Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Piel, die Debatte um den Feiertag wird in der Tat sehr intensiv geführt. Insofern kann ich nachvollziehen, dass die Grünen diese Debatte hier eröffnen und sie in dieses Haus holen.
Der Antrag allerdings, Frau Kollegin, ist aus meiner Sicht unschlüssig. Sie fordern die Landesregierung auf, sich für einen weltlichen Feiertag einzusetzen. Das heißt, Sie legen an dieser Stelle schon fest: Ein weltlicher soll es auf jeden Fall sein. - Wo ist da die offene Diskussion? Wo ist da die transparente Debatte, die Sie kurz danach einfordern?
Der Gesetzgebungsprozess, der, liebe Kolleginnen und Kollegen, zwingend erforderlich ist - natürlich müssen wir ein entsprechendes Gesetz ändern -, hat überhaupt noch nicht begonnen. Sie werden aber der Berichterstattung entnommen haben, dass die Landesregierung natürlich plant, einen Gesetzentwurf einzubringen. In dieses Verfahren ist natürlich auch die entsprechende Beteiligung integriert. Ich kann Ihre Kritik an dem bisherigen Verfahren daher nicht nachvollziehen. Sie geht aus meiner Sicht fehl.
Liebe Frau Kollegin Piel, Sie haben die Bedeutung der Reformation angesprochen. Ich will zumindest den Aspekt aufrufen, dass man an dieser Stelle tatsächlich einmal darüber nachdenken kann, ob der Reformationstag tatsächlich ein religiöser Feiertag ist oder ob er nicht in irgendeiner Form auch als ein weltlicher Feiertag betrachtet werden kann. Ich will diese Frage zumindest aufwerfen.
Wir haben hier nicht die Zeit, diese Diskussion zu Ende zu führen. Aber die Reformation hat ohne Zweifel Einfluss auf die weltliche Entwicklung unseres Kontinents gehabt. Schließlich war das geschichtliche Ereignis der Reformation der Beginn der Aufklärung, der Auseinandersetzung mit den Mächtigen. Es handelt sich beim Reformationstag ja nicht um einen Martin-Luther-Gedenktag, sondern es geht um die Spanne der vielen Menschen, die in der Reformation einen wichtigen Fortschritt für Europa erzielt haben.
Viel wichtiger, weil in Ihrem Antrag in besonderem Maße ausgeführt - deswegen möchte ich diesen Punkt ansprechen -, ist, dass Sie die doch sehr schwere Keule eines Grundrechtsverstoßes hervorholen. Sie erwecken in Ihrem Antrag den Eindruck, die Einführung eines weiteren christlichen Feiertages könnte gegen Artikel 4 des Grundgesetzes verstoßen. Sie fordern den Landtag sogar auf, sich zum Grundgesetz zu bekennen. Das ist ein bisschen viel.
Ich habe mir das wirklich einmal in Ruhe angeschaut; auf meinem Pult liegt noch der Kommentar von Maunz/Dürig. Es gibt diese juristische Debatte nicht. Es gibt keine verfassungsrechtliche Debatte, in der irgendjemand von irgendeiner Seite behauptet hätte, dass ein christlicher Feiertag die Religionsfreiheit derjenigen, die einer anderen Religion angehören, infrage stellt. Das findet sich an keiner Stelle.
Ich habe eine einzige Fundstelle gefunden: In dem Bericht „Die Zukunft der Arbeitswelt. Auf dem Weg ins Jahr 2030“ der Robert Bosch Stiftung gibt es eine Stelle, an der ohne weitere Begründung mit Blick auf das Entgeltfortzahlungsgesetz ausgeführt wird, dass es möglicherweise ein Problem geben könnte. Dann wird allerdings eher dafür argumentiert, dass Angehörige nicht christlicher Religionen einen Anspruch auf eigene Feiertage geltend machen könnten, als dafür, dass Nichtchristen keine christlichen Feiertage feiern könnten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Nacke, vor dem Hintergrund, dass Sie schon auf Ihre bewegte Vergangenheit in diesem Hause hingewiesen haben und Sie in dieser Zeit nicht müde geworden sind, dem Ministerpräsidenten vorzuhalten, dass er das Parlament missachtet, frage ich Sie: Wie bewerten Sie den Umstand, dass er eben erst - gerade jetzt, während ich diese Frage angefangen habe zu stellen - zu diesem Tagesordnungspunkt den Saal betreten hat?
