Protocol of the Session on January 21, 2016

Im Vorfeld der dritten Fachausschusssitzung, in der wir endgültig darauf gepocht haben, dass wir endlich einmal zu einem Beschluss kommen müssen, war uns am Rande des Dezember-Plenums ein Änderungsantrag vorgelegt worden, der zweifelsohne mit grüner Tinte geschrieben worden war,

(Wiard Siebels [SPD]: Schwarz auf weiß!)

der so von uns nicht akzeptiert werden konnte. Dieser Änderungsantrag war gespickt mit Fehlern. Ich nenne Ihnen nur einmal ein Beispiel: Er sagt aus, dass 85 % des Fleischabsatzes in Deutschland vom Lebensmitteleinzelhandel getätigt werden. Das ist definitiv falsch. 85 % des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland sind der Initiative Tierwohl beigetreten. Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland setzt aber nur 35 % der Fleischprodukte ab. Inhaltlich gibt es schon einmal eine Sechs für die Recherche bei der Erarbeitung dieses Antrags.

Dann kommt in Ihrer Einleitung und auch in Ihrer Begründung Kritik von unterschiedlichster Seite. Sie zitieren den Bundesverband der Verbraucherzentralen. Sie zitieren Foodwatch. Sie zitieren alle möglichen Vorbehalte dahin gehend, dass die Initiative Tierwohl offensichtlich das hehre Ziel verfehle, schlicht und ergreifend auf breiter Front in Deutschland und in Niedersachsen relativ schnell ohne öffentliche Mittel eine wesentliche Verbesserung des Tierwohls herbeizuführen. Sie finden in jeder Ecke und an jedem Ende Haare in der Suppe, warum man dieses Ziel so nicht unterstützen könne.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Weil wir es ernst meinen!)

- Liebe Kollegin Staudte, Sie unterstellen dem Lebensmitteleinzelhandel und der Fleischwirtschaft sogar, dass dies ein reines Imageproblem sei.

Besonders spannend ist, dass Sie dem Lebensmitteleinzelhandel vorwerfen, er trage mit seiner Preispolitik dazu bei, dass Fleisch nach wie vor ein Dumpingprodukt sei und 70 % der Lockangebote über das Lebensmittel Fleisch liefen. Das ist zweifelsohne richtig. Aber spannend finde ich in diesem Zusammenhang die Frage, weshalb der Lebensmitteleinzelhandel überhaupt diese Macht ausüben kann. Der Lebensmitteleinzelhandel kann die Macht ausüben, das wertvolle Lebensmittel Fleisch zu einem solchen Dumpingprodukt zu machen, weil der Konzentrationsprozess im Lebensmitteleinzelhandel in einer Art und Weise fortgeschritten ist, dass die Anbieter am Markt jedes Preisdiktat des Lebensmitteleinzelhandels akzeptieren müssen.

(Jörg Bode [FDP]: Und Gabriel macht es noch schlimmer!)

Ausgerechnet in dieser Zeit kommt der Bundeswirtschaftsminister, seines Zeichens Bundesvorsitzender der SPD, um die Ecke und sagt: Die kartellrechtlichen Bedenken gegen die Fusion von Edeka und Tengelmann sind alle nicht so wild. Ich setze mich im Sinne der Rettung der Arbeitsplätze im Lebensmitteleinzelhandel darüber hinweg.

Sie müssen sich schon einmal entscheiden: Was wollen Sie? Wollen Sie an die Verantwortung des Lebensmitteleinzelhandels appellieren? - Dann wenden Sie sich bitte zunächst - das ist ganz besonders an die Kollegen der SPD gerichtet - an Ihren Bundeswirtschaftsminister und Bundesparteivorsitzenden, damit er seine Haltung in diesem Punkt vielleicht revidiert. Ansonsten, kann ich nur sagen, wird der Konzentrationsprozess im Lebensmitteleinzelhandel alle hehren Ziele im Hinblick auf mehr Tierschutz und Tierwohl plattmachen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt komme ich schnell auf unsere lokale niedersächsische Ebene zurück. Am 30. Oktober hat ein Gespräch mit den verschiedenen Akteuren der Initiative Tierwohl auf Einladung von Ministerpräsident Weil und Minister Meyer stattgefunden. Dies haben wir in der Unterrichtung im Agrarausschuss erfahren. Was können wir daraus entnehmen? - Wenn sich ein Ministerpräsident eines solchen Themas wie der Initiative Tierwohl annimmt, dann hat er sicherlich ein gutes Gespür für Themen, für

die er sich als Regierungschef einsetzen muss. Das ist nicht sein Fachressort. Aber offensichtlich möchte er dieses Thema gerne an sich ziehen.

