Protocol of the Session on November 12, 2015

Ich wollte deutlich machen, dass man in diesem Fall nicht Kategorien wie „gut“ und „böse“ schaffen sollte. Man muss vielmehr klarmachen, dass auch eine moderne Stallhaltung gut ist. Und wenn wir den Tierschutz ins Spiel bringen: Es ist eben nicht so, dass Weidehaltung besser ist. Das ist ein Vermarktungsinstrument. Dafür ist es gut. Wenn die Landwirte dafür einen ordentlichen Preis erzielen, ist das in Ordnung. Da sind wir sicherlich einer

Meinung. Das wollte ich nur noch einmal richtigstellen.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Die Kollegin möchte nicht antworten.

Wir fahren in der Beratung fort. Nun hat Herr Kollege Grupe, FDP-Fraktion, das Wort. Bitte, Herr Grupe!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Der Verbraucher möchte Klarheit und Transparenz. Das wurde hier schon gesagt. Vor allen Dingen möchte er Erkenntnisse über die Herkunft und die gesamte Prozessqualität von Lebensmitteln. Es wurden einige Beispiele genannt. Sie haben deutlich gemacht, wie kompliziert es ist, wenn man mit den unterschiedlichsten Labeln arbeiten will. Die Diskussion zwischen dem Kollegen Strümpel und dem Kollegen Oesterhelweg hat deutlich gemacht, wie sehr das manchmal ins Detail geht. Wenn wir das zusammenfassen, was allein in dieser Debatte genannt wurde, dann könnte man fast sagen: Man muss das studiert haben. - Das ist das große Problem aller Labels, einerseits in großer Tiefe darzulegen, wie das Produkt entstanden ist und wie es charakterisiert ist, andererseits aber auch einfach und überschaubar zu sein.

Deswegen geht es bei vielen Punkten, z. B. bei der Weidemilch, weniger darum, darüber zu streiten, ob das gut oder schlecht ist. Ich kenne niemanden, der sagt, dass es schlecht wäre, die Kühe auf die Weide zu bringen, bei Landwirten schon gar nicht. Ich kenne aber sehr viele Landwirte, die sagen: Bei mir geht das nicht, und zwar aus ganz handfesten Gründen. - Weil das in Landeszuständigkeit liegt, könnte da auch die Landesregierung etwas tun.

Wir haben z. B. den Fall - ich habe das hier schon einmal angedeutet -, dass Stallbauten z. B. wegen verschärfter Naturschutzauflagen in der Nähe von FFH-Gebieten gar nicht genehmigt werden, weil der Auslauf der Kühe auf Wiesen führen würde, die im FFH-Gebiet liegen. Das trifft uns z. B. im Weserbergland, wo die Wiesen an den Berghängen liegen. Da muss man sich einmal entscheiden. Sagt man: „Im FFH-Gebiet muss ich die Natur so schützen, dass dort keine Kühe laufen dürfen und

ich die Ammoniak- und Methanreduzierung in den Vordergrund stellen muss“? Oder will man, dass die Kühe auf die Weide kommen? Das ist ganz simpel zu machen. Die Landwirte sind gern bereit, auf so etwas einzugehen.

Wenn der EU-Abgeordnete der Grünen, Herr Häusling, sehr bedauert, dass die Wiederkäuer aus der Methanregelung herausgenommen worden sind, dann frage ich Sie: Wie sollen Sie denn die Kühe auf die Weide bringen, wenn Sie gleichzeitig eine riesige Methanreduzierung hinbekommen wollen? Auch hier gibt es völlig widerstreitende Interessen. Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie nach vorn bringen wollen. Sie hindern die Landwirte teilweise daran, genau das zu tun, was Sie hier wortreich fordern.

