Betriebsrat und Belegschaft wehren sich. Da sind sie! Am 29. August hat in Hannover vor dem Anzeiger-Hochhaus eine Demo stattgefunden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben auf die Solidarität aller Landtagsfraktionen sehr großen Wert gelegt.
Der Betriebsratsvorsitzende Rainer Butenschön hat zu mir gesagt, es wäre gut, wenn der Landtag noch etwas machen würde. Und so hat die CDULandtagsfraktion ihren Entschließungsantrag gestellt, der nun zum gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der Grünen geworden ist. Die FDP könnte ja noch Ja sagen.
Wir wissen, dass es tragfähige Alternativen zur Schließung gibt, die Madsack nicht gehen will, aber gehen kann. Mit den vorhandenen Maschinen
lässt sich rentabel weiter produzieren, bis rund 100 der noch 170 Beschäftigten über Altersteilzeit in Rente gehen können. Das wäre in circa drei bis fünf Jahren. Altersteilzeitregelungen im Konzern in der aktiven Phase wären noch über 2016 hinaus möglich. Mit den verbleibenden Kolleginnen und Kollegen könnten bei Oppermann 45 neue Arbeitsplätze mit Madsack-Beschäftigten besetzt werden - etwas mehr, etwas weniger -, und darüber könnte Madsack mit Oppermann verhandeln. Es wäre kein Betriebsübergang nach § 613 a BGB, vor dem sich Oppermann und Madsack fürchten müssten. Im Übrigen wären Umsetzungen von Druckereibeschäftigten im Madsack-Konzern mit ca. 4 800 Arbeitnehmern gegebenenfalls nach Qualifizierungsmaßnahmen möglich.
Inzwischen aber gibt es ein entscheidendes Argument gegen die Schließung überhaupt: Madsack will bei Oppermann knapp ein Dutzend eigene Anzeigenblätter drucken lassen. Das entspricht einer Druckauflage von mehr als 2 Millionen Zeitungen pro Woche. Das könnte genauso gut in Kirchrode zusammen mit dem Druck der großen Tageszeitungen vonstattengehen. Deshalb ist es das Hauptziel des Entschließungsantrags von CDU, SPD und Grünen, den Fortbestand des Standortes Hannover-Kirchrode zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es einen entscheidenden Schlüssel und Hebel. Das ist die größte Anteilseignerin am Madsack-Verlag mit 23 %, die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft. Diese Medienbeteiligungsgesellschaft gehört der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Diese SPD-DDVG hat der Verlagerung der Druckaufträge von Kirchrode nach Rodenberg zu Oppermann zugestimmt. Wir Christdemokraten packen die SPD bei ihrer Ehre: Reißen Sie das Steuer noch einmal herum! Sie haben bei Madsack über Ihre DDVG mit 23 % das letzte Wort. Gegen Sie geht nichts. Mit der Entscheidung über die Madsack-Druckerei steht und fällt die Glaubwürdigkeit der SPD. Sie redet ständig von guter Arbeit, Tarifbindung, sicheren Arbeitsplätzen und Kündigungsschutz. Dann muss sie aber auch gegenüber den Madsack-Druckerinnen und -Druckern zu ihrem Wort stehen.
SPD und DDVG können mit ihrer Macht bei Madsack verhindern, dass 170 Menschen brutal in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, um Personalkosten durch Tarifflucht zu sparen, obwohl genug
Arbeit und Gewinn da sind. Unser Landtagskollege Gerd Will als Gewerkschafter hat beim Verhandeln des gemeinsamen Entschließungsantrags von CDU, SPD und Grünen den Hinweis auf die Verantwortung der SPD zugelassen. Er ist glaubwürdig. So glaubwürdig muss nun die ganze SPD werden.
Der heutige gemeinsame Landtagsbeschluss möge der Wendepunkt werden, damit auch zukünftig bei Madsack gute Arbeit ihren Platz hat.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Matthiesen. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Abgeordnete Doris Schröder-Köpf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Madsack-Mediengruppe beabsichtigt, bis Ende nächsten Jahres ihre Druckerei in HannoverKirchrode zu schließen. Bis zu 170 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlieren dann ihre Arbeit und sind von Erwerbslosigkeit bedroht.
Sie nehmen das jedoch nicht hin, sondern kämpfen und verhandeln, um möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Ihr Engagement hat sie heute zu uns in den Landtag geführt, und auch ich möchte die Kolleginnen und Kollegen sowie den Betriebsratsvorsitzenden Rainer Butenschön von dieser Stelle aus herzlich begrüßen. Herzlich willkommen im Landtag!
