Zu der Bearbeiterstraße noch eine kleine Geschichte am Rande: Für die Vergabe einer neuen Kennung im MARIS-System für den Sachbearbeiter des BAMF, der die Eingabe vornimmt, benötigt das BAMF - nur für die Ausgabe der Kennung und eines entsprechenden Log-in-Passwortes! - nach Aussage von Beschäftigten des BAMF vor Ort derzeit mehrere Wochen Vorlaufzeit. In den Fällen, in denen ein Sachbearbeiter durch einen anderen ersetzt wird, kann dieser mit der Kennung des Vorgängers arbeiten. Eine eigene kriegt er aber noch gar nicht. Jeder zusätzliche Mitarbeiter muss vier bis sechs oder sieben Wochen warten, bis er eine eigene Kennung kriegt.
Alle Flüchtlinge, die von der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen regulär den Kommunen zugewiesen werden, sind in NiAS registriert - diese Registrierung ist Voraussetzung für die Verteilung - und auch gesundheitlich erstuntersucht.
Anders stellt sich die Situation allerdings bei den Unterkünften der Kommunen im Wege der Amtshilfe dar. Dort kommen Flüchtlinge an, die unregistriert und ohne gesundheitliche Untersuchung direkt aus Bayern weitergeleitet wurden. In diesen Fällen werden dann sowohl die Registrierung als auch die Gesundheitsuntersuchung schnellstmöglich nachgeholt.
Zu Frage 1: „Wie bewertet die Landesregierung diese doppelte behördliche Registrierung, und existiert diese auch in Niedersachsen?“
Zu einer doppelten Registrierung im Sinne der Anfrage liegen hier keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. In Niedersachsen wird insoweit nicht doppelt registriert.
Allerdings hat die Landesverwaltung nach wie vor keinen Zugriff auf Daten der Bundespolizei und des BAMF. Das liegt an mangelnden Schnittstellen, die seitens der Bundesverwaltung noch nicht zur Verfügung gestellt wurden.
Aktuell - das wissen Sie - ist am 5. November von den Vorsitzenden der die Bundesregierung tragenden Parteien die Einführung eines einheitlichen
Ausweises - Arbeitstitel: Flüchtlingsausweis - und - ganz wichtig - einer einheitlichen Datenbank beschlossen worden. Damit wäre dieses Problem bundeseinheitlich gelöst, sobald das umgesetzt wäre. Details hierzu können jedoch noch nicht genannt werden, da ein Gesetzentwurf noch nicht vorliegt. Dieser soll aber nach hiesigen Informationen noch in diesem Jahr vorliegen und vom Bundeskabinett entsprechend verabschiedet werden.
Zu Frage 2: „Können in Niedersachsen polizeilich oder kommunal erfasste Daten zur Registrierung dem BAMF zugänglich gemacht werden, und unterstützt die Landesregierung dieses Vorgehen?“
In Niedersachsen zum Zwecke der Registrierung erhobene Daten können - ich wiederhole mich an dieser Stelle - mangels Schnittstelle nicht vom BAMF weiterverarbeitet werden. Sobald die in der Antwort zu 1 benannte Datenbank durch Schnittstellen zu den Polizeisystemen und Landesverwaltungssystemen realisiert worden ist, sollte das Problem nicht mehr auftreten.
Das Ziel eines Flüchtlingsausweises auf der Basis einer flächendeckend gemeinsam zu nutzenden und zu pflegenden Datenbank wird von der Landesregierung ausdrücklich unterstützt.
Zu Frage 3: „Wie viele unregistrierte Asylbewerber haben welchen Standort verlassen und mit welchem Ziel?“
Einer Ausländerin oder einem Ausländer, die oder der um Asyl nachsucht, ist zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet. Diese sogenannte Aufenthaltsgestattung ist gemäß § 56 Abs. 1 des Asylgesetzes „räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem die für die Aufnahme des Ausländers zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt“.
Ausländer, die einen Asylantrag bei einer Außenstelle des Bundesamtes zu stellen haben, sind gemäß § 47 Asylgesetz „verpflichtet, bis zu sechs Wochen, längstens jedoch bis zu sechs Monaten, in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen“.
Für Asylsuchende, die noch nicht registriert worden sind, ist die zuständige Aufnahmeeinrichtung demzufolge - logischerweise - noch nicht bestimmt worden. So erfolgt für die derzeit aus Bayern ankommenden Asylsuchenden keine Bestimmung der zuständigen Aufnahmeeinrichtung in Niedersachsen unter Beachtung der Aufnahmequote des Landes durch die zentrale Verteilungsstelle in Bayern.
Vor diesem Hintergrund ist für Asylsuchende, die noch nicht registriert worden sind, noch keine Aufenthaltsbeschränkung eingetreten, gegen die verstoßen werden könnte. Eine Erfassung von Asylsuchenden, die ihre Unterkünfte aufgrund fehlender Aufenthaltsbeschränkungen verlassen, wird zurzeit nicht vorgenommen und dürfte auch schwer zu realisieren sein.
Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Die erste Zusatzfrage möchte der Kollege Ansgar Focke, CDU-Fraktion, stellen. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, vor dem Hintergrund dessen, was Sie eben hier und auch im Innenausschuss erklärt haben, dass Sie die Registrierung von Flüchtlingen, also von Antragstellern, über die Erfassung von biometrischen Daten begrüßen, und auch vor dem Hintergrund, dass diese Daten dann zusammengeführt werden und für einen einheitlichen Flüchtlingsausweis genutzt werden sollen, frage ich die Landesregierung: Wie stellen Sie sicher, dass im EASY- und im NiAS-System bereits jetzt biometrische Daten wie Fingerabdruck, Foto des Gesichts und Unterschrift erfasst werden, damit keine Doppelarbeiten gemacht bzw. diese Schritte nachgeholt werden müssen, wenn die Schnittstellen geschaffen sind? Vielmehr könnten dann die Daten direkt übertragen werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Focke, ich will es gerne noch einmal sagen: In EASY werden keine personenbezogenen Daten erfasst. Dafür ist das EASYSystem nicht ausgelegt und nicht geschaffen worden. EASY betrifft nur die Verteilung der Flüchtlinge unter den Ländern. Da spielt die Frage der Identität, des Namens zunächst überhaupt keine Rolle. Dabei geht es um die Verteilung nach dem Schlüssel. Von daher wird es in diesem System
In NiAS gibt es bislang ein Foto. Es wäre mit ein paar zusätzlichen Arbeitsschritten wahrscheinlich mühelos möglich - das ist eine technische Vermutung -, NiAS so auszuweiten, dass Fingerabdrücke gescannt werden können. Wir sind bereits in der Beschaffung.
Im Augenblick aber, so muss man deutlich sagen, liegt unser Hauptaugenmerk auf einer schnellen Registrierung in EASY und NiAS, um das Verfahren überhaupt betreiben und weitertreiben zu können. Solange die Schnittstelle nicht vorhanden ist, liegen die Fingerabdrücke im Grunde genommen herum. Man kann mit ihnen nichts anfangen, weil es kein gemeinsames Datensystem gibt. Wir werden trotzdem kleine Scangeräte anschaffen und überall da, wo es im Rahmen der Arbeitskapazitäten möglich ist, Fingerabdrücke nehmen. Aber sie nutzen uns nicht, weil wir sie nicht mit anderen Behörden austauschen können. Demzufolge ist der eigentliche Effekt der Abnahme von Fingerabdrücken, nämlich Doppelmeldungen zu verhindern usw., damit nicht zu erreichen.
Zugegeben: Für den Fall, dass dieses IT-System im Januar oder Februar, wie von Herrn de Maizière zwar in Aussicht gestellt, aber von vielen bezweifelt, tatsächlich zur Verfügung steht, könnten die Daten in der Tat dort eingespeist werden. Von daher werden wir alles tun, bereits so viele Fingerabdrücke wie möglich zu sammeln. Aber eine Anwendbarkeit gibt es für sie bislang nicht.
Auch noch nicht geklärt ist, ob es eigentlich eine gesetzliche Grundlage dafür gibt, Fingerabdrücke in diesem Verfahren zu nehmen. Auch das müsste gegebenenfalls mit dem Bund noch geklärt werden.
(Jens Nacke [CDU]: Seit Monaten be- schreiben Sie die Probleme! - Gegen- ruf: Das ist ein Bundesthema!)
(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulrich Watermann [SPD]: Wer ist denn Bundesinnenminister? - Weiterer Zuruf von Jens Nacke [CDU])
(Jens Nacke [CDU]: Das ist unglaub- lich! - Zurufe von der SPD: Die haben es immer noch nicht verstanden! Kei- ne Ahnung! - Christian Grascha [FDP] - zur SPD -: Ihr regiert auf bei- den Ebenen! Im Bund und im Land! Dann macht mal was!)
(Björn Thümler [CDU]: Was soll er denn fragen? - Jens Nacke [CDU]: Dafür müsste man zugehört haben!)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund Ihrer eben getätigten Aussage, dass Sie keine Kenntnisse darüber haben, dass Asylbewerber Notunterkünfte mit unbestimmter Zielrichtung verlassen haben, frage ich Sie: Wie bewerten Sie die Tatsache, dass beispielsweise in der Notunterkunft in Visselhövede im Landkreis Rotenburg von 460 zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Asylbewerbern nur noch 150 anwesend waren, dass also zwei Drittel die Notunterkunft mit unbekanntem Ziel verlassen haben?
Würden Sie der Aussage zustimmen, dass man - hochgerechnet auf das Land Niedersachsen mit seinen 60 000 Zugängen seit dem 5. September - davon ausgehen kann, dass 40 000 Menschen niedersächsische Notunterkünfte mit unbestimmtem Ziel verlassen haben?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Oetjen, erstens eine Korrektur: Ich habe nicht erklärt - damit mir das nicht irgendwann vorgehalten wird -, ich hätte keine Erkenntnisse darüber, dass Flüchtlinge die Einrichtungen unregistriert verlassen. Selbstverständlich habe ich diese Erkenntnis! Aber wir haben keine zahlenmäßige Erfassung dazu. Das ist das Problem.
Zweitens zu Ihrer Schlussfrage, ob man das mathematisch nachvollziehen kann: Ja, natürlich kann man das. Wenn das so hochgerechnet werden könnte, würde das in etwa die Zahl ergeben, die Sie nannten, jedenfalls eine sehr hohe.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass das ein sehr unbefriedigender Zustand ist. Aber wir sind in einer Situation - ich bin gerne bereit, Herrn Nacke das noch einmal zu erläutern - mit einer klaren Verantwortungsaufteilung, was die Erfassung von Flüchtlingen angeht. Wenn es der Bund bis heute nicht geschafft hat, obwohl wir seit einem Jahr darüber reden, dass dieses IT-System mit der einheitlichen Datenbank geschaffen wird, wenn es eines Beschlusses der Parteivorsitzenden bedarf, um diesen Arbeitsauftrag endlich mit mehr Tempo auszustatten, dann spricht das, finde ich, eine deutliche Sprache, meine Damen und Herren.
Es hilft an der Stelle auch gar nicht, Herr Nacke, mit dem Finger auf die Landesregierung zu zeigen. Wir werden unserer Verantwortung hier gerecht.