Protocol of the Session on November 11, 2015

Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Mediengesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/4540

Zur Einbringung hat sich aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Gerald Heere gemeldet, dem ich das Wort erteile.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es freut mich sehr, heute als erster Redner für die regierungstragenden Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD die Novelle des Niedersächsischen Mediengesetzes in das Plenum einzubringen.

Mehr Vielfalt, mehr Transparenz, Maßnahmen zur Stärkung journalistischer Qualität, eine stärkere Absicherung der niedersächsischen Bürgermedien, kleinere Verbesserungen bei den Regelungen zur Filmförderung und der Förderung der Filmfestivals sowie technische Anpassungen: keine große Novelle, aber ein paar gezielte Eingriffe, mit denen Rot-Grün Maßnahmen moderner und vielfältiger Medienpolitik im Landesrecht verankert.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Bei den Themen Vielfalt und Transparenz haben wir uns in mehreren Punkten an der hier vor einem Monat mit großer Mehrheit verabschiedeten Novelle des ZDF-Staatsvertrags orientiert. So sollen

künftig analog zum ZDF-Fernsehrat auch die Sitzungen der Versammlung der Landesmedienanstalt (NLM) öffentlich tagen. Die erst kürzlich in der Geschäftsordnung der NLM eingeführte Transparenz in Bezug auf Tagesordnung und Beschlüsse soll im Gesetz weiter gestärkt werden. Diese Transparenz ist gut.

Auch bezüglich der Vielfalt der an der Versammlung der NLM beteiligten Gruppierungen haben SPD und Grüne Anregungen aus der Novellierung des ZDF-Staatsvertrags aufgenommen. In die Versammlung, die zukünftig die runde Summe von 30 Personen umfassen soll, sollen damit künftig Gruppierungen aufgenommen werden, die längst zur gesellschaftlichen Realität gehören, die Schwarz-Gelb bei ihrer Novelle im Jahr 2003 jedoch sträflich ignoriert hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Hierzu gehören ganz besonders die muslimischen Verbände, die hier jetzt - anders als beim ZDF - gegenüber den anderen kirchlichen Vertreterinnen und Vertretern gleichgestellt sein sollen. Das haben Sie damals nicht mit eingebaut.

Zu den Gruppen, die Sie ignoriert haben, gehören u. a. der Landesverband der Schwulen und Lesben, die Verbraucherzentrale und ein Migrantenverband wie - der aktuellen Lage angemessen - der Flüchtlingsrat. All das sind übrigens Vorschläge, wie sie beim ZDF-Fernsehrat über politische Grenzen hinweg in großer Einmut beschlossen worden sind.

Darüber hinaus schlagen wir die für die Medienarbeit unstrittig wichtigen Gruppierungen wie den Landesverband der Bürgermedien in Niedersachsen oder den für die Belange des Jugendmedienschutzes fachkundigen Kinderschutzbund als Mitglieder in der Versammlung vor.

Rot-Grün sorgt mit diesen Vorschlägen nicht nur dafür, dass es bunter wird, dass es deutlich mehr Vielfalt gibt, sondern auch dafür, dass weiterhin eine hohe fachliche Kompetenz in der nächsten Versammlung der Landesmedienanstalt vorhanden sein wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Um trotz dieser sinnvollen neuen Mitglieder die Versammlung der NLM nicht übermäßig aufzublähen, wollen wir im Gegenzug u. a. die Zahl der Sitze von Wirtschaftsverbänden von fünf auf drei

reduzieren, die damit genauso viele Vertreterinnen und Vertreter haben wie die Gewerkschaften. Das ist also keine Ungleichbehandlung, sondern eine Gleichstellung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite in diesem Gremium.

Außerdem wollen wir den Anteil der Parteienvertreter verringern, und zwar von bisher fast einem Viertel auf ca. 13 %, solange es vier Fraktionen im Landtag gibt. Der Einfluss staatsnaher Vertreterinnen und Vertreter soll somit sinken, ganz im Sinne des Grundsatzes der Politikferne des Medienbetriebs. Diesen wichtigen Grundsatz stärkt Rot-Grün mit dieser Novelle.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Darüber hinaus wollen wir mit dieser Novelle die Bürgermedien stärken. Wir wollen endlich mit der Praxis brechen, dass die Bürgermedien nicht von den Mehreinnahmen aus den Rundfunkbeiträgen profitieren. Seit Beginn des Regelbetriebs im Jahr 2002 sind die Zuschüsse an die Bürgermedien nahezu eingefroren, obwohl über den Rundfunkbeitrag mehrfach der Etat der Landesmedienanstalt gestiegen ist.

