Protocol of the Session on December 16, 2015

Näherungsverbote für Islamisten stellen von daher nur einen denkbaren möglichen Baustein zur Gefahrenabwehr dar. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass die Sicherheitsbehörden ihren Auftrag mit großer Ernsthaftigkeit und Sensibilität wahrnehmen und auch in Zukunft genau abwägen werden, welche zielgerichteten Maßnahmen getroffen werden können.

Zu Frage 3: Für die Niedersächsische Landesregierung haben die Prävention von islamistischer, salafistischer Radikalisierung und ebenso korrespondierende Deradikalisierungsansätze einen besonders hohen Stellenwert. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist nur unter aktiver Mitwirkung der betroffenen staatlichen Stellen und der zivilgesellschaftlichen Verantwortungsträger zu bewältigen. Prävention und Repression sind dabei gleichberechtigte, einander bedingende Säulen in einem ganzheitlichen Bekämpfungsansatz. Insofern leisten u. a. die Sicherheitsbehörden, aber auch das Sozialministerium, das Kultusministerium und das Justizministerium eine sehr wertvolle Präventionsarbeit. In den regelmäßigen Vernetzungstreffen tauschen sich die Ressorts über ihre Präventionsansätze aus und kooperieren dort, wo es fachlich geboten ist.

Die Landesregierung hat Maßnahmen ergriffen, um das Abgleiten insbesondere junger Menschen in extremistische Szenen zu verhindern. Sie hat gleichzeitig Angebote geschaffen, um Menschen, die sich hiervon lossagen und den Weg zurück in die Gesellschaft finden wollen, sowie deren Familienangehörige, Freunde und Bekannte zu unterstützen.

Der Zulauf zur salafistischen Szene soll also durch einen präventiven interdisziplinären Ansatz weitgehend unterbrochen werden. Die Sicherheitsbehörden tun deshalb alles, eine ganzheitliche Präventionsarbeit durch Aufklärung und Information zu leisten. Sie stellen auf Anfrage Referentinnen und Referenten zu unterschiedlichen Themen im Bereich des Islamismus bereit. Diese stehen etwa für Multiplikatorenschulungen, Lehrerfortbildungen, Veranstaltungen interessierter Bürgerinnen und Bürger sowie Veranstaltungen von Verwaltung und Politik zur Verfügung. Inhaltlich greifen dabei die Referenten neben den unterschiedlichen Erscheinungsformen von Islamismus und Salafismus auch

die Themen „Islamfeindlichkeit“ und „islamistische und salafistische Radikalisierung“ auf. Damit stellen sie das Thema in seinen gesellschaftspolitischen Gesamtkontext; das ist auch ganz wichtig.

Ein Beispiel dafür ist die gelungene Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit der Stadt Wolfsburg. Auf Anfrage der Stadt hat der niedersächsische Verfassungsschutz in Zusammenarbeit mit dem LKA seit 2014 eine Veranstaltungsreihe durchgeführt. Dabei wurden Akteure der Wolfsburger Jugendsozialarbeit und Lehrer intensiv zum Thema Salafismus fortgebildet. Darüber hinaus stellt der niedersächsische Verfassungsschutz fortlaufend Informationsmaterialien zu diesen Themen zur Verfügung. Es gibt Faltblätter zu den Themen „Islamismus“ und „Dschihadistischer Salafismus“, Broschüren zum Thema Salafismus sowie eine Handreichung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften; sie befinden sich derzeit in Druck und stehen in Kürze zur Verfügung.

Zudem hat die Präventionsstelle „Politisch motivierte Kriminalität“ des LKA u. a. mit dem Medienpaket des Programms „Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes“ mit „Mitreden! Kompetent gegen Islamfeindlichkeit, Islamismus und dschihadistische Internetpropaganda“ einen wichtigen Baustein zur Aufklärung über die Gefahren des Islamismus umgesetzt. Auch hierbei erfolgte eine Beteiligung anderer Behörden und Einrichtungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Thesenpapier des Bundestagsabgeordneten Burkhard Lischka ist nicht dargestellt, zu welchen Deradikalisierungsmaßnahmen Rückkehrer und verurteilte Islamisten verpflichtet werden sollen. Insofern fällt eine Bewertung dieser Forderungen nicht leicht.

