Protocol of the Session on May 4, 2016

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage es Ihnen erneut. Sie haben sich mit keinem Wort beim Fall Safia S. in die Richtung des Polizisten gewendet. Ich lasse mir an dieser Stelle doch nicht Zynismus vorwerfen! Aber ich werfe Ihnen vor, dass Sie diesen Fall missbrauchen, um systemisches Versagen daraus zu machen. Das ist ein Missbrauch eines Falles, anstatt ihn vernünftig aufzuklären, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Tonne. - Jetzt hat sich für die FDP-Fraktion Dr. Stefan Birkner zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Tonne, Sie sprachen davon, dass das hier ein einmaliger Vorgang ist. Da haben Sie völlig recht! Das ist ein einmaliger Vorgang. Heute werden die Mehrheitsfraktionen einen Einsetzungsantrag der Oppositionsfraktionen mit Ihrer Mehrheit in einer Art und Weise abändern, die den Untersuchungsauftrag ändert und damit unser Ziel verwässert.

(Johanne Modder [SPD] und Petra Tiemann [SPD]: Nein! Genau das ist es nicht!)

Das ist ein Verfassungsbruch mit Ansage, meine Damen und Herren! Das ist eine Frechheit gegenüber der Opposition und gegenüber der Verfassung!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das parlamentarische Untersuchungsrecht ist das wesentliche Recht der Opposition. Der Kollege Nacke hat darauf schon hingewiesen. Und Sie gehen einfach mit der Arroganz der Macht, die Sie hier an den Tag legen, darüber hinweg, weil Sie offensichtlich Angst davor haben, dass bei diesem Minister Defizite aufgedeckt werden. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, da empfehle ich Ihnen, einmal die Verfassung zu lesen, und zwar den Artikel 27; ein Blick in das Gesetz erleichtert bekanntermaßen die Rechtsfindung. Das Ziel der Untersuchung bestimmt die Opposition - und niemand anders -, und zwar zur Wahrnehmung ihres verfassungsgemäßen Auftrags zur Kontrolle der Landesregierung.

(Zurufe von Ottmar von Holtz [GRÜ- NE] und Johanne Modder [SPD] - Gegenruf von Jens Nacke [CDU]: Die verstehen doch sowieso nichts davon! - Weiterer Gegenruf von Björn Thüm- ler [CDU]: Keine Ahnung, aber rum- blöken!)

Die Zielrichtung haben wir in unserem Einsetzungsantrag dargelegt. Uns geht es dabei ganz gezielt darum, die Verantwortung insbesondere der aktuellen Landesregierung zu untersuchen, und darum, welche Schlussfolgerungen für die Gegenwart und die Zukunft im Hinblick auf die Gefahren, die durch den islamistischen Terrorismus in Niedersachsen bestehen, zu ziehen sind.

Die Regierungsfraktionen verwässern dies,

(Anja Piel [GRÜNE]: Verbessern, nicht verwässern!)

indem sie den Untersuchungszeitraum ausweiten, und zwar wesentlich.

Meine Damen und Herren, damit wird der Kern des Untersuchungsauftrages verletzt, und es sind wesentliche Verzögerungen zu erwarten. Es tritt genau der Fall ein, den die Verfassung beschreibt: Die Grenzen, wie ein Untersuchungsauftrag ausgeweitet werden darf, werden hier überschritten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Kern wird verletzt, weil durch die zeitliche Ausweitung eine andere Regierung in den Blick genommen wird. Meine Damen und Herren, ob Ihnen das passt oder nicht: Wir bestimmen die Zielrichtung. Sie weiten die Zielrichtung aus. Damit

wird der Kern verletzt. Die effektive Kontrollfunktion, die wir gegenüber der aktuellen Regierung wahrzunehmen haben, wird damit beeinträchtigt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Hinzu kommt - und da wird es dann noch spannend -, dass Sie so, wie Sie sich hier verhalten, mit der Ausweitung um zwei Jahre und den Mehrheitsrechten im Ausschuss natürlich historisch chronologisch anfangen werden. Nichts anderes ist zu erwarten. Damit rückt das, was wir untersuchen wollen, nach hinten. Somit werden unsere parlamentarischen Kontrollrechte weiter geschwächt.

(Beifall bei der FDP)

Eine wesentliche Verzögerung ist zu erwarten, weil wir von drei Jahren ausgehen und Sie das auf fünf Jahre ausweiten. Es sind zwei weitere Jahre mit Akten.

Herr Tonne, da verstehe ich Sie auch nicht mehr.

(Christian Grascha [FDP]: Ich habe ihn die ganze Zeit nicht verstanden!)

Sie führen hier wortreich aus - inhaltlich falsch, wie ich meine -, dass Sie das alles ablehnen, weil es alles völlig überflüssig sei. Aber Ihre Antwort darauf ist nicht, dass Sie das Ganze ablehnen. Das können Sie nach der Verfassung auch nicht. Sie weiten es dann aus. Welchen Sinn macht es denn, bitte schön, erstens alles zu verdammen und zweitens zu sagen, dann müssen wir noch zwei Jahre mehr untersuchen?