Ich möchte auch Bernd Rödel, den Bürgermeister des Stadtbezirks Kirchrode-Bemerode-Wülferode, begrüßen.
Der Madsack-Verlag gehört zu den markantesten und bedeutendsten Unternehmen des Stadtbezirks, und auch die politischen Gremien dort vor Ort sind ob der möglichen Auswirkungen der Entlassungswelle auf den Stadtbezirk zu Recht besorgt. Eine Betriebsschließung dieser Größenordnung ist eben nicht einfach eine unternehmensinterne Entscheidung, die uns Politikerinnen und
Politiker nichts angeht. Sie hat gesellschaftliche Auswirkungen. Auch deshalb ist das Landtagsplenum der richtige Ort für diese Debatte.
Sehr geehrte Damen und Herren, was die Einschätzung der Entwicklung im Medienbereich angeht, sind wir natürlich nicht blauäugig. Alleine ein Blick auf die Plätze und Tische der Landtagskolleginnen und -kollegen zeigt: Gedruckte Zeitungen sind bei uns nur noch vereinzelt zu sehen. Ich habe noch gut in Erinnerung, wie sich früher Fernsehzuschauerinnen und Fernsehzuschauer darüber aufregten, wenn sie bei Debatten von Landtagen und Bundestag Zeitung lesende Abgeordnete beobachteten. Das kann so heute faktisch nicht mehr passieren. Die Blicke der Parlamentarierinnen und Parlamentarier richten sich auf Smartphones, iPads oder Laptops. Die Kolleginnen und Kollegen lesen Onlineausgaben oder E-Papers ihrer Regionalzeitungen und sind via Facebook über aktuelle Ereignisse in ihren Wahlkreisen oft früher informiert als aus den altbekannten Medien.
Der Rückgang an klassischen Abonnenten, die veränderte Mediennutzung, der Verlust an Werbeeinnahmen, der vor allem die Tageszeitungen ökonomisch hart trifft, diese Faktoren sind unbestritten und zwingen Geschäftsführungen zu Kurswechseln und manchmal auch zum Personalabbau.
Als langjährige Journalisten bedaure ich, dass mir heute die Redezeit für weitergehende Ausführungen zur Entwicklung in einer Branche fehlt, die eine konstitutive Bedeutung für unsere Demokratie hat. Nur so viel: Die zehn führenden deutschen Verlagsgruppen konzentrierten zuletzt unter ihrem Dach 59,3 % der in Deutschland verkauften Zeitungsauflagen. Der Marktanteil der fünf größten Verlagsgruppen - Madsack nimmt Platz 4 ein - betrug rund 43 %. Und obwohl klassischer Journalismus in vielen Verlagen nur noch ein Nischenprodukt neben Anzeigenblättern, Internetportalen, Postdiensten oder Ticketverkäufen ist, profitieren die Betriebe immer noch vom Privileg des Tendenzschutzes. Das bedeutet, die Rechte der Beschäftigten und ihrer Betriebsräte sind stark eingeschränkt.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber solche Privilegien bringen auch Verpflichtungen mit sich. Die MadsackMediengruppe erwirtschaftete nach eigenen Angaben zuletzt einen jährlichen Gesamtumsatz von rund 670 Millionen Euro und beschäftigte mehr als 4 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie ist
treibender Motor des Medienstandortes Hannover, des Medienstandortes Niedersachsen. Ist es von einer solchen Mediengroßmacht, zu deren Kernkompetenz Kommunikation gehören sollte, wirklich zu viel verlangt, nachvollziehbare Erklärungen zu erwarten? Warum geht die Verlagsgeschäftsführung nicht auf die sehr vernünftigen Vorschläge von Betriebsrat und ver.di ein? - So könnten durch eine zeitliche Verlängerung der Produktion in Kirchrode - Kollege Matthiesen hat es auch erwähnt - im Rahmen des geltenden Tarifvertrags Altersteilzeitregelungen geschaffen werden, um 80 bis 100 Beschäftigte sozialverträglich in Rente zu führen. Oder die bei der Oppermann-Druckerei entstehenden neuen Arbeitsplätze könnten bevorzugt mit Madsack-Beschäftigten besetzt werden.
Das sind nur zwei von zahlreichen konstruktiven Vorschlägen, deren großes Ziel es ist, Arbeitslosigkeit der Druckereibeschäftigten zu verhindern.
Sehr geehrte Damen und Herren aus Verlagsgeschäftsführung und sehr geehrte Anteilseigner, die Sie jetzt vermutlich interessiert dem Livestream folgen, die Fraktion der SPD im Niedersächsischen Landtag steht solidarisch an der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unterstützt deren Forderung nach Gesprächen, die von Fürsorge für treue Beschäftigte und von sozialer Verantwortung getragen sind.
