die Personalstelle der Landwirtschaftskammer durchgeführt. Sodann wurden, wie allgemein bei Stellenbesetzungsverfahren der Landwirtschaftskammer üblich, zunächst Bewerberinterviews geführt. Diese Bewerberinterviews stellen noch keine Vorstellungsgespräche dar. Sie dienen als Entscheidungsgrundlage dafür, welche Bewerberinnen und Bewerber zu den Vorstellungsgesprächen eingeladen werden sollen.
An den Bewerberinterviews nahmen teil: der Vorsitzende des Personalausschusses, sein Stellvertreter, der Vorsitzende des Fachbeirates Nährstoffmanagement, der Leiter der Personalverwaltung sowie ein Vertreter des örtlichen Personalrates. Dies geschah am 16. April 2018.
Eine Entscheidung über die Einladung zu Vorstellungsgesprächen wurde hiernach nicht getroffen. Das ursprüngliche Besetzungsverfahren wurde ergebnislos beendet. Es wurde zum Besetzungstermin 1. Juli 2018 neu ausgeschrieben. Mit dem neuen Besetzungsdatum ist die Ausschreibung im Intranet der Landwirtschaftskammer am 7. Mai
Die Auswahl zwischen den Bewerberinnen und Bewerbern wird danach voraussichtlich nach dem üblichen Verfahren erfolgen. Also: Alle Bewerberinnen und Bewerber der Ausschreibung bzw. der wiederholten Ausschreibung mit dem korrigierten Besetzungsdatum erhalten bei Ablauf der Ausschreibungsfrist eine Mitteilung, dass ihre Bewerbungsunterlagen in das weitere Auswahlverfahren eingehen. Sodann werden wie im weiteren Vorverfahren in den Bewerberinterviews festgestellte Bewerberinnen oder Bewerber zur persönlichen Vorstellung in die Sitzung des Personalausschusses eingeladen, welche am 4. Juni stattfinden wird.
Das Votum des Personalausschusses wird sodann dem Kammervorstand am 11. Juni 2018 zur Entscheidung vorgelegt werden. Außerdem erfolgt eine Beteiligung des Personalrates. Ein Vertreter ist bei der Sitzung des Personalausschusses - wie auch der Kammerdirektor - anwesend.
Zu 2.: Wie von mir soeben ausgeführt, stellt sich die Landesregierung der Aufgabe und wird die Ermächtigungen in § 2 und § 6 der Düngeverordnung nutzen.
Zu 3.: Nach § 22 Abs. 2 des Gesetzes über die Landwirtschaftskammer Niedersachsen ist der Präsident oberste Dienstbehörde, höherer Dienstvorgesetzter und Dienstvorgesetzter der Beamtinnen und Beamten und nimmt, soweit in der Hauptsatzung nichts Abweichendes bestimmt ist, die Befugnisse des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wahr.
Gemäß § 23 Abs. 5 des Kammergesetzes ist der Direktor der Landwirtschaftskammer der Vorgesetzte der Beamtinnen und Beamten sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Die Landwirtschaftskammer ist eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie hat also in ihrem Bereich - auch soweit es Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises betrifft - grundsätzlich eigene Personalhoheit. Hierunter fallen auch Entscheidungen dergestalt, keine öffentlichen Vorträge mehr halten zu dürfen.
Eine solche Entscheidung wäre nach den oben dargelegten Grundsätzen vom Direktor der Landwirtschaftskammer zu treffen, da es sich um eine fachliche Entscheidung des Vorgesetzten im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer handeln würde. Nur wenn das beamtenrechtliche
Grundverhältnis durch die Entscheidung betroffen wäre, wäre der Präsident der Landwirtschaftskammer weisungsbefugt.
Im Bereich der Düngebehörde unterliegt der Kammerdirektor auch nicht den Weisungen des Kammerpräsidenten, da es sich um einen übertragenen Wirkungskreis handelt, der gemäß § 23 Abs. 1 des Landwirtschaftskammergesetzes vom Weisungsrecht des Kammerpräsidenten ausgenommen ist.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die erste Zusatzfrage zur Dringlichen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt die Kollegin Miriam Staudte.
- Herr Dammann-Tamke, bitte unterlassen Sie diese Zurufe! Hier entscheidet jede Kollegin und jeder Kollege, welche Zusatzfrage sie oder er im Rahmen des Kontingents gerne stellen möchte.
(Zustimmung bei den GRÜNEN - Christian Meyer [GRÜNE]: Er würde selber gerne als Minister antworten! - Jens Nacke [CDU]: Die Feststellung, dass alles beantwortet worden ist, wird doch wohl getroffen werden dür- fen! Das ist eine politische Bewertung des Kollegen Dammann-Tamke!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank. - Ich möchte an den letzten Punkt anknüpfen. Sie haben gerade gesagt: Wenn es hoheitliche Aufgaben betrifft, dann besteht keine Weisungsbefugnis. Verstehe ich es richtig, dass in Zukunft die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Düngebehörde wieder Vorträge vor Landwirtinnen und Landwirten zum Thema Düngegesetz und Düngeverordnung halten dürfen?