Diesen Umstand bewerte ich so, dass das etwas schade ist, weil der Ministerpräsident nun nachlesen muss, was ich bisher gesagt habe.
Dadurch, dass Sie mich mit Ihrer Zwischenfrage unterbrochen haben, hat er aber die große Chance, den Rest meiner Rede zu hören. Das ist doch wunderbar, oder nicht?
Angesichts dessen und angesichts der Debatte, die wir gerade eben über die Frage der Religionsfreiheit geführt haben, muss ich ganz ehrlich sagen: Was Sie da machen, ist nicht richtig. Sie sagen einerseits, das Eintreten für einen zusätzlichen kirchlichen Feiertag, für den Reformationstag oder den Buß- und Bettag, sei ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Aber andererseits sagen Sie: Lassen Sie uns doch hier eine offene Debatte führen!
Ich kann Ihnen sagen, wie das Verfahren jetzt weitergehen wird: Die Landesregierung wird einen Gesetzentwurf einbringen, nachdem er das normale Anhörungsverfahren durchlaufen hat. Danach wird sich dieses Haus damit befassen können. Die CDU-Fraktion hat für sich bereits festgelegt, dass sie keine geschlossene Fraktionsmeinung zu diesem Thema haben will. Auch wenn es sich hier nicht um eine Gewissensentscheidung handelt, soll jeder Abgeordnete der CDU-Fraktion selbst festlegen, wofür er sich entscheidet. Das heißt, jeder Abgeordnete bekommt die Möglichkeit, zusätzliche Anträge einzubringen oder auch in Gruppen eine Änderung des Gesetzentwurfes zu beantragen. Dann werden wir das hier in aller Ruhe debattieren.
Ich schlage daher vor und halte es für geboten, dass der heute vorliegende Antrag in jene Gesetzesberatung einbezogen wird. So, wie Sie es hier auf den Tisch zu bringen versuchen - Sie geben an, eine offene und transparente Debatte zu wollen, nehmen dann aber einen Grundrechtsverstoß an und legen sich auf einen weltlichen Feiertag fest -, werden Sie dem bisherigen Verlauf der Debatte nicht gerecht.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD - Anja Piel [GRÜNE]: Wel- chem Verlauf welcher Debatte denn? Ich habe doch nicht dabeigesessen! Wir fangen die Debatte doch gerade erst an!)
Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Die nächste Wortmeldung liegt vor vom Kollegen Lynack von der SPD Fraktion. Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um unseren zusätzlichen neuen Feiertag in Niedersachsen nimmt Fahrt auf und rollt wie eine Lawine immer weiter. Wir alle mischen kräftig mit, sprechen mit Verbänden, sprechen mit den Menschen bei uns in den Wahlkreisen, auf der Straße, in Vereinen und Verbänden und haben teils schon vorgefertigte Meinungen. Deswegen verzichte ich jetzt darauf, die inhaltliche Debatte weiterzuführen, obwohl mir durchaus noch ein paar Gründe einfallen würden, noch weitere Feiertage zu fordern, um möglichst viele Menschen in diesem Land glücklich zu machen. Ich weiß aber, dass das nicht geht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Anja Piel, Ihr Antrag enthält im Kern zwei Vorschläge zu dem Verfahren, wie wir den neuen Feiertag auswählen sollen: Zum einen soll ein großer Diskussionsprozess gestartet werden, und zum anderen soll die Wahl des neuen Feiertages einen weltlichen Anlass beinhalten.
Sowohl das Verfahren wie auch die Vorfestlegung lehnen wir ab; der Kollege Nacke hat das eben schon ausführlich begründet. Wir haben es zwar noch nicht von allen Fraktionen klar gehört, aber ich prognostiziere einfach einmal, dass sich die überwiegende Mehrheit des Hauses dafür aussprechen wird, dass es einen neuen Feiertag geben soll. Darüber und auch darüber, welcher Anlass dem neuen Feiertag zugrunde liegen soll, muss - wie bei Gesetzen üblich - dieses Haus entscheiden. Darin stimme ich völlig mit Ihnen überein.
