Zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre sind die Landkreise Lüneburg und Lüchow-Dannenberg von schwerem Hochwasser heimgesucht worden. Frauen, Männer und Kinder, die an der Elbe wohnen, mussten ihre Häuser zurücklassen. Tagelang bangten sie um persönliche Dinge, alles verbunden mit Erinnerungen und vielen Geschichten. Bei dieser Elbflut gab es, wie immer, eine Zeit des Zitterns. Das war die Zeit, in der die Flutwelle von
Sachsen über Sachsen-Anhalt und Brandenburg nach Niedersachsen rollte. Dann kam die Zeit des Anpackens. Nun galt es, Schlimmes zu verhüten und Menschenleben zu schützen.
Solch eine Flut ist erst einmal nichts Politisches. Aber nach dem Zittern und nach dem Anpacken kann jetzt das Nachdenken einsetzen. Deshalb stellen sich die Fragen, die Politik beantworten muss: Warum gibt es an Flüssen wie der Elbe in immer kürzeren Abständen Hochwasser? Was kann Politik tun, um das zu ändern?
Zunächst also die Frage nach dem Warum. Da lohnt es sich schon, einmal über das Wort „Klimawandel“ nachzudenken. Warum wird eine Jahrhundertflut schon nach elf Jahren durch die nächste abgelöst? - Viel Zeit wurde damit verschwendet, dass politisch darüber gestritten wurde, ob die Klimaerwärmung wirklich von Menschen verursacht wird. Währenddessen haben Autos, Flugzeuge und Fabriken unablässig Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen und sie weiter aufgeheizt. Unstrittig ist - das hat uns Herr Dr. Mojib Latif letzte Woche in Fallingbostel wieder erzählt -: Dort, wo es wärmer ist, verdunstet mehr Wasser, und am Ende regnet es stärker und häufiger.
Alles das subsumiert sich unter dem Begriff „Klimawandel“. Das ist nicht unterkomplex; das ist genauso, wie es ist, und so, wie es auch Stefan Wenzel, mein Umweltminister, immer wieder sagt.
Der Kieler Wissenschaftler Professor Dr. Mojib Latif hat vergangene Woche sehr anschaulich bei der Mitgliederversammlung des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes in Fallingbostel noch einmal bestätigt: Der Anstieg des Kohlendioxids erfolgte während der vergangenen Jahrzehnte hundertmal schneller, als es in den 100 Millionen Jahren davor der Fall war. Wir alle kennen die Bilder von wegbrechendem Packeis in der Arktis und von schmelzenden Gletschern in den Alpen.
Mit der Elbflut ist der Klimawandel vor unsere Haustüren gerückt, und es ist schwierig, daran vorbeizugucken. Es ist erfreulich, dass sich Wissenschaftler aller Fachrichtungen auf drei wichtige Feststellungen geeinigt haben, die inzwischen meistenteils auch die Politik begriffen hat: Ja, es gibt den Klimawandel, und ja, der Treibhauseffekt
löst den Klimawandel aus, und ja, wenn wir nicht gegensteuern, wird sich das Klima weiter wandeln, und die Flüsse werden höher und häufiger über die Deiche schwappen unabhängig davon, ob dort Büsche stehen oder nicht.
Nun zu der Frage - die ist dann doch deutlich komplexer -: Was kann Politik gegen Hochwasser und andere wetterbedingte Katastrophen tun? - Darauf gibt es im Prinzip drei Antworten:
Erstens. Zur Begrenzung des Schadens legen Bund und Länder Hilfeprogramme auf. Das niedersächsische Programm ist 20 Millionen Euro schwer. Außerdem fließt Geld aus dem Hilfefonds des Bundes nach Niedersachsen. Unser Ministerpräsident Stephan Weil hat uns eben erklärt, wie die Hilfepakete geschnürt werden und was sie enthalten.
Zweitens. Wir müssen zur Vorbeugung den Klimawandel verlangsamen. Ich glaube, das ist auch und gerade eine deutsche Aufgabe, weil unser Technologiestandard so hoch ist, dass wir diesen Klimaschutz durchaus in Vorbildfunktion betreiben können.
SPD und Grüne haben dieses Thema in ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben. Konkret: Der Landtag soll erstmalig ein Klimaschutzgesetz für Niedersachsen verabschieden. Das Gesetz legt exakte und rechtsverbindliche Ziele fest, die wir mit Unterstützung einer Energie- und Klimaschutzagentur erreichen wollen.
Ich nenne Ihnen eines dieser Ziele: Der Ausstoß von Treibhausgasen in Niedersachsen soll bis 2050 um 80 bis 95 % sinken, verglichen mit dem Jahr 1990. Das ist ehrgeizig, aber, ich glaube, Sie werden das mittragen können.
Drittens. Wir müssen den Flüssen mehr Platz schaffen, indem wir bei der Raumplanung umdenken. Wir reden hier schließlich von ungeheuren Wassermassen, die bei einer Flut gebändigt werden müssen. Wir können uns das vielleicht so vorstellen - ich habe mir die Maße heute noch einmal geben lassen -: Der normale Wasserstand der Elbe ist etwas über 2 m. Der jetzige Stand wäre auch dann, wenn dieser Deichbruch nicht passiert wäre, weit über 8 m gewesen. Das ist
Wie aber geht man mit diesen Wassermassen um? - Eines vorweg: Die Elbe, diesen stolzen Strom, darf man nicht nur als touristisches Reiseziel sehen, an dessen Ufern Urlauber campen. Die Elbe ist auch mehr als nur ein Wirtschaftsweg, auf dem Binnenschiffe Kohle und Getreide aus dem Osten Europas und dem Osten Deutschlands nach Hamburg schleppen. Ursprünglich ist dieser Fluss erst einmal nur ein Weg, den sich die Natur gebahnt hat, um Wasser von der Quelle zur Mündung fließen zu lassen. Die Probleme tauchten auf, als Menschen angefangen haben, Flussläufe nach ihren Vorstellungen zu gestalten.
