Protocol of the Session on May 16, 2018

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist unstreitig, dass jeder hier in diesem Hause der festen Überzeugung ist, dass man von seiner Arbeit leben können muss, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer an geltendes Recht und an Gesetze halten müssen und dies gar nicht außer Frage stehen darf.

Es ist deshalb richtig, dass man mit aller Härte gegen Schwarzarbeit und gegen Gesetzesverstöße vorgeht. Ich würde mir auch wünschen, dass gerade der Bereich Schwarzarbeit mehr in den Fokus genommen wird und hier noch stärker tatsächlich dem Missbrauch auf den Grund gegangen wird.

Es ist auch richtig, dass Betriebsräte in den Unternehmen eine wichtige Rolle haben, dass sie auch in der Zukunft wichtige Funktionen ausüben werden. Genau deshalb muss man ihnen ihre Kernaufgaben und ihre Kernfunktionen geben. Es darf nicht sein, dass - wie es hier teilweise anklang - die Betriebsräte zu Hilfspolizisten ernannt werden, die dann eventuell für Dokumentationspflichten zu Schwarzarbeit, zu Verstößen gegen den Mindestlohn eingesetzt werden, die eigentlich der Staat übernehmen müsste.

(Beifall bei der FDP)

Betriebsräte, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wichtige Partner für betriebliche Bündnisse und haben gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Krisensituation Unternehmen und Arbeitsplätze durch individuelle Maßnahmen in Unternehmen retten und erhalten können. Deshalb ist das wirklich die Kernkompetenz, die sie haben und die sie in der Zukunft auch brauchen.

Frau Modder, in der Zukunft wird die Herausforderung der Arbeitswelt nicht mehr die gute Arbeit sein, sondern es wird die digitale Arbeit sein. Die Anpassung unserer Arbeitsrechtssituation, unsere

Arbeitswelt in das digitale Zeitalter zu bringen, das ist die große Herausforderung.

(Beifall bei der FDP)

Das wird in jedem Betrieb einzeln und anders sein. Digitalisierung ermöglicht in Großunternehmen komplett andere Lösungen als im mittelständischen Handwerksbetrieb, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Johanne Modder [SPD]: Deswegen sind die Betriebsräte wichtig!)

Überall dort brauchen wir auf das Unternehmen, auf die Situation angepasste Lösungen.

Wir brauchen - das ist die Aufgabe von neuer Arbeitswelt, von neuer Arbeit, über die wir hier reden müssen, was auch nicht in einer Aktuellen Stunde alleine erledigt werden kann - eine Debatte über ein neues Arbeitsrecht, ein Arbeitszeitrecht. Wenn es möglich ist, seine Arbeit aufgrund von Digitalisierung und möglicher Arbeitsteilung individuell einzuteilen, dann sollen Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, auch ihren persönlichen Lebensablauf tagesspezifisch einzuteilen. Sie sollen nicht weniger Pausen haben als vorher, aber sie sollen die Pausen anders einteilen können - an Stücken etc. - und Arbeitspakete auch zu anderen Zeiten erledigen können, wenn es in ihr Lebensbild, in ihre Work-Life-Balance besser hineinpasst. Das gilt aber auch langfristig.

Deswegen ist es zwingend, dass wir über Langzeitarbeitskonten reden und funktionierende Lösungen finden, damit auch dauerhafte Ausfallzeiten - weil man beispielsweise Pflegefälle hat, weil man Kindererziehungszeiten hat, weil man sein Leben anders planen will - im Arbeitsrecht in einer neuen digitalen Arbeitswelt tatsächlich möglich werden. Das ist die Diskussion, die in der Zukunft die Menschen bewegt und auf die wir reagieren müssen.

Wir brauchen auch mehr Flexibilität bei den Sozialversicherungssystemen. Also: Wie geht eigentlich der Übergang von Arbeit in Ruhestand sowohl flexibel nach vorne als auch flexibel nach hinten? - Denn auch dort brauchen wir die Möglichkeit, den Arbeitnehmer in den Mittelpunkt zu stellen und seine persönlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Wir müssen ihm die Möglichkeit geben, selbstbestimmt alleine zu entscheiden, wie dieser fließende Übergang tatsächlich ausgestaltet werden kann.

Das sind Aufgaben, die auch betriebsspezifisch, individuell regelbar sein müssen, weil sie durch Digitalisierung in unterschiedlichen Betriebsgrößen, auch in unterschiedlichen Branchen andere Regelungen möglich machen. Da müssen wir als Gesetzgeber auch so ehrlich sein und erklären, dass wir nicht alle über einen Kamm scheren können.