Das ist natürlich inkonsequent und zeigt genau, wo Sie hinwollen. Sie wollen uns nämlich in unserer parlamentarischen Oppositionsarbeit behindern und die Regierungskontrolle erschweren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zum Zeitraum: Sie behaupten, der Beginn des Bürgerkriegs in Syrien sei der richtige Zeitraum, um das Phänomen des Salafismus und Islamismus sowie die Auswirkungen auf Niedersachsen zu erkunden. Das ist nun wirklich total abwegig. Mit Verlaub! Das ist willkürlich gegriffen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: So ist es!)

Wenn es Ihnen darum geht, das Phänomen des Salafismus und Islamismus zu erkunden, dann müssen Sie mindestens Mitte des 20. Jahrhunderts beginnen. Dann können Sie die Entwick

lungslinien nachvollziehen und gucken, welche Auswirkungen das auf Niedersachsen hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das wollen wir aber gerade nicht. Sie wollen diese historische Linie aufmachen und versuchen damit, uns in unseren Zielrichtungen zu schwächen. Sie gehen hier nicht nachvollziehbar und willkürlich vor.

Wir haben versucht, Ihnen entgegenzukommen. Sie aber kündigen die parlamentarische Praxis, die in Niedersachsen geübt ist, hier heute auf. Mir ist kein einziger Fall bekannt, wo der Untersuchungsauftrag mit einer Mehrheitsentscheidung gegen den Willen der beantragenden Opposition abgeändert worden wäre. Sie gehen heute diesen Weg. Damit werden Sie leider negative Parlamentsgeschichte schreiben.

Sie werden dem Anspruch, den Sie haben, und Ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag nicht gerecht. Wir haben versucht, das zu vermeiden, und sind Ihnen entgegengekommen. Sie haben dieses Kompromissangebot abgelehnt. Wir sind schon von unserer eigenen Position abgewichen und werden diese Kompromissbereitschaft nach Ihrem Verhalten hier natürlich nicht weiter zeigen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Herr Minister, es ist schon bemerkenswert, was Herr Tonne hier alles erklärt. Hat die Landesregierung eigentlich einmal irgendeine Anstrengung unternommen, dem Recht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, dem Recht des Parlaments und dem Recht der Opposition zur Geltung zu verhelfen? Und hat sie sich einmal darum gekümmert, wie denn sichergestellt wird, dass die öffentliche Sicherheit, die ja kurz vor dem Zusammenbruch zu sein scheint, nur weil wir hier heute darüber diskutieren, trotz eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses gewährleistet ist? - Es ist doch Ihr Auftrag, die öffentliche Sicherheit sicherzustellen und dem Parlament zu seinem verfassungsmäßigen Recht zu verhelfen, anstatt nur die Gewerkschaften ins Feld zu führen, die dann als Zeugen herangezogen werden.

(Beifall von Björn Thümler [CDU])

Herr Minister, ich erwarte von Ihnen heute vor der Abstimmung eine Erklärung, wie es denn um diese Dinge tatsächlich bestellt ist, damit wir uns hier

nicht nur auf diese Gerüchte, die Herr Tonne in die Welt setzt, verlassen müssen.

Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Jetzt hat sich Helge Limburg, Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort gemeldet. Herr Limburg, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlass für den heute vorliegenden Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses war in der Tat - das hat der Kollege Tonne richtig ausgeführt - der Messerangriff auf einen Bundespolizisten am Hauptbahnhof Hannover.

Die Grünen und ich schließen uns den Genesungswünschen ausdrücklich an.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

In der Verurteilung dieser Tat sind wir uns sicher alle einig. Wir sind uns auch darin einig, dass wir alles rechtsstaatlich Mögliche tun müssen, um solche Taten nach Möglichkeit zu verhindern. Eine vollständige Sicherheit aber - auch das muss uns allen klar sein - kann es nicht geben, schon gar nicht in einem freien demokratischen Rechtsstaat. Sicherheit und Freiheit müssen dabei auf einer Stufe stehen.

Meine Damen und Herren, die Opposition vermutet wegen dieses Vorfalls und weiterer Vorfälle Versäumnisse der zuständigen Behörden und der rotgrünen Landesregierung. Dieser Vermutung wollen Sie nachgehen. Das ist ausdrücklich Ihr Recht.

Ich bezweifle aber, dass ein Untersuchungsausschuss das geeignete Mittel ist, um zu prüfen, wie die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden verbessert werden kann. Herr Kollege Nacke, in der Tat wäre ein Sonderausschuss besser geeignet gewesen, in die Zukunft gerichtete Vorschläge zu entwickeln. Wir haben nur deshalb keinen entsprechenden Antrag vorgelegt, weil Sie bereits deutlich gemacht hatten, dass Sie um jeden Preis an diesem Untersuchungsausschuss festhalten würden. Dann macht es doch keinen Sinn, parallel noch einen Sonderausschuss einzurichten.