Wichtig erscheint mir aber auch in diesem Zusammenhang, dass ebenso wie in anderen Extremismusbereichen auch im Phänomenbereich Islamismus/Salafismus eine proaktive Ansprache erfolgt. Die proaktive Ansprache von Extremisten und das Hinarbeiten auf einen Ausstiegswillen sind zwar deutlich schwieriger als die Betreuung freiwillig Aussteigender. Aber dennoch ist der mögliche Erfolg, einen noch überzeugten Extremisten zu deradikalisieren, besonders erstrebenswert. Es erscheint von daher sinnvoll, Rückkehrern und verurteilten Islamisten Hinweise auf Hilfsangebote zu geben, um somit denjenigen helfen zu können, die aus der Szene aussteigen wollen.

Dagegen wären allerdings pauschale Verpflichtungen zur Teilnahme an einem Aussteigerprogramm wohl eher kontraproduktiv. Solche Verpflichtungen könnten aufgrund des entstehenden Drucks solche, die noch keinen Ausstiegswillen haben, sogar weiter radikalisieren. Deradikalisierung setzt nun einmal ein aktives Mitwirken der Betroffenen im Sinne einer Distanzierung voraus. Hierzu zählen ein Mindestmaß an Offenheit und Selbstreflexion. Nur dann können entsprechende Maßnahmen überhaupt wirken.

Um eine gesellschaftliche und soziale Reintegration zu unterstützen, bedarf es dabei einer engen und umfassenden Begleitung der Rückkehrerinnen und Rückkehrer bzw. der Aussteigerinnen und Aussteiger. Diese muss natürlich bereits im Vollzug ansetzen und nach einer eventuellen Haftentlassung u. a. durch sozialpädagogische und gegebenenfalls auch therapeutische Fachkräfte fortgeführt werden.

Auch hierbei kommt einer Vernetzung der relevanten Akteurinnen und Akteure eine besondere Bedeutung zu. Die Entwicklung von effektiven Ansätzen und Strukturen, um dieser relativ neuen Herausforderung gerecht zu werden, ist bereits angelaufen. Derzeit liegen auch in anderen Bundesländern bisher nur sehr begrenzte Erfahrungen vor, die zu einer ganzheitlichen Konzeptentwicklung gehören würden. Bei akuten Fallkonstellationen sind insoweit individuelle Abstimmungen und Vereinbarungen der beteiligten Einrichtungen und Institutionen notwendig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Eine erste Zusatzfrage stellt Kollegin Jahns, CDU-Fraktion. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie sie den Vorschlag bewertet, ein europäisches Antiterrorzentrum bei Europol zu schaffen, um den Islamismus und den internationalen Terrorismus stärker zu bekämpfen.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus macht natürlich eine intensive Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf nationaler, europäischer und auch internationaler Ebene erforderlich. Das versteht sich von selbst, und das ist auch völlig unstrittig. Insofern ist die Forderung nach einem Antiterrorzentrum, das es auf deutschem Boden und mit niedersächsischer Beteiligung ja bereits gibt, auch für die europäische Ebene nachvollziehbar und gerechtfertigt.

Tatsächlich sind wir hier aber nach meiner Einschätzung schon einen Schritt weiter. Der europäische Rat der Justiz- und Innenminister hat nur wenige Tage nach den Terroranschlägen vom 13. November in Paris, und zwar bereits am 20. November, Schlussfolgerungen zur Terrorismusbekämpfung angenommen.

In diesen Ratsschlussfolgerungen wird u. a. ausgeführt, dass bei Europol am 1. Januar 2016 das Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung (ECTC) die Arbeit aufnehmen wird und damit eine gute Plattform bietet, über die die EU-Mitgliedstaaten ihren Informationsaustausch ausbauen können. Dies gilt natürlich auch für die operative Zusammenarbeit bei der Überwachung und bei Ermittlungen im Zusammenhang mit ausländischen terroristischen Kämpfern, dem illegalen Handel mit Feuerwaffen und der Terrorismusfinanzierung.