Für uns Grüne haben die Bürgermedien auf lokaler Ebene eine ähnliche Funktion wie der öffentlichrechtliche Rundfunk auf landes- und bundesweiter Ebene. Lokal müssen wir häufig mit einer Medienlandschaft leben, die von sogenannten Einzeitungskreisen - also Kreisen, in denen nur eine Zeitung existiert - sowie vereinzelten privaten Lokalsendern geprägt ist, die häufig auch noch von ein und demselben Verlag getragen werden. Mediale Vielfalt sieht anders aus.

Bürgermedien leisten in vielen Regionen Niedersachsens eine Vielfaltsfunktion, die der Markt alleine nicht zu leisten imstande ist. Genau für diese Funktion ist es gerechtfertigt, dass sie aus dem Rundfunkbeitrag anteilig mitfinanziert werden dürfen. Rot-Grün will dies auf gestärkter Grundlage fortsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Denn solange die Bürgermedien wie in der Vergangenheit einen eingefrorenen Finanzierungsanteil haben, haben sie ein Dilemma. Entweder sie reduzieren aufgrund der Inflationsrate und gebotener Tarifsteigerungen jährlich an Qualität, oder sie weichen immer mehr auf prekäre Beschäftigung aus, oder sie begeben sich jedes Jahr stärker in die Abhängigkeit von dritten Finanzierungsquellen

wie Kommunen oder Unternehmen, womit ihre Unabhängigkeit unter Druck gerät. All diese Optionen sind nicht in unserem Sinne.

Daher schlagen wir für die Novelle eine Sollformulierung vor, mit der künftige Mehreinnahmen beim Rundfunkbeitrag anteilig an die Bürgermedien gehen sollen. Über die Modalitäten, wie das passieren soll, entscheidet natürlich weiterhin die Versammlung der Landesmedienanstalt. Dieses Ziel ist deshalb kein Eingriff in deren Autonomie, sondern eine notwendige Formulierung zur Stärkung der journalistischen Vielfalt in der Fläche Niedersachsens.

Zu dieser Zielrichtung gehört außerdem noch die Erhöhung der Lizenzzeiträume für Bürgermedien auf zehn Jahre analog zu den Zeiträumen der Frequenzzuteilung, die auch für private Rundfunksender gelten. Es soll hier also die gleichen Bedingungen für kommerzielle Sender und Bürgersender geben.

Schließlich wollen wir zugunsten der internen Vielfaltssicherung von Rundfunkveranstaltern Ausnahmen streichen. Neue private Rundfunksender sollen, um zugelassen zu werden, zukünftig immer zwei interne Vielfaltsmechanismen vorhalten müssen. Dazu gehören z. B. Drittsendezeiten, die Einrichtung eines Hörfunkbeirats oder ein zu veröffentlichendes Redaktionsstatut. Rot-Grün leistet mit alldem einen Beitrag für die Sicherung von journalistischer Qualität und Vielfalt - ganz besonders in der Fläche.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich komme zum Schluss. Mehr Transparenz, mehr gesellschaftliche Vielfalt in der Versammlung der Landesmedienanstalt, Maßnahmen zugunsten journalistischer Qualität sowie eine Stärkung der Bürgermedien - auf die Beratung dieser gelungenen Novelle im Ausschuss freue ich mich ganz besonders.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - In der Beratung hat jetzt für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Jens Nacke das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten eine Änderung des Mediengesetzes. Eine „kleine Novelle“ ist sie genannt worden. Damit haben Sie insofern recht, als dass darin in der Tat nicht so furchtbar viel enthalten ist. Gleichwohl möchte ich in der ersten Beratung drei Punkte ansprechen.

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Erstens. Man wird es so sagen müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Dieses Gesetz kommt zur Unzeit.

