Das Entgegenkommen gegenüber Jugendlichen im Strafrecht ist doch sehr wichtig, gerade was die zivilrechtlichen und die strafrechtlichen Aspekte betrifft. Beabsichtigen Sie jetzt, das auch abzuschaffen? Wollen Sie das auch, weil Sie sagen, dass Jugendliche in allen Bereichen Erwachsenen gleichzustellen sind? Ist das tatsächlich Ihr Ernst?
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Trotzdem müssen sie sich daran halten! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Sie werden doch ab 14 strafmündig!)
Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Jetzt hat sich Volker Meyer, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Meyer!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Genthe hat es angesprochen: Im Juni 2008 gab es einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Absenkung des Wahlalters zur Landtagswahl auf 14 - - -
Im Mai 2012 gab es einen Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Absenkung des Wahlalters für die Landtagswahl auf 16 Jahre, der sogar von SPD und Grünen unterstützt wurde. Heute wird ein Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen auf Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre behandelt.
Innerhalb von siebeneinhalb Jahren ist das der dritte Gesetzentwurf auf Absenkung des Wahlalters, ohne im Vergleich zum Jahre 2008 oder 2012 auch nur ein neues stichhaltiges oder überzeugendes Argument vorbringen zu können, warum man diesem Gesetzentwurf zustimmen sollte.
größere Partizipation der Jugendlichen an politischen Entscheidungen? Oder geht es wieder einmal darum, bei Jugendlichen Erwartungen zu wecken, obwohl Sie aus Vorgesprächen wissen, dass Sie diese Erwartungen nicht erfüllen können, um dann Stimmung zu machen?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Frage nach der Form der Partizipation von Jugendlichen an politischen Entscheidungen gab es von den Koalitionsfraktionen im Laufe dieser Wahlperiode einen Entschließungsantrag; das ist angesprochen worden. Wer sich diesen aber noch einmal anschaut, wird - abgesehen von der Forderung nach dem Wahlalter 16 Jahre - feststellen, dass bei Ihnen außer ein paar Feststellungen oder allgemeinen Aussagen zu konkreten Vorschlägen zur Partizipation von Jugendlichen gilt: Fehlanzeige!
Wenn man sich dann noch einmal den Zeitpunkt der Antragstellung - einige Monate vor der Kommunalwahl - anschaut, kann man nur feststellen: Für eine verbesserte Partizipation von Jugendlichen an politischen Entscheidungsprozessen haben Sie keine Argumente. Ihnen geht es ausschließlich darum, einer vermeintlichen Jugendpolitik hinterherzulaufen und Stimmung gegen andere zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Feststellung eines Mindestalters darf laut Bundesverfassungsgericht nicht willkürlich sein. Die Ausübung des Wahlrechts fordert die Fähigkeit zur selbstständigen und begründeten politischen Willensbildung und Willensentscheidung. In welchem Alter die Reife für politische Willensentscheidungen tatsächlich eintritt, lässt sich nur schwer ergründen und ist wissenschaftlich auch nur schwer zu belegen.
Mir liegen nur Erkenntnisse vor, die gegen das Wahlalter von 16 Jahren sprechen. Da solche Prozesse bei jedem Jugendlichen anders verlaufen, kann kein Alter festgelegt werden, das für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen gilt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gut, dass durch die Verankerung des Erfordernisses einer Zweidrittelmehrheit in der Niedersächsischen Verfassung das Wahlrecht vor parteitaktischen Manövern geschützt ist, welches vorzugsweise vor Wahlen gerne auf die Tagesordnung genommen wird. Das höchste Gut unserer Demokratie, die Wahlen, darf schließlich nicht zum Spielball von Experimenten werden.
Auch ich weiß, dass gleich wieder Ihr Einwand mit der Kommunalwahl kommt; er ist schon vorgebracht worden. Tatsächlich gibt es jedoch keinen Beleg, dass das Wahlrecht für 16- und 17-Jährige bei Kommunalwahlen etwas zur Verbesserung der politischen Beteiligung beigetragen hätte. Im Gegenteil, eine Studie der Universität Hohenheim aus dem Jahre 2008 hat klar belegt, dass das 18. Lebensjahr die wesentliche Schwelle für Interesse an Politik und entsprechende Kenntnisse ist. Das 18. Lebensjahr ist auch sonst die maßgebliche Schwelle.
