Protocol of the Session on April 20, 2018

(Beifall bei der AfD - Christian Meyer [GRÜNE]: Quatsch!)

Wir begrüßen es natürlich, dass mehr Blühflächen für mehr Blühpflanzen angelegt werden sollen. Jetzt mal von der Landwirtschaft abgehend: Allgemein ist es vielleicht auch förderlich, dass in unseren Parks nicht jeden Herbst besenrein gekehrt wird, sondern Laub auch liegen bleiben kann, um als Winterquartier für Insekten und Insektenlarven dienen zu können.

Mein Vorredner hat vorhin den Planeten als einzigartig und schützenswert bezeichnet. Hier im Landtag machen wir das natürlich ein bisschen deutlicher: Unser Land und unsere Heimat sind einzigartig und schützenswert. Wir sollten entsprechend handeln und im Fachausschuss darüber beraten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wirtz. - Herr Kollege Meyer, in der vergangenen Wahlperiode gab es für das Wort „Quatsch“ einen Ordnungsruf. Ich bin

aber nicht so pingelig. Deswegen weise ich nur darauf hin, dass vielleicht andere Begrifflichkeiten angebracht wären.

Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Schmädeke. Bitte sehr!

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Brammer! Herr Wirtz, ganz kurz zu Ihren Ausführungen eingangs Ihres Statements: Ich glaube, auch ohne Ihre Belehrungen wusste hier jeder im Raum, um was es in unserem Antrag geht. Das war also fast überflüssig.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Mit dem gemeinsamen Entschließungsantrag von CDU und SPD machen wir deutlich, welchen Stellenwert wir dem Schutz der Insektenvielfalt beimessen. Denn Insekten sind für die Artenvielfalt unserer Ökosysteme von zentraler Bedeutung.

Meine Damen und Herren, schon in der Koalitionsvereinbarung haben CDU und SPD festgelegt, den Verlust der Artenvielfalt z. B. bei Insekten gründlich zu erforschen. Sie sehen die Notwendigkeit der biologischen Aufwertung von Ökosystemen und ihrer Verbundstrukturen - etwa durch die Förderung von Streuobstwiesen, die Pflanzung heimischer Bäume und Hecken, die Förderung des Wiesenvogelschutzes sowie den Aufbau von Blühstreifenprogrammen. Gerade die bestehenden Blühstreifenprogramme sollen hierfür praxisorientiert und flexibel gestaltet werden, um das Nahrungsangebot für Bienen und andere Insekten auch im Spätsommer zu erhalten.

Darüber hinaus wollen wir die Artenvielfalt durch Vertragsnaturschutz, Nutzung der bestehenden Greening-Programme, Veränderung der Agrarfördermaßnahmen, Einbeziehung kommunaler Flächen, Weiterführung des Programms „Erhalt der biologischen Vielfalt in Städten und Dörfern“, verbessertes Flächenmanagement oder freiwillige Schaffung von naturnahen Lebensräumen fördern. Auch unser erklärtes Ziel, dem voranschreitenden Flächenverbrauch durch Flächenversiegelung vorzubeugen und die Entsiegelung und Wiederverwertung bereits genutzter Flächen zu fördern, dürfte der Biodiversität zugutekommen und dem Arten- und Insektensterben zuwiderlaufen.

Grundsätzlich gilt, dass wir nur gemeinsam und im ständigen Dialog mit den Flächennutzern und Grundstückseigentümern substanzielle Fortschritte

erzielen werden, die einen bedeutenden und vor allem auch nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Biodiversität in Niedersachsen zur Folge haben.

In Deutschland liegen nur wenige wissenschaftlich basierte Zeitreihen vor, die die Entwicklung der Biomasse von Fluginsekten beschreiben. Eine Studie von Hallmann et. al. aus dem Jahre 2017 zeigt, dass die Biomasse an Fluginsekten in einem nordrhein-westfälischen Untersuchungsgebiet, und zwar dem Orbroicher Bruch nahe Krefeld - dabei handelt es sich um ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet -, in den letzten 27 Jahren um 76 % zurückgegangen ist. Eine Evaluierung dieser Ergebnisse gibt es nicht. Ein Vergleich mit ähnlichen Versuchsanordnungen z. B. in Großbritannien, bei denen ein so deutlicher Rückgang der Biomasse an Fluginsekten nicht festgestellt wurde, ist nur schwer möglich. Die Ergebnisse dieser Studie werden daher selbst in wissenschaftlichen Kreisen kontrovers diskutiert.