Ich möchte das begründen. Das entscheidende Gremium der Landesmedienanstalt ist die Versammlung der Landesmedienanstalt. - Zu der Zusammensetzung der Versammlung werde ich gleich noch etwas sagen. - Deren Amtszeit läuft im März nächsten Jahres aus. Die entsendenden Einrichtungen sind daher im September per Schreiben gebeten worden, ihre zukünftigen Versammlungsmitglieder zu benennen.

19 der 25 Mitglieder, die die nächste Versammlung haben wird, sind bereits benannt. Das heißt, 19-mal ist bereits die Entscheidung gefällt worden, wer zukünftig in der Versammlung der Landesmedienanstalt sitzen soll.

Und jetzt auf einmal, mitten in diesem Prozess, kommt Rot-Grün mit einer Gesetzesänderung! Die Staatskanzlei ist daran im Wesentlichen nicht beteiligt, es heißt sogar, alles stehe unter der Federführung von Herrn Heere. Der CdS lehnt die Änderung sogar ab.

Da ist natürlich die Frage: Woran liegt das? Warum soll es jetzt auf einmal Posten und Einfluss für Gruppierungen geben, die insbesondere den Grünen nahestehen? - So kennt man das ja von einer Kaderpartei.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Und dabei akzeptiert man auch noch eine Verlängerung der Amtszeit per Gesetz, also ohne Mandat. Um nur ein Beispiel zu nennen: In der Versammlung der Landesmedienanstalt sitzt aktuell noch eine Vertreterin der Linken, weil die Linken vor fünf Jahren noch im Landtag vertreten waren. Jetzt verlängern Sie per Gesetz die Amtszeit, und damit bleibt auch Kreszentia Flauger - viele werden sich an sie erinnern - weiterhin Mitglied der Versammlung. Man kann nur hoffen, dass Sie auf diese Idee nicht auch beim Landtag kommen, um

Ihre eigene Amtszeit zu verlängern. Aber Gott sei Dank steht die Verfassung davor.

Die Frage ist nun: Ist das Unfähigkeit oder Schlamperei? - Aber das ist hier wohl nicht zu vermuten. Vielmehr scheint es so, als dass es sich hierbei um ein Kompensationsgeschäft für Änderungen bei anderen Gesetzen handelt, möglicherweise beim Ausländerrecht.

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, und zwar die Zusammensetzung der Versammlung.

Sie konnten heute in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und im rundblick lesen, dass die zukünftige Zusammensetzung der Versammlung kritisch bewertet wird. Insofern ist wirklich interessant, was Herr Heere dazu ausgeführt hat.

Bei den Unternehmerverbänden wird die Anzahl der zu entsendenden Personen mal eben halbiert: von zwei auf eine. Das wird damit kaschiert, dass es jetzt heißt, die Unternehmerverbände müssten sich mit den Handwerkerverbänden verständigen, die auch einen Sitz haben, und mit den freien Berufen, die ebenfalls einen Sitz haben. Das ist eine Reduzierung von vier auf zwei. Die logische Konsequenz wird sein, dass die Unternehmerverbände mindestens auf einen Platz verzichten; das ist doch völlig klar.

Dazu hat Hauptgeschäftsführer Dr. Müller zu Recht darauf hingewiesen, dass Sie in Sonntagsreden immer die Parität der Sozialpartner hochhalten. Aber wenn es darauf ankommt, darf der DGB seine zwei Plätze behalten und die Unternehmerverbände eben nicht.

Sie gehen sogar so weit, dass Sie behaupten, damit schaffen Sie Parität; denn die GEW und der VBE seien, wie wir lesen durften, ja gar keine Gewerkschaften, da sie die Lehrer vertreten. Auf der anderen Seite aber ordnen Sie die Zeitschriften- und Zeitungsverleger einfach den Unternehmerverbänden zu, gerade so als seien sie nicht die Medienschaffenden, für die sie selbstverständlich in die Versammlung berufen worden sind.

Herr Heere, damit werfen Sie Nebelkerzen, und das wissen Sie ganz genau. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass die Verbände auf so etwas reinfallen.

Herr Ministerpräsident - - - Er ist heute nicht da, obwohl das Medienrecht in der Staatskanzlei angesiedelt ist.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Aber si- cher ist er da! Ich habe gerade noch mit ihm gesprochen!)