Zur Geschichte der deutschen Landschaft im 19. Jahrhundert sagt der Landschaftshistoriker David Blackbourn - Zitat -:
„Man erhöhe die Fließgeschwindigkeit eines Flusses, zwinge diesen Fluss in eine schmale Rinne und fördere menschliche Ansiedlungen auf der ehemaligen Aue, und man hat regelmäßige, lokal begrenzte Überschwemmungen gegen wesentlich ausgedehntere und mit größeren Schäden verbundene Überschwemmungen eingetauscht.“
Weiter voran kam die Umwandlung des Naturparadieses Elbe, als die Dampfschiffe Karriere machten - ich sage das nur, damit wir einen Eindruck davon gewinnen, woher diese Form der Raumplanung kommt -:
Spätestens seit der Jahrhundertflut des Jahres 2002 ist allen Experten klar, dass die Elbe von diesem Druck, der da lastet, entlastet werden muss.
Die Sache ist eigentlich klar: Wenn sich die Elbe aufbäumt, braucht sie Auslauf. Also müssen Polder und Überschwemmungsflächen her. Um Platz für die Elbe zu schaffen, brauchen wir gut abgestimmte Verträge mit allen Anrainern.
Klar ist auch: Je besser es gelingt, die Elbe in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt zu beruhigen, desto zahmer kommt sie in Niedersachsen an. Ein Auto, das auf abschüssiger Strecke ins Rollen kommt, stoppen wir auch leichter nach 2 m als nach 20 m. Ich begrüße deshalb auch die Idee unseres Ministerpräsidenten Stephan Weil, einen bundesweiten Sonderrahmenplan Hochwasserschutz aufzustellen. Dieses Instrument ist erprobt und hat beim Küstenschutz sehr gut funktioniert.
Die Herausforderungen für Bund und Länder für die Zukunft sind klar: Beim Klimaschutz müssen wir uns endlich weltweit auf ehrgeizigere Ziele einigen. Flüssen müssen wir wieder mehr Raum geben - auch, damit die Anrainer angstfrei leben können.
Zum Schluss möchte ich - wie alle meine Vorrednerinnen und Vorredner - allen Helferinnen und Helfern danken, die in den vergangenen Tagen auch unter Einsatz ihrer eigenen Sicherheit geholfen haben, die Katastrophe einzudämmen - egal, ob sie dabei ihrem Beruf nachgegangen sind oder ob es sich um Frauen und Männer handelt, die einfach aus Solidarität angepackt haben. Diese Flutbekämpferinnen und Flutbekämpfer geben uns allen ein gutes Beispiel.
Vielen Dank, Frau Kollegin Piel. - Es liegt eine Meldung zu einer Kurzintervention von Herrn Dr. Birkner vor. Kurzinterventionen regeln sich über § 77 a unserer Geschäftsordnung. Darin steht nicht, dass Kurzinterventionen bei Regierungserklärungen ausgeschlossen sind. Das war bislang aber so Brauch. Sie haben jedoch Glück: Es gibt in dieser Debatte ja die erste Beratung zu dem Antrag der Fraktion der FDP. Also sind Sie im Geschäft. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Piel, Sie haben darauf hingewiesen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, auf Hochwasser zu reagieren. Zum einen sind das technische Möglichkeiten. Zum anderen sprachen Sie von Retentionsflächen und Klimaschutzbemühungen.
Meine Damen und Herren, entscheidend wird es sein, die Priorität auf Maßnahmen zu legen, die effektiv sind. Darin liegt die Verantwortung dieser Landesregierung.
Retentionsflächen zu schaffen, ist dabei nicht effektiv, zumindest nicht in Niedersachsen, da wir hier nun einmal keine Flächen haben, die solche Hochwasser aufnehmen könnten. Und woher Sie die sonst nehmen wollen - das ist nach 2002 ja intensiv diskutiert und betrachtet worden -
Und wann Ihre Klimaschutzbemühungen aus Niedersachsen dazu beitragen wollen, dass Hochwasser künftig niedriger auflaufen, ist dann die nächste Frage.
Möglicherweise werden die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen eines Tages Folgen haben. Aber Ihre Verantwortung ist es, den Hochwasserschutz mit den vorhandenen finanziellen Mitteln jetzt zu gewährleisten; Herr Kollege Hocker hat es gesagt. Und das setzt nach unserer Ansicht voraus, dass Sie die Mittel, die Sie haben, eben nicht in teure und personalintensive Klimaschutzagenturen ohne konkrete Aufgabenbeschreibung investieren, sondern in bessere und höhere Deiche und andere Hochwasserschutzmaßnahmen. Es muss darum gehen, Effektivität in den Vordergrund zu stellen, und nicht politische Ideologien.
Danke. Sie haben Ihre Redezeit von eineinhalb Minuten eingehalten. - Frau Piel, wollen Sie direkt antworten? - Sie haben ebenfalls eineinhalb Minuten. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, dass uns der ehemalige Umweltminister an seinem Wissen teilhaben lässt. Hinsicht
lich der Retentionsflächen habe ich deutlich gesagt, an welchen Stellen und in welchen Bundesländern wir vorwärts kommen müssen.