Wir müssen ebenfalls die Betriebsräte in die Lage versetzen, hier in einem Rahmen die Möglichkeiten zu schaffen. Das gilt übrigens auch für das Arbeitszeitrecht. Wir müssen den Betriebsräten vertrauen und sagen: Wenn wir als Gesetzgeber die Tagesarbeitszeit nicht mehr vorgeben, müssen Betriebsräte sie in der digitalen Welt selber definieren können. Sie müssen die Möglichkeit dafür haben. Es darf nicht so sein, dass der Unternehmer sie zwingt und sozusagen an die Wand stellt. Nein, wir müssen das Vertrauen haben, dass Betriebsräte stark genug sind. Das erkenne ich im Bundestag bei Ihrer Fraktion, Frau Modder, leider nicht. Die FDP hat einen entsprechenden Antrag eingebracht. Anstatt ernsthafte Diskussionen über ein neues Arbeitszeitrecht zu führen, war nur Verhetzungspolemik zu hören. Das ist falsch.

Wir müssen uns den Aufgaben im Bereich der Bildung, der Weiterbildung stellen. Wir müssen diejenigen, die heute bereits im Beruf sind und diese digitalen Herausforderungen auch als Bedrohung sehen, über Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnahmen mitnehmen.

Wir müssen aber auch - das ist die große Aufgabe von Herrn Tonne - die Schüler von heute so ertüchtigen, dass sie, wenn sie aus der Schule herauskommen, in der digitalen Welt von morgen fit sind und auf diesem neuen Arbeitsmarkt eine Chance haben. Da fehlt mir das Engagement. Da muss mehr kommen, Herr Tonne!

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Anstoß, im Rahmen der Aktuellen Stunde über Arbeit, zu reden, ist richtig und wichtig. Sie wird uns in dieser Legislaturperiode noch ganz oft beschäftigen. Es ist aber falsch, nur über gute Arbeit zu reden. Die Herausforderung ist die digitale Arbeit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Nun spricht für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Herr Henze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir müssen heute darüber sprechen, wie gut doch die Mindestlohnkontrolle gegen Armut wirkt. Meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, ich muss Sie daran erinnern: Die Ursache dafür, dass wir heute über den Mindestlohn sprechen, war das unsoziale Handeln der Sozialdemokraten und Grünen unter Kanzler Schröder.

(Johanne Modder [SPD]: Was?)

Sie tragen die Verantwortung für die Ausweitung der Leiharbeit zu Hungerlöhnen, für prekäre Beschäftigungsverhältnisse, befristete Jobs und die Senkung der Realeinkommen. Mit Ihrer Agenda 2010 sind die soziale Sicherheit und Gerechtigkeit für den deutschen Arbeitnehmer verloren gegangen. Das ist so. Wir haben immer noch 1,4 Millionen Aufstocker im Hartz IV Bereich. Sie sehen das, aber handeln nicht.

Der jetzige, von Ihnen gelobte Mindestlohn erlaubt den Menschen nur die Existenz knapp oberhalb der Armutsgrenze und gerade noch eine äußerst bescheidene Altersvorsorge, die ansonsten im Wege staatlicher Unterstützung von der Gesellschaft zu tragen wäre.

Wenn nun in kleinen Betrieben der Mindestlohn unterlaufen wird, wie einige Studien nahelegen, dann ist die Lösung nicht darin zu suchen, hinter vorgehaltener Hand eine gewerkschaftliche Organisation auch für die Betriebe mit weniger als fünf stimmberechtigten Mitarbeitern zu fordern. Wichtiger ist es aus unserer Sicht, die bundesweit freien Stellen im Bereich der Finanzkontrolle Schwarzarbeit endlich zu besetzen und so den Druck auf diejenigen Betriebe zu erhöhen, die den Mindestlohn unterlaufen.

(Beifall bei der AfD)

Darüber hinaus - das ist ganz wichtig - müssen Wege gefunden werden, dass Mehrarbeit nicht undokumentiert unter den Tisch fällt. Es ist im höchsten Maße ungerecht, dass Mitarbeiter nach einer regulären Arbeitszeit von vielleicht acht Stunden Regale auffüllen und diese Zeit nicht erfasst und nicht bezahlt wird.

Noch ein Punkt: Ein Vorschlag wird von einigen Interessierten immer wieder in die Diskussion gebracht. Wir von der AfD stehen auf dem Standpunkt, dass es keinesfalls Ausnahmen vom Mindestlohn etwa für Flüchtlinge geben darf, nur um

dem Druck der ungehemmten und gesetzwidrigen Masseninvasion nachzugeben. Dies würde viele Menschen in unserem Land massiv benachteiligen. Ein solcher Einsatz von Flüchtlingen als Lohndrücker ist sozialer Sprengstoff.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. - Das Wort für die Landesregierung hat nun Herr Wirtschaftsminister Dr. Althusmann.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion verbindet, wie ich finde, sehr richtig und wichtig zwei Aspekte der deutschen Arbeitsrechtsordnung: die betriebliche Mitbestimmung einerseits und den gesetzlichen Mindestlohn andererseits.