Die Hühnermobile sind angesprochen worden, ebenso die Hühnereier. Natürlich will niemand die Käfighaltung. Natürlich ist es gut, dass wir das erreicht haben. Aber dann soll man doch nicht verschweigen, dass der Selbstversorgungsgrad bei uns gerade noch 60 % beträgt. Wir können für andere Bereiche doch keine Lösungen anstreben, bei denen am Ende 40 % importiert werden müssen und wir nicht so genau wissen, wie diese Produkte zustande gekommen sind, wahrscheinlich unter wesentlich weniger tierschutzfreundlichen Bedingungen. Dann müssen wir doch ehrlich sein und sagen, dass es überhaupt nicht gelungen ist, eine runde Lösung hinzubekommen, die insgesamt in Ordnung wäre.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Nieder- sachsen ist Eierexportland! - Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, die Initiative Tierwohl schafft große Vorteile. Das ist das Wichtigste. In Ihrem Antrag wird gesagt, dass sie diesen Kriterien nicht genügt. Die Initiative Tierwohl noch zu kritisieren, ist der völlig falsche Weg. Denn da wird ohne viel Bürokratie und sehr einfach Geld aufgebracht, das wirklich dem Tierschutz zugutekommt. Die Landwirte haben diese Maßnahme doppelt überzeichnet.

Letzter Satz, Herr Grupe!

Die Landwirtschaft steht parat. Die Gesellschaft muss nur wollen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregierung hat nun Herr Landwirtschaftsminister Meyer das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach einer Studie der Europäischen Kommission legt die überwiegende Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher beim Kauf von Lebensmitteln großen Wert darauf, über die Details zu den Produkten informiert zu werden. Sobald diese Informationen vorhanden sind, werden Kaufentscheidungen bewusst getroffen, und es wird gegebenenfalls ein höherer Preis für diese Produkte gezahlt.

Das Beispiel der Eier ist angesprochen worden. Vor der Einführung der Kennzeichnung gab es eine große Debatte darüber, ob der Eiermarkt zusammenbricht und ob das wirtschaftliche Schäden für die Landwirtschaft gerade in Niedersachsen zur Folge hat. Heute können wir feststellen: Die Kennzeichnung hat zu höheren Preisen, zu höheren Einkommen und zu einer höheren Wertschöpfung gerade in Niedersachsen geführt.

Herr Kollege Grupe hat wieder von 60 % gesprochen. Wir sind aber heute schon bei einem Selbstversorgungsgrad von 70 %. Wir sind in Niedersachsen richtig führend; denn wir haben keinen Zusammenbruch erlebt. Vor zehn Jahren hatten wir 14 Millionen Legehennen. Davon waren über 90 % in Käfigen. Heute haben wir 17 Millionen Legehennen. Ihre Zahl ist gerade unter Rot-Grün massiv gewachsen. Wir sind Freilandland Nummer eins geworden. Wir sind durch bio führend. Sie kritisieren immer, dass wir bei der Biofläche so schlecht seien. Wir sind das führende Bioeierland in Deutschland. Fast jedes zweite Bioei, fast jedes zweite Freilandei kommt aus Niedersachsen. Das bringt eine riesige Wertschöpfung. Wir haben heute mehr Betriebe als vor zehn Jahren. Wir haben kleinere Einheiten als vor zehn Jahren. Wenn man weiß, dass ein Freilandei - egal ob konventionell oder ökologisch - deutlich mehr Ertrag bringt, dann versteht man, dass es eine deutliche Anhebung der Wertschöpfung für diesen Bereich ist.

Deshalb fordern wir gemeinsam in den Anträgen - ich hoffe, dass die Bundesregierung endlich einmal springt, die Geflügelwirtschaft fordert es ja auch -, die Lücke zu schließen. Denn wohin kommen die Käfigeier? - Dahin, wo der Verbraucher es nicht erkennen kann. Wenn ich „Freilandhaltung“, „Kä

fighaltung“ oder „Bodenhaltung“ draufschreibe, dann kauft er keine Käfigeier. Wenn er sich Nudeln oder einen Kuchen kauft, dann kauft er ein Produkt, das Eier enthält, und zwar in der Regel Eier, die nicht aus Niedersachsen kommen. Das sind in der Regel die billigsten Eier. Es sind Käfigeier aus dem Ausland. Deshalb fordert Niedersachsen über den Bundesrat und zusammen mit der Wirtschaft, dass man auch beim Kuchen und bei den Nudeln, also bei den verarbeiteten Produkten, endlich auf die Packung schreibt, aus welcher Haltungsform die Eier stammen. Das brächte Klarheit für die Verbraucherinnen und für die Verbraucher. Ich bin froh, dass zumindest das den Anträgen von RotGrün und CDU gemeinsam ist.