Die EU-Minister haben weiterhin vor Augen, dass die Mitgliedstaaten Experten im Bereich Terrorismusbekämpfung an das European Counter Terrorism Centre abordnen werden, um eine schlagkräftige Einheit für verbesserte grenzüberschreitende Ermittlungen zu schaffen, die in der Lage ist, rasche und umfassende Unterstützung bei Ermittlungen zu größeren terroristischen Zwischenfällen in der EU zu leisten.

Darüber hinaus hat der JI-Rat mit diesen Schlussfolgerungen unterstrichen, dass sämtliche Maßnahmen, die in der Erklärung der Mitglieder des Europäischen Rates - also der Staats- und Regierungschefs - vom 12. Februar 2015 zur Terrorismusbekämpfung genannt werden, beschleunigt umgesetzt werden müssen.

Für mich, meine Damen und Herren, wird damit deutlich, dass wir mit der vorgesehenen Einrichtung des Europäischen Zentrums für Terrorismusbekämpfung bei Europol einen wichtigen Schritt zu

einer verbesserten Bekämpfung des Terrorismus in Europa machen werden.

Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage kommt vom Kollegen Thomas Adasch, CDUFraktion. Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass ein Austausch von Reisedaten auf europäischer Ebene eingeführt wurde, um Reisebewegungen beispielsweise von Gefährdern nachvollziehen zu können, frage ich die Landesregierung, ob sie die schnelle Umsetzung dieser Maßnahme unterstützt.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja.

Vielen Dank, Herr Minister. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Dringliche Anfrage heißt: „Was hält die Landesregierung vom Forderungskatalog des innenpolitischen Sprechers der SPDBundestagsfraktion …?“ Man müsste sich also bei den Fragen schon an diesem Forderungskatalog orientieren.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Ich gebe zu: Ich kenne ihn nicht in allen Details.

(Jörg Bode [FDP]: Ach so!)

Es geht nicht um das Thema Terrorismusbekämpfung global und im Allgemeinen.

(Björn Thümler [CDU]: Das steht aber da drin! Der Katalog ist sehr umfas- send!)

- Dann ist es okay. Bislang habe ich vermutet, dass die erwähnten Punkte darin stehen, und habe keine Frage zurückgewiesen.

(Björn Thümler [CDU]: Er spricht in seinem Katalog auch von Drohnen!)

Die nächste Frage kommt von Dr. Birkner.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, wie viele überwachungsbedürftige islamistische Personen gibt es denn in Niedersachsen?

(Zuruf von der CDU: Auch das war ei- ne gute Frage!)

Herr Minister, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahl bewegt sich im oberen zweistelligen Bereich.

(Jörg Bode [FDP]: Das können auch 51 sein!)

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Jahns, CDU-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, ob sie die Schaffung einer Ombudsstelle für Bürgerinnen und Bürger sowie Flüchtlinge unterstützen würde, bei der sich Personen melden können, die den Verdacht haben, dass Flüchtlinge oder Asylbewerber als dem IS oder anderen Terrororganisationen nahestehend einzustufen sind.

Danke schön. - Herr Minister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Jahns, wir überprüfen ständig die Abläufe in den Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen im Lande Niedersachsen. Dazu gehört auch, dass wir sowohl die hauptamtlichen als auch die nebenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ständig weiterbilden, informieren und sensibilisieren. Sollte es Erkenntnisse geben, die es erforderlich oder geradezu angeraten erscheinen lassen, eine Ombudsstelle oder etwas Ähnliches zu schaffen, werden wir dem Gedanken nähertreten. Bislang scheinen die Informationskanäle, der Austausch und die Kommunikation zwischen Sicherheitsbehörden und Erstaufnahmeeinrichtungen so gut zu funktionieren, dass das nicht nötig ist. Aber

wir bleiben da sehr aufmerksam und beobachten die weitere Entwicklung.

Vielen Dank, Herr Minister. - Es folgt Herr Kollege Oetjen, FDP-Fraktion.