Da die Vorstellungen aber ebenso weit auseinandergehen wie die Begründungen dafür - wir haben es gehört -, hat meine Fraktion bereits entschie
den - genauso wie die CDU-Fraktion; Herr Nacke hat es eben gesagt -, dass wir nicht mit einer abgestimmten Meinung in die Diskussion und die Beschlussfassung hier im Plenum gehen werden. Es wird fraktionsübergreifende Anträge und Beschlüsse geben. Wir werden erst entscheiden, ob wir wirklich einen neuen Feiertag haben wollen, und dann, welchen Feiertag wir haben wollen.
Ginge es allerdings nach Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, würde die Entscheidung nur zum Teil von uns getroffen werden; Kollege Nacke hat eben darauf hingewiesen. Abgesehen davon, dass es nicht sinnvoll wäre, schon vor dem Beginn eines Dialogs weitgehende Grenzen einzuziehen, sehe ich nicht, dass wir hier überhaupt noch mehr Dialog brauchen. Am 15. Oktober haben die Wählerinnen und Wähler in diesem Land für uns gestimmt und uns beauftragt, eine Entscheidung zu treffen. Dabei wussten sie zumindest bei der SPD, was sie zu erwarten hatten; denn wir haben schon vor der Wahl die Einführung eines neuen Feiertages gefordert.
Wir führen den neuen Feiertag ein. Ich finde das nicht nur transparent und nachvollziehbar, sondern das ist für mich auch selbstverständlich. Liebe Anja Piel, das ist keine Hinterzimmerpolitik; denn wir haben das vorher gesagt.
Nur weil die Einlösung unserer Wahlzusage ein ganzes Konvolut an Meinungen hervorgerufen hat, das auch heute schon wieder ausgebreitet worden ist, dürfen wir uns die Entscheidung nicht aus der Hand nehmen lassen - schon gar nicht, um der Gefahr vorzubeugen, viele Menschen in ihrem Wunsch für einen neuen Feiertag zu enttäuschen.
Die Debatte um den neuen Feiertag findet gefühlt bereits seit der letzten Landtagswahl statt - und sie funktioniert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Verbände und die Bürgerschaft äußern sich und wenden sich an uns, an ihre Parlamentarier. Mir stellt sich die Frage, was ein weiterer Beteiligungsprozess dem noch obendrauf setzen sollte, abgesehen davon, dass es dann in diesem Jahr wohl nichts mehr werden würde, weder mit der Beschlussfassung noch mit dem Feiertag selbst.
Ein solches Format könnte niemals auch nur ansatzweise den Anspruch erheben, repräsentativ zu sein. Am Ende des Tages müssen wir Abgeordnete entscheiden, und zwar aufgrund der Eindrücke und Argumente und letztlich auch aufgrund der Vorgaben, die wir aufnehmen wollen. Ich habe den Eindruck, dass alle Argumente auf dem Tisch liegen und in der Diskussion längst genannt worden sind.
Die Argumente sind ausgetauscht, und wir fangen langsam an, uns im Kreise zu drehen, mal abgesehen von dem Aufwand, den ein weiterer Beteiligungsprozess nach sich ziehen würde.
Ich habe aus den Gesprächen, die ich mit Bürgerinnen und Bürger führe, den Eindruck, dass die meisten Menschen von uns erwarten, jetzt endlich den Knoten durchzuschlagen und langsam eine Entscheidung zu treffen.
Die anderen Bundesländer haben das bereits getan - gestern übrigens auch Hamburg - und sich auf einen Feiertag geeinigt. Ich denke, langsam blicken die Menschen in Niedersachsen auf uns und wollen, dass hier mal weißer Rauch aufsteigt.
Es gibt viele gute Gründe für einen weltlichen Feiertag, aber es gibt auch viele gute Gründe für einen weiteren religiösen Feiertag. Lassen Sie uns in offener Debatte über Ihren Vorschlag diskutieren! Da bin ich bei Ihnen - aber erst dann, wenn der Vorschlag der Landesregierung auf dem Tisch liegt. Ich denke, den können wir dann wunderbar zusammen mit Ihrem Antrag im zuständigen Ausschuss beraten. Mein Vorschlag für einen breit angelegten Dialog wäre eine breite Beteiligung mit einer Anhörung der Verbände im Innenausschuss.
Ich wünsche uns allen gute Argumente und weise Entscheidungen und freue mich auf die Ausschussberatung.