Was bei den Eiern funktioniert, muss auch beim Fleisch gehen. Deshalb haben wir eine Arbeitsgruppe der Bundesländer gebildet. Das ist ja keine alleinige Erfindung Niedersachsens. Wir haben gesagt: Nicht zu viele Labels, nicht zu viele Unterscheidungen, sondern macht es wie bei den Eiern: 0, 1, 2, 3. Es ist ja schon erklärt worden, was wir darunter verstehen. Öko ist „0“, klar definiert. Alles was Zugang zum Freien hat, eine Weidehaltung oder eine Auslaufhaltung, ist „1“. 30 % mehr Platz, das ist die Einstiegsstufe des Tierschutzlabels z. B. des Tierschutzbundes, das gilt aber auch für einige Betriebe, die bei der Initiative Tierwohl mitmachen. Das wäre „2“. Und „3“ ist das Minimum, die Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards.

Ich denke, genauso wie es nicht nur schwarz und weiß gibt, nur bio und konventionell, gibt es viele Verbraucherinnen und Verbraucher, die bereit sind, etwas mehr zu bezahlen. Deshalb ist die Weidemilch ein Zwischenmodell für diejenigen, die zwar bereit sind, mehr als für konventionelle Milch zu zahlen, aber nicht so viel wie für Biomilch. Deshalb denke ich, dass wir eine Chance für unsere Landwirtschaft vergeben, wenn es uns nicht durch Kennzeichnung gelingt, dass unsere guten Produkte, die wir in Niedersachsen erzielen, klar erkannt werden.

Als Letztes, Herr Kollege Schönecke: Ich freue mich ja immer über Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn sie Fehler in der Werbung aufdecken. Sie wissen ja ebenso wie ich: Die positive Nachricht ist, dass ab dem 1. Januar 2017 das Schnabelkürzen verboten ist, auch in der konventionellen Freilandhaltung, in der - davon gehe ich aus - das Foto gemacht worden ist. Wenn wir dann noch ein Foto mit kupierten Schnäbeln sehen, dann wissen wir, dass es keine Hühner aus Nie

dersachsen waren. Von daher ist Transparenz an dieser Stelle richtig und nötig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Frank Oesterhelweg [CDU]: Das war jetzt aber billig!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich die Beratung schließen kann und zur Abstimmung komme.

Der auf Annahme in einer geänderten Fassung zielende Änderungsantrag der Fraktion der CDU entfernt sich inhaltlich vom ursprünglichen Antrag. Wir stimmen daher zunächst über diesen Änderungsantrag ab. Falls dieser abgelehnt wird, stimmen wir anschließend über die Beschlussempfehlung ab.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 17/45461 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Zweite war die Mehrheit. Dem Änderungsantrag wurde nicht gefolgt.

Wir kommen daher jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer dieser folgen und damit den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 17/3439 unverändert annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde gefolgt.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 29: Abschließende Beratung: Sicherstellung einer unabhängigen Patientenberatung - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/4367 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/4505

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung und erteile Frau Kollegin Dr. Wernstedt für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte!

1gemeint war Drs. 17/4576 (siehe Aufruf des Tagesordnungs- punktes)

Die Kolleginnen und Kollegen, die der Debatte nicht folgen wollen, bitte ich, den Plenarsaal zu verlassen, damit hier etwas mehr Ruhe einkehrt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schade, dass wir uns überhaupt um die Frage einer unabhängigen Patientenberatung kümmern müssen. Man sollte meinen, eine unabhängige Patientenberatung ist eben eine unabhängige Patientenberatung.