Ich möchte Sie an ein Versprechen - Sie, die da draußen zuhören - erinnern, das Sie auf der Madsack-Hompage finden. Darin heißt es - ich zitiere -:
„Wir sind entschlossen, dieses Vertrauen niemals zu enttäuschen. Integrität und Redlichkeit dürfen im Alltag von Redaktionen und Verlag niemals aufgegeben werden nur um eines kurzfristen Vorteils willen. Denn langfristig hängt das gesamte Schicksal der Madsack-Mediengruppe daran, dass wir gegenüber unseren Lesern Glaubwürdigkeit erhalten.“
Ich wünsche Ihnen im Namen meiner ganzen Fraktion den dauerhaften Erfolg im Markt und eine Veränderung der Strategie der Geschäftsführung im Umgang mit den Beschäftigten, die Angst vor der Zukunft haben.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder-Köpf. - Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Jörg Bode das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Schröder-Köpf, Sie haben hier eben sehr deutlich dargestellt, wie sich die Gesellschaft und auch die Mediennutzung verändert haben, und auch dargelegt, dass es richtig ist, dass sich jedes Unternehmen, das in diesem Bereich tätig ist, diesem veränderten Nutzungsverhalten und Nachfrageverhalten natürlich auch mit Konzeptionen anpassen muss. Dass es hier zu Veränderungen kommen wird und in der Zukunft bei vielen anderen Unternehmen auch noch dazu kommen wird, ist, denke ich, uns allen absolut bewusst.
Wir leben in Deutschland in der sozialen Marktwirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft geht von dem Prinzip aus, dass der Unternehmer und Arbeitgeber bei veränderten Prozessen in der Verpflichtung ist - quasi als Selbstverpflichtung -, diese auch im Sinne seiner Beschäftigten anzugehen, Lösungen zu suchen und einzubinden. Es ist daher vollkommen verständlich, richtig und durch die Politik unterstützenswert, wenn sich auch Beschäftigte in diese Prozesse ganz offensiv einbringen und - wie es in diesem Fall war - mit konstruktiven Vorschlägen auf die Geschäftsleitung, auf das Unternehmen zugehen.
Ich glaube, wir als Landtag würden wir uns überfordern, wenn wir jeden einzelnen Vorschlag intensiv bewerten und jeden einzelnen Vorschlag dann sozusagen in einem Antrag als sinnvoll oder nicht sinnvoll abschließend bescheiden wollten. Wir als Landtag, als Politik sind im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet, Schiedsrichter zu sein, und sollten nicht auf dem Feld Mitspieler sein. Das heißt, wir sollten Rahmenbedingungen, in denen sich diese Prozesse abbilden, mit Rechtsetzung abstecken, aber nicht selber aktiv handeln.
Der Antrag, der vorliegt, kann aus diesem Grund, aus dem Kerngedanken der sozialen Marktwirtschaft in einigen Bereichen von der FDP-Fraktion schlicht nicht mitgetragen werden, weil er zu weitgehend ist.
Ich will Ihnen dies an einem Punkt verdeutlichen: Das ist die Forderung im zweiten Bereich. Hiernach soll vom Landtag beschlossen werden, dass Madsack gewisse interne Aufträge im eigenen Unternehmen nicht fremdvergeben, sondern sie in einer neuen Konstruktion im Unternehmensbereich belassen soll. Das heißt, wir als Landtag, als Politik sollen konkrete Arbeitsprozesse in einem neuen Prozess beschließen. Dies geht aber über das, was Politik machen soll und machen darf, hinaus.
Das hat übrigens auch Minister Lies heute in einer Antwort zur Meyer-Werft dem Landtag und den Fragestellern mitgeteilt, indem er sagt: Die Gestaltung der Arbeitsprozesse obliegt in diesem Fall der Meyer-Werft - im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. - Das gilt natürlich auch für Madsack.
Das, was allerdings bleibt und auch weiter einzufordern ist, ist schon die Frage, wie es eigentlich sein kann, dass insbesondere ein großer Gesellschafter, der von der SPD kontrollierte Teil der DDVG, der von der politischen Ausstrahlung für alle und in allen Bereiche immer etwas anderes im Hinblick auf gute Arbeit und richtigen Dialog einfordert, dann, wenn er selber handelt, aus Renditeaspekten auf einmal die eigentlichen Ideale über Bord wirft, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist der fade Beigeschmack. Dies ist vielleicht auch die Versuchung gewesen, im ersten Antrag etwas anders und offensiver zu formulieren, meine sehr geehrten Damen und Herren.