Warum möchte er dieses Thema gerne an sich ziehen? - Wenn Sie im Internet die Suchbegriffe „Initiative Tierwohl“ und „Minister Meyer“ und gleichzeitig als Suchbegriffe „Initiative Tierwohl“ und „Stephan Weil“ eingeben, dann finden Sie zwei sehr spannende Einträge, zunächst einen Eintrag vom 10. Januar 2015. Hier wird die top agrar erwähnt. Da wird aus einem Gespräch des Ministers Meyer gegenüber der taz zitiert und ausgeführt, Minister Meyer halte die Initiative Tierwohl für unzureichend.

Stephan Weil, der nach diesem Gespräch Ende Oktober offensichtlich sehr beeindruckt war, schreibt auf seiner persönlichen Homepage in der Kolumne - daraus möchte ich, mit Verlaub, Herr Präsident, zitieren -:

„Dennoch ist das ein verheißungsvoller Start.“

Weiter heißt es:

„Hoffentlich haben wir es hier mit einem Ansatz zu tun, der eine große Breitenwirkung erzielen wird und vor allem auch ganz konkret auf breiter Basis die Bedingungen der Tierhaltung verbessert, aber auch vielen Landwirten neue Perspektiven gibt. Unterstützung verdient die Initiative Tierwohl auf jeden Fall.“

Herr Ministerpräsident Weil, lassen Sie Ihren Worten Taten folgen! Stimmen Sie unserem Antrag einfach zu! Auch Sie haben eine Stimme in diesem Parlament.

(Beifall bei der CDU)

Ansonsten reden wir hier in diesem Parlament viel über Symbolik. Ich habe Ihnen heute erspart, Ihnen stellvertretend für die Grüne-Fraktion eine grüne Waldmeistertorte zu überreichen und Ihnen diese - bildlich gesprochen - vors Gesicht zu halten.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dammann-Tamke. - Es folgt jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Wiard Siebels. Bitte sehr, Herr Siebels!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst, Herr Dammann-Tamke, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Dass der Antrag der CDU-Fraktion ein wenig schlicht gehalten ist, haben Sie erwähnt, sodass ich das jetzt nicht noch einmal betonen muss.

Die Aussagen, die Sie zum internen Abstimmungsverfahren gemacht haben, fand ich deshalb bemerkenswert, weil es bei uns im Agrarausschuss bislang guter Brauch gewesen ist, zu versuchen, uns dort, wo immer es möglich ist, auf gemeinsame Positionen zu verständigen. Wenn es dann aber Antragsentwürfe gibt, die am Ende parlamentarisch gar nicht das Licht der Welt erblicken, dann halte ich es für ein bisschen zweifelhaft, einzelne Zahlen herauszugreifen und zu kritisieren. Diesen Antrag gibt es hier im Parlament ja gar nicht, sondern er diente internen Abstimmungszwecken. Von Ihnen habe ich dazu die Rückmeldung bekommen, dass die CDU-Fraktion darauf nicht antworten möchte, weil Sie mit diesem Antragsentwurf an keiner Stelle konform gehen. Das ist auch legitim.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Der war ja auch bewusst so formuliert, dass man ihn nicht ablehnen kann!)

Deshalb hat unsere Fraktion gemeinsam mit der Fraktion der Grünen einen entsprechenden Änderungsantrag vorgelegt. Herr Dammann-Tamke, so viel zum Verfahren.

Im Vordergrund sollten hier die Inhalte stehen. Ich möchte noch einmal die Überschrift zitieren; denn sie verdeutlicht den Kern der Thematik. Es geht darum, Herr Dammann-Tamke, meine Damen und Herren, die Haltungsbedingungen gemeinsam mit den Landwirten zu verbessern. Nach unserer festen Überzeugung ist die Initiative Tierwohl eine sinnvolle Ergänzung aller staatlichen Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang greifen. Das hat der Herr Ministerpräsident so ausgeführt. Sie haben das also wundervoll zitiert, wenn ich das einmal so anmerken darf. Ganz prima. Ich möchte mich dem inhaltlich voll anschließen.

Gleichwohl will ich aber auch deutlich machen, dass es bei der Initiative Tierwohl nicht nur Licht gibt, sondern stellenweise auch Schatten, Herr Dammann-Tamke. Ein Problem ist, dass das Geld aufgrund des Beitrags des Lebensmitteleinzelhandels in Höhe von 4 Cent insgesamt für 2 500 bis 2 600 Betriebe reicht. Beworben haben sich aber mehr als 4 600 Betriebe.