(Uwe Schwarz [SPD]: Genau!)

Die Einrichtung einer solchen Beratung für Patientinnen und Patienten wurde 2001 von der damaligen rot-grünen Mehrheit im Bund beschlossen und umgesetzt. Die Vergabe durch den GKV-Spitzenverband an einen oder mehrere Träger erfolgte bisher alle fünf Jahre. Dabei darf der Spitzenverband der GKV keinen Einfluss auf Inhalt und Umfang der Beratung nehmen.

Bei der ersten Vergabe wurde der Auftrag an einen Trägerverbund gegeben, zu dem der Sozialverband Deutschland, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und der Verbund unabhängige Patientenberatung gehören. Die Aufgabe dabei ist, die Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu verbessern, indem Patienten in Fragen zur Gesundheit oder zum Gesundheitsrecht umfassend informiert und beraten werden. Wenn dabei Problemlagen im Gesundheitswesen erkennbar sind, soll die unabhängige Patientenberatung darauf hinweisen. Durch die Arbeit der Patientenberatung ist z. B. schon eine gesetzliche Lücke beim Krankengeld aufgedeckt und durch eine Gesetzesänderung geschlossen worden.

Die Begleitforschung hat der UPB gute Arbeit attestiert. Lediglich bei der telefonischen Beratung gibt es Verbesserungsbedarf wegen der Wartezeiten. In Niedersachsen gibt es bislang zwei Beratungsstellen, nämlich in Hannover und in Göttingen, im gesamten Bundesgebiet 21.

Bei der Neuvergabe nach einem europaweiten Ausschreibungsverfahren in diesem Jahr ist der bisherige Träger leer ausgegangen. Der GKV-Spitzenverband hat den Auftrag an den privaten Gesundheitsdienstleister Sanvartis vergeben, der ein großes Callcenter betreibt und mit Pharmafirmen und Krankenkassen zusammenarbeitet. Hier zeigt sich überdeutlich großes Konfliktpotenzial nach drei Seiten:

Auf der einen Seite ist die GKV per Gesetz dazu verpflichtet, eine unabhängige Patientenberatung einzurichten und zu finanzieren. Auf der anderen Seite darf sie keinen inhaltlichen Einfluss auf die Beratungstätigkeit nehmen. Drittens ist sie selbst häufig Gegenstand der Beratung. Nicht nur die Oppositionsparteien in Berlin haben diese Vorgänge scharf kritisiert.

Die Professoren Marie-Luise Dierks und Rolf Rosenbrock, Medizinische Hochschule Hannover und Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, beide langjährige Mitglieder im Beirat der UPD, haben die Entscheidung, an Sanvartis zu vergeben, scharf kritisiert und sind im September 2015 von der Arbeit im Beirat zurückgetreten.

Kritik wurde außerdem von der Bundesärztekammer, der Bundespsychotherapeutenkammer und anderen Organisationen im Gesundheitswesen geäußert.

Auch aus sämtlichen Parteien quer durch die Bundesländer kommt Kritik: in Bremen seitens der rotgrünen Regierungskoalition, in Bayern durch die CSU und die SPD, in Nordrhein-Westfalen durch die FDP und in Berlin durch die SPD.

Und die Bundesregierung? - Der Bundesgesundheitsminister taucht ab und überlässt es ausgerechnet dem Staatssekretär und Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, die Vergabepraxis und das Ergebnis zu verteidigen. Das ist ihm wahrscheinlich nicht leichtgefallen.

Aus dem bisher Gesagten kommen unsere Forderungen an unsere Landesregierung, auf die Bundesregierung einzuwirken, damit die unabhängige Patientenberatung weiterhin unabhängig bleibt, und dafür insbesondere auf eine Änderung der Vergabemodalitäten hinzuwirken. Anzustreben ist nach unserer Ansicht, die Vergabe an eine Institution zu übergeben, die nicht selbst Gegenstand der Beratung ist.