In der Bevölkerung, meine Damen und Herren, erfährt das Problem des Insektenrückgangs jenseits der Honigbiene bisher wenig Aufmerksamkeit, da der bestehende Arten- und Individuenrückgang schleichend stattfindet. Sicherlich wird ein Weniger an plagenden Insektenarten in der Bevölkerung sogar als angenehm empfunden. Ungeachtet dessen ist der beschriebene negative Trend unbestritten und besorgniserregend, da Fluginsekten vielen Tieren als Nahrung dienen und darüber hinaus viele ökologische Funktionen, wie z. B. die Bestäubung unserer heimischen Pflanzen, erfüllen.

Ich will aber auch darauf hinweisen, dass sich nicht alle Insekten von Blühpflanzen ernähren, sondern einige Arten übernehmen auch im Rahmen des natürlichen Nährstoffkreislaufes z. B. die Zersetzung organischen Materials und damit als sogenannte Nützlinge den biologischen Pflanzenschutz. Diese Arten sind damit nicht direkt auf eine Blühpflanzenvielfalt angewiesen. Ein alleiniger Mangel an Blühpflanzen würde deren Rückgang somit nicht erklären. Meines Erachtens ist es wichtig, im Zusammenhang mit dem beschriebenen Rückgang der Fluginsekten auf diese Tatsache hinzuweisen. Das macht nämlich deutlich, dass der aufgezeigte Rückgang der Fluginsekten mehrfaktorielle Ursachen haben muss. Dies wiederum macht deutlich, dass es keine einfachen, einfaktoriellen Lösungsansätze geben wird, die sofort Wirkung zeigen.

Aber, meine Damen und Herren, wir müssen uns auf den Weg machen. Deshalb ist es wichtig, in der Bevölkerung ein Bewusstsein für diese komplexe Problematik zu schaffen und deutlich zu machen, dass jeder bereits vor der eigenen Haustür bzw. in seinem eigenen Garten seinen, wenn auch vielleicht nur bescheidenen, Beitrag zur Reduktion des Insektensterbens leisten kann. Sowohl ein bundesweites, standardisiertes Insektenmonitoring als auch weitere wissenschaftliche Ursachenforschung und -analysen sind als Grundlage für eine gezielte Stabilisierung unserer vielfältigen Insektenpopulationen unbedingt notwendig.

Auf der Grundlage vorliegender Erkenntnisse führt dieser Entschließungsantrag eine ganze Reihe von Sofortmaßnahmen auf, die Landwirte, Grundbesitzer, Industrie, Kommunen und private Haushalte gleichermaßen in die Pflicht nimmt.

Ich bitte den Landtag, meine Kolleginnen und Kollegen, diesen gemeinsamen Entschließungsantrag von CDU und SPD zu unterstützen. Ich freue mich schon jetzt auf viele weitere sachlich fundierte Beratungen im Fachausschuss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Meyer das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir als Grüne freuen uns sehr, dass der alte Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 8218 aus der letzten Wahlperiode mit der gleichen Überschrift und gleichen Themen wieder eingebracht worden ist. Denn das Thema Insekten- und Artensterben sollte uns alle zu Recht bewegen. Es geht nicht nur um die Bestäubungsleistungen, die die Insekten für die Landwirtschaft, für den Obst- und Gemüseanbau, erbringen. Es geht auch um die Frage, welche Veränderungen die Landwirtschaft durchführt, und es geht um die Frage der Bienengifte, die in der EU diskutiert werden und die gleich im ersten Satz des Antrags von CDU und SPD stehen.

Herr Kollege Meyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Staudte?

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Apropos „alle sollte es interessieren“: Finden Sie es nicht auch schade, dass die Agrarministerin zu diesem Tagesordnungspunkt nicht da ist?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ja, ich bedaure das auch sehr - Sie haben recht, Frau Kollegin Staudte -; denn ganz viele Maßnahmen, die im Antrag angesprochen werden, wie die erfolgreichen Blühstreifenprogramme, werden ja über das Landwirtschaftsministerium abgewickelt.

Ich fand es schon sehr erschreckend, als vor wenigen Wochen, am 26. März, die Hannoversche Allgemeine Zeitung titelte, dass sich die Agrarministerin gegen das Verbot der Neonicotinoide, also der Bienengifte, ausspricht, obwohl die Wissenschaftler der EU gesagt haben, dass sie verboten werden müssen, weil sie zu einem großen Insektensterben führen. Ich hätte schon gerne einmal von der Landesregierung gehört, welche Position sie dazu hat.