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

Es gibt also eine große Anzahl von Betrieben, Herr Dammann-Tamke, die an dem Programm nicht teilnehmen können. Deshalb ist es schon richtig, glaube ich, an den Lebensmitteleinzelhandel zu appellieren, das Finanzierungsmodell zu überprüfen und im Zweifel auch nachzulegen.

Gleichzeitig kann man auch inhaltlich kritisieren, dass die Kriterien, die der Lebensmitteleinzelhandel zugrunde gelegt hat, an der einen oder anderen Stelle möglicherweise nicht hoch genug gegriffen sind, sondern dass wir in Sachen Tierwohl mehr haben wollen.

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

Deshalb haben wir in unserem Änderungsantrag gefordert, Herr Kollege, die Mittel aufzustocken. Wir bitten den Lebensmitteleinzelhandel, dies entsprechend zu prüfen. Für uns ist aber noch etwas wichtig: Wir haben hier eine Finanzierung über die gesamte Breite. Aber nicht die gesamte Breite des Fleischangebots im Lebensmitteleinzelhandel wird auch nach den Kriterien der Initiative Tierwohl produziert. Ich glaube, dass dürften etwa 8 % sein.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Ja, beim Ringelschwanz sind es 0,5 %!)

Das bedeutet, dass der Lebensmitteleinzelhandel unserer Einschätzung nach, Herr DammannTamke, durchaus gefordert wäre, an dieser Stelle eine Kennzeichnung mit einem hinterlegten Konzept ins Auge zu fassen, damit der Verbraucher tatsächlich die Chance hat, an der Ladentheke zu entscheiden, welches Fleisch er kaufen möchte. Das wäre in diesem Zusammenhang meines Erachtens eine sinnvolle Ergänzung.

Nun will ich jemanden zitieren, der bisher nicht als Agrarwendeexperte in Erscheinung getreten ist. In der Ausgabe 1/2016 - das wird also die Januarausgabe sein - der Zeitschrift top agrar - ich weiß nicht, ob Ihnen das etwas sagt, Herr Kollege - sagt Dr. Ludger Schultze Pals - so heißt der gute Mann -:

„Maßgebliche Teile des Handels weigern sich strikt, mehr Geld auf den Tisch zu legen… Dabei wollten die mächtigen Manager der Branche anfangs sogar 500 Millionen Euro für die Initiative locker machen. Am Ende gab es nur die Hälfte.“

Und jetzt wird es noch besser; das muss Sie richtig freuen - das ist das Zitat -:

„Es klingt abenteuerlich, aber deshalb sind Bauern und Tierschützer Brüder im Geiste.“

Herr Dammann-Tamke, noch schöner geht es eigentlich nicht mehr.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Ja, kein Widerspruch! - Zuruf von den GRÜNEN: Brüder und Schwestern!)

- Ja, Brüder und Schwestern. Entschuldigung. Auch die Schwestern muss ich berücksichtigen.

Deshalb glaube ich, dass ich deutlich machen konnte, dass das, was wir in unserem Änderungsantrag zusammengefasst haben - grundsätzlich begrüßen, Richtung stimmt, kritische Punkte benennen, den Lebensmitteleinzelhandel auffordern, an diesen Punkten nachzubessern -, eine runde Sache ist. So wollen und werden wir diesen Antrag heute im Niedersächsischen Landtag beschließen. Wie Sie heute eingangs gesagt haben: Das ist heute wieder - ich glaube, Sie haben auch gestern schon Ihre Ausführungen so begonnen - ein guter Tag für Niedersachsen als Agrarland Nummer eins. Wenn Sie wollen, können Sie an diesem Tag ein bisschen mitwirken: Stimmen Sie einfach unserem Änderungsantrag zu. Damit erweisen Sie diesem Land einen guten Dienst.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Es folgt jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Abgeordnete Miriam Staudte. Frau Staudte, bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich kann nahtlos an das anschließen, was Herr Siebels ausgeführt hat. Natürlich begrüßen wir jede Maßnahme, die dazu beiträgt, die Haltungsbedingungen in der Nutztierhaltung zu verbessern. Insofern begrüßen auch wir die Brancheninitiative Tierwohl von Handel, Landwirtschaft und Fleischwirtschaft, die einen ersten Aufschlag gemacht hat, die Haltung von Tieren zu verbessern.

Ich glaube, daran wird deutlich, dass die Akteure tatsächlich erkannt haben, dass es hier um einen gesellschaftlichen Trend, auch um einen Markt

trend geht und dass man dringend darauf reagieren muss. Insofern: Ja, wir begrüßen es.