Die eine Ausprägung ist älter und bewährt. Sie ist eine Stärke der deutschen Wirtschaftsordnung. Ich glaube, dass zahlreiche Krisen in Deutschland von unserem Land insbesondere deshalb so gut bewältigt wurden, weil wir eine gute Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern haben. Das ist eine Stärke der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Allerdings werden wir uns Herausforderungen nicht verweigern können, die mit dem Begriff „Digitalisierung“ fast unverdächtig beschrieben werden; denn die Frage der Arbeitszeiten, der Arbeitswelt 4.0 oder der Gesellschaft 5.0 wird sich in den nächsten Jahren mit Sicherheit sehr deutlich stellen. Auch hier sind Gewerkschaften und Arbeitgeber gefordert, neue Modelle für die Zukunft zu entwickeln, die in gemeinsamer Partnerschaft - wie in Deutschland bewährt - auf den Weg gebracht werden.

Der gesetzliche Mindestlohn von aktuell 8,84 Euro ist demgegenüber für das Arbeitsleben in Deutschland eher neu. Er kann aber, ähnlich wie die Mitbestimmung, zu einem gewissen sozialen Frieden bei uns beitragen. Ob es einen „armutsfesten Mindestlohn“ geben kann, so wie es Olaf Scholz vor etwa einem Jahr formuliert hat, als er noch nicht Bundesfinanzminister war, darf zumindest als kontrovers bezeichnet werden. Ich bin aber dennoch davon überzeugt, dass die Einführung des Mindestlohns am Ende einer strittigen Debatte in Deutschland eine richtige Entscheidung war.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wir stehen auch dazu. Der Mindestlohn braucht aber eine effektive Kontrolle, und Missbrauch muss bekämpft werden.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Dabei kommt dem § 80 des Betriebsverfassungsgesetzes eine hohe Bedeutung zu. Danach hat der Betriebsrat eine allgemeine Überwachungsaufgabe. Es ist unzweifelhaft so, dass in Betrieben mit klaren Mitbestimmungsregeln die Einhaltung von Mindestlöhnen bzw. der Missbrauch besser im Griff zu sein scheint.

Sie wissen, dass Union und SPD auf Bundesebene in ihrem Koalitionsvertrag einen europäischen Rahmen für Mindestlohnregelungen anstreben. Kürzlich hat auch der französische Präsident Macron darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, dass wir in Deutschland generell zu einem Mindestlohn kämen, um den sozialen Zusammenhalt in Europa zu gewährleisten.

Ich möchte aber vor zu hohen Erwartungen in dieser Frage ein wenig warnen. Wer sich die Mindestlohnentwicklung in Europa anschaut, wird zwischen 11,55 Euro in Luxemburg oder aktuell 9,88 Euro in Frankreich oder 3,39 Euro in Griechenland und 2,45 Euro in Litauen deutliche Unterschiede erkennen. Ob dies im Rahmen eines europäischen Gesamtstandards einzuebnen ist, darf man zumindest bezweifeln. Dennoch sollten wir versuchen, in Deutschland und in Europa insgesamt an solchen Regelungen zu arbeiten. Denn es ist nach wie vor nicht durchgängig gesichert, dass alle in Deutschland Beschäftigten den Mindestlohn, der ihnen nach dem Gesetz zusteht, auch tatsächlich erhalten.

Wahr ist, dass betriebliche Mitbestimmung aller Voraussicht nach Missbrauch verhindert. Wahr ist aber auch - das bitte ich bei der Debatte über den Mindestlohn immer hinzuzufügen -: Wir wollen starke Unternehmen und die Unternehmer, das Unternehmertum in Deutschland nicht unter einen Generalverdacht stellen. Wahr ist, dass in Deutschland auch vor der Einführung des Mindestlohns in zahlreichen Unternehmen und durch zahlreiche ihrer Verantwortung gerecht werdende Unternehmer deutlich mehr als der Mindestlohn gezahlt wurde. Auch das ist eine Stärke des deutschen Systems.

Zur Vollständigkeit gehört auch, dass aktuelle Tarifverträge, z. B. in der Bauindustrie, deutlich über dem Mindestlohn liegen. Auch das gehört zu dem

Gesamtbild. Dennoch kommt es zu Missbrauch, dennoch kommt es zu Werkvertragsbeschäftigungen, in denen der Mindestlohn durch einzelne Arbeitgeber über allerlei dubiose Lohnabzüge umgangen wird. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist erwähnt worden. Bundesweit versuchen 6 000 Mitarbeiter, dies gerade auch bei öffentlichen Baustellen zu kontrollieren.

Ich sage im Hinblick auf unsere eigenen Baustellen, aber auch im Hinblick auf diejenigen der Kommunen: Auch für öffentliche Auftraggeber sollte es selbstverständlich sein, von Zeit zu Zeit auf die eigenen Baustellen zu gehen und nachzuschauen, was dort so abläuft. Auch das gehört zu einer Kontrolle der Einhaltung der Mindestlohnregelungen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)