Wie sagte eine Ihrer Parteikolleginnen auf dem letzten Evangelischen Kirchentag? - Jeder Mensch habe die gleiche Würde, aber dadurch nicht die gleichen Rechte.
Deshalb dieser Antrag. Ich freue mich über ein Votum für Teilhabe und Gleichberechtigung - vielen Dank! Die Fraktion aber, deren Partei im Bundestag in einer Kleinen Anfrage in höchst tendenziöser Weise einen Zusammenhang zwischen Schwerbehinderung, Migration und Inzucht herstellt, schließe ich in diesen Dank ausdrücklich nicht ein.
Vielen Dank, Frau Kollegin Naber. - Mir liegt eine Wortmeldung der Kollegin Frau Anja Piel, Bündnis 90/Die Grünen, vor. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie alle anderen gehen auch Menschen mit Behinderungen gern auf Reisen. Ob beruflich oder privat, ob nach Mallorca oder Schweden, innerhalb der Europäischen Union genießen wir Reisefreiheit.
Der Personalausweis gilt bisher überall in Europa, der Behindertenausweis aber nicht. Das ist absurd. Und es ist gut, dass die EU-Kommission ihre Mitgliedstaaten dazu aufgefordert hat, Vorschläge für einen gemeinsamen Ausweis zu machen. Es ist noch schöner, dass die Fraktionen von CDU und SPD das jetzt unterstützen.
Sie wollen die Bundesregierung dazu auffordern, eine Initiative für einen Europäischen Behindertenausweis zu prüfen. Mit Verlaub: Das würde zu Chaos führen. Denn Deutschland hat bisher im Gegensatz zu einer Gruppe von Staaten, die gerade gemeinsam einen Vorschlag für einen solchen Ausweis erarbeiten, überhaupt noch nichts gemacht. Es würde bestimmt super kommen, wenn die Deutschen jetzt mit einem eigenen Vorschlag um die Ecke kommen. Das würden wir nicht empfehlen. Ich glaube, viel sinnvoller wäre es, wenn wir uns einfach der guten Arbeit der anderen anschlössen. Darüber sollten wir Ausschuss noch einmal reden.
Meine Damen und Herren, nichts gegen Ihren Antrag; ich fand ja auch Ihre Idee, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, ganz super. Ich frage mich nur langsam, ob das abschließend ihr gesamtes sozialpolitisches Profil ist: mit - ehrlich gesagt - harmlosen Appellen an die Bundesregierung aufzuwarten. Ich glaube, wir müssen uns erst einmal darauf konzentrieren, was wir hier in Niedersachsen auf Landesebene tun können.
Teilhabe für Menschen mit Behinderungen müssen Sie als Große Koalition nämlich hier in Niedersachsen sicherstellen. Und das ist nicht nur die Beteiligung an einem gemeinsamen Ausweis. Deswegen bitte ich Sie - das wäre spannend -, Konzepte für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes oder Vorschläge zum Thema Barrierefreiheit vorzulegen. Die rot-grünen Ansätze haben CDU und FDP ja am Ende der letzten Legislaturperiode noch mal schnell verhindert.
Was fällt Ihnen beim Thema schulische Inklusion ein, außer Ihrer eigenen Kurzatmigkeit und den Atempausen, die der stellvertretende Ministerpräsident angekündigt hat? - Das wäre ein Bereich, mit dem man sich beschäftigen könnte.
Ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt: Ich würde mich sehr darüber freuen - und auch viele der Zehntausenden von Menschen im Lande, die es betrifft -, wenn es zu den Wahlrechtsausschlüssen sehr zügig zu einem Vorschlag kommt.
Ich bitte Sie, nicht nur mit solchen Initiativen aufzuwarten, sondern alles zu tun, was wir in Niedersachsen tun können, um Menschen mit Behinderungen, die im Leben und im Alltag schon Schwierigkeiten genug haben, den Alltag zu erleichtern.
Vielen Dank, Frau Kollegin Piel. - Ich erteile jetzt für die AfD-Fraktion Herrn Stephan Bothe das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Naber, das war eine wirklich spektakuläre Interpretation eines ziemlich lustlosen Dreizeilers, den Sie hier als Antrag formuliert haben.
