Protocol of the Session on October 13, 2015

ses mit dem damaligen Wirtschaftsminister Bode in die USA gereist,

(Helge Limburg [GRÜNE]: War das vor oder nach der Brasilien-Reise?)

um sich u. a. über das US-Geschäft des VWKonzerns zu informieren. Die Grünen waren leider nicht dabei, weil der grüne Mandatsträger im Gegensatz zur grünen Basis umweltbelastende Flugreisen meidet.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP - Unruhe bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Schon auf der - im Übrigen ökologisch korrekten - Busfahrt von Atlanta nach Chattanooga fiel den Teilnehmern dieser Delegation eines auf: Die Straßen waren voll von riesigen Pick-up-Trucks und ebenso großen SUVs. Jedes dritte in den USA verkaufte Fahrzeug gehört zu dieser Fahrzeugklasse. Motorisiert bis zu 400 PS, verbrauchen diese so beliebten Fahrzeuge etwa bis zu 20, teilweise 25 Liter Kraftstoff auf 100 km. VW war und ist in dieser Sparte des amerikanischen Marktes mit keinem Fahrzeugtyp vertreten.

Natürlich haben wir anschließend den damaligen VW-USA-Chef Browning gefragt, warum sich VW dieses Geschäft entgehen lässt. Die Antwort war sehr direkt: Das entspreche nicht der Konzernphilosophie. Man setze lieber auf verbrauchsfreundliche Fahrzeuge. Deshalb hat der Konzern in den USA immer wieder verbrauchsarme Fahrzeuge präsentiert und auch auf den Diesel gesetzt.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben in Ihrer Rede soeben diese Aussage bestätigt, indem Sie darauf hingewiesen haben, dass der fragliche Dieselmotor bewusst als ökologisches und grünes Produkt positioniert werden sollte. Dass nun seitens Ihres Koalitionspartners der Eindruck erweckt wird, VW habe die grundsätzlich falsche Strategie gefahren und müsse jetzt umsteuern, sollte Ihnen wirklich sauer aufstoßen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ja, es ist richtig! Als Folge einer Politik, die zu Recht immer höhere Umweltmaßstäbe setzt, haben einige versucht, ein gutes Produkt im Hinblick auf seine Abgaswerte besser erscheinen zu lassen, als es ist. Und ja, dieses Verhalten war kriminell und ist durch keine Entschuldigung zu rechtfertigen! Ja, es ist richtig: Offensichtlich ist bei Dieselmotoren eine technische Grenze erreicht, die es nicht erlaubt, die Abgaswerte mit vertretbarem

Aufwand noch weiter zu reduzieren. Und ja, es ist richtig: Langfristig gehört dem E-Mobil die Zukunft.

(Oh! bei der SPD - Helge Limburg [GRÜNE]: Schimmert da bei Ihnen etwa so etwas wie Einsicht durch? - Heiterkeit bei den GRÜNEN)

- Im Gegensatz zu manchen bei Ihrer Fraktion bin ich lernfähig!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Oho! bei der SPD)

Ungeachtet dieser Lernfähigkeit, lieber Kollege Limburg, steht eines fest: VW steht weiter an der Spitze, und das nicht nur bei Technik und Ökologie. Der VW-Konzern hat in seiner Geschichte in allen Bereichen Maßstäbe gesetzt; auch beim Zusammenspiel von Arbeit und Kapital. In diesem Konzern arbeiten fleißige Menschen, die dafür zu Recht gut bezahlt werden. VW ist eine Erfolgsgeschichte, Teil der niedersächsischen Geschichte. Ganz Niedersachsen hat über Jahrzehnte von diesem Konzern und seinen Menschen profitiert.

(Beifall bei der CDU)

Es ist an der Zeit, etwas von dem, was wir erhalten haben, zurückzugeben: zuallererst unsere Solidarität, aber auch Mut und Zuversicht. Ich bin sicher: Wenn alle anpacken, wird die Erfolgsgeschichte weitergehen, zum Wohle des Konzerns, seiner Menschen und unseres Landes.

Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Es hat sich jetzt für die Fraktion der SPD deren Vorsitzende, Frau Johanne Modder, gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage: VW, Volkswagen, gehört zu Niedersachsen wie Ostfriesland, die Lüneburger Heide, Hannover oder der Harz. - Volkswagen hat für Niedersachsen auch aus der Geschichte heraus eine ganz besondere Bedeutung. Herr Ministerpräsident, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen.

120 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten an sechs Standorten: Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Hannover, Emden und Osnabrück. -

Damit ist Volkswagen der mit Abstand größte private Arbeitgeber in unserem Land. Dazu kommen noch die vielen Zulieferbetriebe. Es gibt in Deutschland nur wenige Fälle, in denen es eine so enge Verbundenheit zwischen einem Unternehmen und einem Bundesland gibt. Das ist etwas ganz Besonderes. Vielleicht ist auch das der Grund, warum genau dieser Skandal so sehr schmerzt.

Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben es in Ihren Ausführungen richtig benannt: Volkswagen erlebt zurzeit eine schwere Krise, vielleicht die schwerste Krise seit Bestehen. - Die Meldungen über die Manipulationen, der sogenannte Abgasskandal, haben uns Mitte September alle völlig überrascht und uns alle entsetzt und fassungslos gemacht. Eine Manipulation, ein Betrug dieses Ausmaßes ist für viele von uns unvorstellbar und nicht zu verstehen.

Um es gleich am Anfang ganz klar zu sagen: Dieser Betrug ist mit nichts zu rechtfertigen und muss mit allen Konsequenzen schnell und auch schonungslos aufgeklärt werden!

(Beifall bei der SPD - Jörg Bode [FDP]: Aber?)

- Kein „Aber“, Herr Bode! Zuhören! Dann reden!

(Heiterkeit bei der FDP - Jörg Bode [FDP]: Klang so!)

Die Menschen in unserem Land erwarten eine lückenlose Aufklärung. Sie erwarten, dass die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Wieder einmal bewahrheitet sich eine alte Erfahrung der Vergangenheit: Ein Unternehmen - diesmal leider das Unternehmen und der Weltkonzern VW - ist nicht durch die schlechte Arbeit der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer in die Krise gekommen, sondern durch Fehlverhalten und Versagen des Managements, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Allerdings haben viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die große Angst und Befürchtung, dass genau sie - und zwar nur sie - dafür einen hohen Preis zahlen müssen. Sie fürchten um ihre Arbeitsplätze. Sie haben die Sorge, dass die eigentlich Verantwortlichen wieder einmal nur milde davonkommen. Die Angst, die Verunsicherung in der Belegschaft ist zum Greifen nah. Deshalb spricht meine Fraktion ihre volle Solidarität gegenüber den Kolleginnen und Kollegen bei VW aus.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir stehen zu VW, und wir stehen zu der Belegschaft. Wer VW-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in seiner Familie oder im Bekannten- und Freundeskreis hat, weiß und kann erkennen, was diese Kolleginnen und Kollegen im Moment durchleben. Allein das macht mich wütend und traurig zugleich!

Hier wurde das Vertrauen in Volkswagen leichtfertig aufs Spiel gesetzt, ohne daran zu denken, wem man die unbestrittenen Erfolge eigentlich zu verdanken hat. Eine Entschuldigung war daher nur folgerichtig.

Aber was hat dazu geführt? Für mich stellt sich der Ablauf wie folgt dar:

2005 reifen im Konzern die strategischen Überlegungen, mit besonders umweltfreundlichen und sparsamen Dieselmotoren den US-amerikanischen Markt zu erobern. Um dies zu erreichen, entwickelt VW in den Jahren 2007/2008 den Motor mit der mittlerweile viel zitierten Nummer EA 189. Der mit diesem Motor ausgestattete und in den USA z. B. viel gekaufte Jetta TDI gewinnt 2008 sogar den Titel „Green car oft he year“. Der Motor ist sehr sparsam, erfüllt jedoch nicht die in den USA teilweise sehr strengen Abgaswerte. Wie man lesen konnte, hätte eine Anpassung die vorgegebenen Entwicklungs- und Herstellungskosten gesprengt. Aber anstelle dies offen einzugestehen, gab es eine fatale Fehlentscheidung. Man entschied sich, die Kontrollen zu manipulieren, zu umgehen. Eine katastrophale Entscheidung, deren Ausmaß heute noch gar nicht abzusehen ist.