Mit der Koppelung des Wahlalters an das Alter für die Erlangung der Volljährigkeit wird der Zusammenhang von Rechten und Pflichten des Bürgers verdeutlicht. Erst mit der Volljährigkeit werden z. B. die volle Geschäftsfähigkeit und die volle Strafmündigkeit verwirklicht. Auch die eigenen Lebensverhältnisse sollen erst mit Erreichen des 18. Lebensjahres in eigener Verantwortung und eigenständig geregelt werden können. Wenn man Jugendliche davor schützen will, sich mit einem Handyvertrag auf zwei Jahre zu binden, braucht es gute Argumente, warum die gleichen Jugendlichen die Reife haben sollen zu wählen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer die Herabsetzung des Wahlalters fordert, muss konsequenterweise auch die frühere volle Geschäftsfähigkeit und volle Strafmündigkeit fordern.
Es gibt kein anderes Kriterium für die Urteilskraft bei Jugendlichen als die Volljährigkeit. Erst ab dem 18. Lebensjahr übernehmen die jungen Erwachsenen umfassende Verantwortung auch über ihren privaten Lebensbereich hinaus.
Das häufigste Argument für die Absenkung des Wahlalters ist die Behauptung, man könne dadurch das Interesse von Jugendlichen an Politik wecken. Die meisten minderjährigen Jugendlichen stehen der Herabsetzung des Wahlalters skeptisch gegenüber. Sie sagen von sich aus, dass sie mit der Verantwortung für politische Entscheidungen in der Regel überfordert seien und die ernsthafte Auseinandersetzung mit Politik in der Regel nicht das ist, was in ihrem Lebensalltag wichtig ist.
Anfang 2009 führte die Grüne Jugend Ostalb eine Umfrage zum Wahlrecht ab 16 unter mehr als 550 Aalener Schülern durch. Auf die Frage „Hältst du das Wahlrecht ab 16 für sinnvoll?“ antworteten 58 % mit Nein, nur 24 % mit Ja, und 18 % konnten sich nicht entscheiden. Das Fazit der Grünen Jugend lautete:
„Ein Großteil der Jugendlichen hält das Wahlrecht ab 16 nicht für sinnvoll. Hier zeigt sich, dass die Jugendlichen sich noch sehr unsicher fühlen.“
Im Sommer 2010 ergab eine Forsa-Umfrage in Berlin, dass 63 % der befragten Jugendlichen im Alter von 14 bis 29 Jahren das Wahlrecht ab 16 Jahren für sich ablehnen. Die Ablehnung in der Gesamtbevölkerung lag bei 77 %.
Mit Symboldebatten, wie Sie von Rot und Grün sie hier führen, erreichen wir weder eine höhere Beteiligung, noch leisten wir damit einen Beitrag zum Abbau der Politikverdrossenheit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es bleibt festzustellen, dass es keine wirklich stichhaltigen Gründe für die Abkoppelung des Wahlalters von der Volljährigkeit gibt. Die bisherige Koppelung der Wahlberechtigung an die Volljährigkeit ist die einzige wirklich objektiv messbare persönliche Mindestanforderung, die aus unserer Sicht sinnvoll ist und sich in der Vergangenheit absolut bewährt hat.
Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die CDU-Landtagsfraktion der Auffassung, dass wir dies auch in Zukunft beibehalten sollen, und wird Ihren Gesetzentwurf ablehnen.
Herr Meyer, ich habe den Knopf zweimal betätigt. Das war ein Versehen. Sie hätten also noch eine Minute mehr Zeit gehabt. Das können wir gleich noch - - -
(Jens Nacke [CDU]: Daran, ob das wirklich eines Kommentars von Herrn Watermann bedarf, habe ich Zweifel!)