Vorweg: Ich verstehe Ihre Aufregung gar nicht; denn im Ausschuss habe ich dem ja zugestimmt. Daher bleibt eigentlich nur noch Folgendes anzumerken:
In Ihrem Entschließungsantrag fordern Sie, sehr geehrte GroKo-Kollegen, einen europaweiten Behindertenausweis und begründen dies mit dem Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Dort steht:
„Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Der Staat - das ist nun einmal die Bundesrepublik - hat durch den Schwerbehindertenausweis ein wichtiges Instrument zur Umsetzung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen mit Behinderungen geschaffen. Weil das Grundgesetz nun einmal an den offenen Staatsgrenzen endet, endet dort auch die Gültigkeit des deutschen Schwerbehindertenausweises.
Ein europaweiter, über die EU-Grenzen hinaus gültiger Schwerbehindertenausweis, wie Sie ihn fordern, scheint in Anbetracht der unterschiedlichen Gesetzgebung und der kulturellen Unter
schiede doch arg weit gegriffen, liebe Kollegen. Viele Länder sind leider auch nicht auf deutsche Standards im Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu setzen. Dies sollte jedem klar sein.
Es ist aber schon bemerkenswert, dass die EU einen einheitlichen Berufspass für Ingenieure und europäische Führerscheine geschaffen hat, aber nicht in der Lage ist, Menschen mit Behinderungen ein EU-weit gültiges Dokument auszustellen, das ihnen in 28 Staaten gleiche Rechte einräumt.
Sehr geehrte Kollegen, bei dem Regulierungswahn der EU, der sonst von Gurken bis hin zu Staubsaugern alles regelt, ist dies wirklich nicht zu rechtfertigen, und es gehört nachgebessert. Hier würde die EU an einer vernünftigen Stelle etwas voranbringen.
Dennoch sind solche Anträge reine Symbolpolitik. Das wissen Sie selber. Dies ist bei der EU-Müdigkeit und der Abneigung vieler Mitgliedstaaten gegenüber dem Brüsseler Bürokratenwahn kaum in die Realität umzusetzen.
Daher kann ich Sie nur aufrufen, den Menschen mit Behinderungen vor Ort zu helfen und diese Symbolanträge und die Ankündigungspolitik in Zukunft zu unterlassen.
Danke. - Für die CDU-Fraktion liegt eine Wortmeldung der Kollegin Frau Gudrun Pieper vor. Bitte, Frau Pieper!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal kann ich mich den Worten meiner Kollegin Frau Naber voll und ganz anschließen. Ich glaube, Sie haben zu dem Antrag alles ausgeführt, was auszuführen war.
In der Debatte, liebe Frau Kollegin Piel, vermischen Sie aber ein bisschen das eine mit dem anderen. Der EU-Behindertenausweis kann nur über den Bundestag, letztendlich über den Bundesrat, in das Europäische Parlament eingebracht werden. Infolgedessen müssen wir diesen Weg gehen und können nicht nur eine niedersächsische Regelung treffen.
Bezüglich des NBTG haben Sie vollkommen recht: Das muss auf den Weg gebracht werden. Daran arbeiten wir. Ich glaube, wir werden demnächst auch gute Ergebnisse haben.
Die Ausführungen von Herrn Bothe haben mich aber ehrlicherweise sehr erschreckt. Herr Bothe, vielleicht schauen Sie sich einmal genau an, was auf EU-Ebene passiert. Ich glaube, da sind Sie uninformiert. Denn in der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020 hat die Europäische Kommission ein erneutes Engagement für ein barrierefreies Europa verabschiedet. Die Strategie zeigt auf, was vonseiten der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu tun ist, damit Menschen mit Behinderungen ihre Rechte uneingeschränkt wahrnehmen können.
Konkret soll vor allen Dingen die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, aber auch der Zugang zu Bildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen verbessert werden. Ebenso beinhaltet sind die Ausarbeitung politischer Strategien für hochwertige integrative Bildung und auch die Anerkennung von Behindertenausweisen. Bereits seit 2016 läuft ein Pilotprojekt mit den Staaten Spanien, Portugal, Rumänien usw. Das zeigt doch, wie notwendig es ist, dass sich auch Deutschland daran beteiligt. Hier wollen wir gerne Unterstützung liefern.
In der EU leben rund 80 Millionen Menschen mit einer mehr oder minder schweren Behinderung. Das sind mehr als 15 % der gesamten europäischen Bevölkerung. Sie alle sollen sich in den Ländern der Europäischen Union wohlfühlen und die Hilfe und die Vergünstigungen erhalten, die sie benötigen. Eine besondere Bedeutung kommt hier u. a. kulturellen Einrichtungen zu, die die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander ermöglichen.