Es wurde eine jetzt weltweit bekannte Software eingesetzt, die erkennt, ob ein Fahrzeug auf dem Prüfstand betrieben wird oder auf der Straße fährt. Bei den Tests wurden die Abgaswerte daher eingehalten. Wer wann und wo diesen Entschluss zur Manipulation gefasst hat, ist Gegenstand der Ermittlungen.

Mittlerweile ist bekannt, dass diese Software auch in anderen Ländern und Modellen verbaut wurde. Weltweit sind ca. 11 Millionen Fahrzeuge betroffen.

Meine Damen und Herren, 2014 stellen das ICCT und die West Virginia University Abweichungen in den Schadstoffkonzentrationen zwischen Prüfstand- und Straßentest fest. Eine freiwillige Rückrufaktion im Dezember 2014 in den USA von immerhin 500 000 Dieselfahrzeugen bleibt eigentlich unbeachtet und ohne Konsequenzen.

Mehr als ein Jahr lang finden Gespräche mit den amerikanischen Aufsichtsbehörden statt. Erst im September 2015 gibt VW die Manipulation zunächst mündlich und dann auch schriftlich zu.

Der Ministerpräsident hat für sich und den Wirtschaftsminister Olaf Lies heute erneut erklärt, dass beide Aufsichtsratsmitglieder des Landes Niedersachsen erst am 18. bzw. 19. September von diesen Vorgängen aus den Medien erfahren haben. Allein diese Tatsache, meine Damen und Herren, lässt tief in das Krisenmanagement und die Unternehmenskultur blicken, wie ich finde.

Meine Damen und Herren, was ist nun bislang unternommen worden, und wie geht es eigentlich weiter? - In der Tat muss es eine schonungslose und lückenlose Aufklärung des Sachverhalts geben. Sie alle kennen die Fakten.

Am 23. September übernimmt der bisherige Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn die volle Verantwortung und tritt zurück. Gleichzeitig stellt das Unternehmen selbst Strafanzeige - für mich ein klares und auch wichtiges Zeichen des Unternehmens, sich an der Aufklärungsarbeit aktiv zu beteiligen.

Sie alle kennen die Meldungen in der vergangenen Woche über die Durchsuchungen der Geschäftsräume und einzelner Wohnhäuser.

Ich bin davon überzeugt, dass uns diese Aufklärung noch viele, viele Monate auch hier im Parlament beschäftigen wird.

Erste personelle Konsequenzen wurden bereits gezogen, drei Vorstände wurden beurlaubt. Ob weitere personelle Konsequenzen folgen müssen, bleibt spekulativ, auch wenn kaum vorstellbar ist, dass nicht noch mehr Personen von den Manipulationen wussten oder hätten wissen müssen.

Dass diese Manipulation nicht schon eher aufgeflogen ist, lässt ebenfalls tief in die Unternehmenskultur blicken. Deshalb ist es genau richtig, Herr Ministerpräsident, dass Sie das auch hier heute so offen angesprochen haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die für das Unternehmen VW viel schwerwiegenderen Folgen sind z. B. die Rückrufaktionen, die sich etwas komplizierter darstellen, als vielleicht anfangs angenommen wurde. Der Ministerpräsident hat hier dazu Ausführungen gemacht. VW hat allein dafür schon eine Rückstellung von 6,3 Milliarden Euro gebildet. Dazu kommen natürlich noch

die Strafzahlungen und mögliche Schadenersatzansprüche.

Das Ausmaß der Krise und die Folgen sind zurzeit noch gar nicht abzusehen. Da ist es nur logisch und nachvollziehbar, dass auch das Unternehmen seine geplanten Investitionen neu überdenkt. Das wiederum löst natürlich Angst und Verunsicherung bei den Beschäftigten und auch den Standortkommunen aus, meine Damen und Herren, die im Übrigen auch die drohenden Verluste bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer sehen.

Natürlich bleibt auch abzuwarten, wie sich die VW-Kunden verhalten werden. Es wird für die Zukunft von ganz entscheidender Bedeutung sein, ob sie dem Unternehmen und den Produkten nach wie vor ihr Vertrauen schenken und ob VW es schafft, neues Vertrauen aufzubauen.