Im ersten Satz des Antrags von CDU und SPD steht, dass das Bienensterben in Verbindung mit den Neonicotinoiden steht. Die Landwirtschaftsministerin sagt aber, die könne man nicht verbieten; die Landwirte seien darauf angewiesen. - Da muss jetzt schon mal Klarheit kommen, was die Landesregierung in dieser Frage eigentlich will.

(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe)

Herr Kollege, einen Moment, bitte! - Es ist recht unruhig. Wir hier oben können vielleicht noch folgen, aber einige Kollegen im Saal wahrscheinlich nicht mehr. Das ist natürlich nicht gut. Das ist der letzte Tagesordnungspunkt. Wir sollten bis zum Schluss aufmerksam zuhören.

Bitte sehr!

Wenn man den alten mit dem jetzt eingebrachten Antrag vergleicht, dann stellt man fest, dass auch einige Punkte herausgeflogen sind, z. B. die verstärkte Förderung des ökologischen Landbaus, der

ohne Spritzmittel auskommt und nachweislich für mehr Artenvielfalt sorgt, und Punkte zur Agrarwende.

Heute Morgen haben wir über die Verteilung der EU-Milliarden diskutiert. Es gibt eine ganz aktuelle Studie der Universität Göttingen, die Felder in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt auf ihre Insektenfreundlichkeit hin verglichen hat. Spannend war dabei, dass es doch sozusagen auf die Größe ankommt. Die Studie hat nicht nur gezeigt, dass der ökologische Landbau für mehr Insektenvielfalt sorgt als der konventionelle - das war eigentlich klar -, sondern sogar auch, dass konventionelle Landwirte mit kleinen Schlaggrößen, kleinen Feldern dort manchmal sogar eine höhere Artenvielfalt haben als ein riesiger Ökobetrieb in SachsenAnhalt.

Es kommt also auch auf die Größe an - um es einmal so auszudrücken -, um den kleinen Tieren, den Bienen, zu helfen. Das fehlt in Ihrem Antrag. Da müssen wir nachsteuern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Entschuldigung, Herr Kollege Meyer. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dammann-Tamke.

Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Minister.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE] - Anja Piel [GRÜNE]: a. D.!)

Oh, ist die Landwirtschaftsministerin schon zurückgetreten? - Weil Sie mich mit „Minister“ angeredet haben!

Herr ehemaliger Minister, vielen Dank dafür, dass ich Ihnen eine Frage stellen darf.

Die Frage Ihrer Kollegin Staudte nach der Bedeutung des Insektensterbens bezogen auf das Thema Landwirtschaft veranlasst mich zu der Nachfrage, ob Sie der Auffassung sind, dass wir bei

diesem Thema vorankommen, wenn wir die Fragestellungen und Lösungen monokausal nur auf die Landwirtschaft beziehen, oder ob es nicht richtig ist, dieses Thema federführend im Umweltausschuss zu behandeln.

Es ist richtig, dass das auch ein Umweltthema ist, weil es um Naturschutz und Artenschutz geht. Deshalb spreche ich für die Grünen-Fraktion. Aber es ist ganz klar, dass das auch ein übergreifendes Thema ist, Herr Kollege. Deshalb sitzen die Agrarpolitiker hier. Bei vielen Maßnahmen, z. B. bei Blühstreifenprogrammen, oder bei der Frage, was aus dem EU-Agrartopf kommt und was vom Landwirtschaftsministerium gesteuert wird - Stichwort „Aussaattermine“ usw. -, gibt es auch Gemeinsamkeiten. Deshalb ist es doch gut, wenn eine Landesregierung gemeinsam arbeitet. Es gibt viele Projekte. Ich denke nur an die Digitalisierung. Auch der Kampf gegen das Artensterben, das Insektensterben sollte doch viele Häuser bewegen bis hin zum Wirtschaftsministerium. Da lobe ich mal den Wirtschaftsminister, der hier ist. Denn auch Städte können ja etwas tun. Was ist denn z. B. mit dem wichtigen Straßenbegleitgrün? Was ist mit Kompensationsleistungen für Straßen? Wie kann man Artenvielfalt an Straßenrändern erhöhen?