Protocol of the Session on September 17, 2015

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Becker! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Unternehmen E.ON hat vor einigen Tagen mitgeteilt, dass man von den ursprünglichen Plänen Abstand nimmt. Man will die Kernkraftwerke nunmehr in der Muttergesellschaft behalten und hier einen Unternehmensteil unter dem Namen PreussenElektra - diesen Namen kennen wir ja aus der Vergangenheit - gründen, der praktisch unmittelbar Teil der Muttergesellschaft bleibt. Die Ursprungspläne wurden also nach Vorlage des Gesetzentwurfs von Herrn Bundesminister Gabriel geändert. Wie das im Detail am Ende aussehen und zu bewerten sein wird, können wir erst sagen, wenn uns das Unternehmen detaillierte Pläne dazu vorgelegt hat.

Danke. - Die nächste Frage stellt Frank Henning von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Henning!

Herr Präsident! Der Presse konnte man entnehmen, dass die Atomkraftwerksbetreiber vorgeschlagen haben, die passivierten Rückstellungen in eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu überführen, wenn sie im Gegenzug dazu von weiteren finanziellen Verpflichtungen freigestellt würden. Ich frage die Landesregierung: Wie stehen Sie zu dem Vorschlag?

Danke. - Herr Minister!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der entscheidende Unterschied zwischen einer Stiftung und einem öffentlich-rechtlichen Fonds ist die Frage, wie hier die Nachschusspflicht geregelt wird. Bei einer Stiftung wäre es rechtlich nicht möglich, hier eine Nachschusspflicht vorzusehen. Bei einem öffentlich-rechtlichen Fonds wäre es eine Verhandlungssache, wie man das ausgestaltet.

Danke. - Die nächste Frage stellt Martin Bäumer von der CDU-Fraktion. Bitte, Herr Bäumer!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Rückstellungen, die die Konzerne brauchen, um die Lasten der Atomenergie zu tragen, in den nächsten Jahren noch erwirtschaftet werden müssen, frage ich die Landesregierung: Was tun Sie dafür, dass die Konzerne die Möglichkeit haben, sich weiterhin erfolgreich wirtschaftlich zu betätigen?

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Bäumer, die Landesregierung setzt darauf, dass es am Energiemarkt, am Strommarkt faire Wettbewerbsbedingungen gibt, dass z. B. die externen Kosten auch voll internalisiert werden, um zu verhindern, dass am Ende Lasten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.

Ich sehe aber bei den Entscheidungen, die in den vergangenen Monaten und Jahren von den Energieversorgern getroffen wurden, sehr starke Anzeichen dafür, dass man sich den Herausforderungen der Transformation der Energiesysteme mittlerweile sehr entschlossen stellt. Beispielsweise das Engagement von EnBW im Bereich der Windkraft oder auch die Pläne von E.ON in Bezug auf Solarenergie und erneuerbare Energien machen deutlich, dass man hier auch neue Geschäftsfelder und neue Geschäftsmodelle sieht. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass solche Entscheidungen am Ende von den CEOs der Unternehmen zu treffen sind und nicht von der Landesregierung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt Miriam Staudte, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich frage die Landesregierung, ob mit dem neuen Gesetzentwurf sichergestellt wäre, dass bei einer Insolvenz des Betreibers oder des Mutterkonzerns der Staat zuerst aus der Insolvenzmasse bedient wird. Es gibt ja bei den Gläubigern immer eine bestimmte Reihenfolge. Ist sichergestellt, dass der Staat hier als Erster zum Zuge kommt?

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Danke schön. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Staudte, grundsätzlich muss man sagen - vielleicht auch in Bezug auf die Frage von Herrn Bäumer -, dass wir natürlich nicht möchten, dass diese Unternehmen in Konkurs gehen oder insolvent werden. Ich hoffe, dass sie sich erfolgreich für die Energiewende, für eine Transformation der Energieversorgung in Deutschland und Europa engagieren und dass das am Ende zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in diesen Unternehmen arbeiten, erfolgreich sein wird.

Gleichwohl müssen wir natürlich immer an den Worst Case denken. Deswegen sind wir auch ver

pflichtet, diese Fragen der Haftung sehr intensiv zu prüfen, zumal wir es hier mit extrem langen Zeiträumen zu tun haben. Für das normale Geschäftsleben waren die fünf Jahre bisher von keiner Seite infrage gestellt worden. Bei Atommüll haben wir es jedoch mit einer Materie zu tun, bei der jetzt im Standortauswahlgesetz der Zeitraum von 1 Million Jahren genannt wird. Das übersteigt unser aller Vorstellungskraft. Ich glaube, die älteste menschliche Organisationsstruktur, die mehr als 1 000 oder 2 000 Jahre überdauert hat, die katholische Kirche, ist noch weit von diesem Zeitraum entfernt. Gleichwohl müssen wir immer mit solchen Fällen rechnen.

In einem solchen Fall würde das Insolvenzrecht gelten. Dabei wäre es natürlich so, dass der Staat nicht unbedingt der erste Gläubiger ist. Wir müssen daran denken, dass in einem solchen Fall natürlich auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein hohes Interesse daran haben, dass beispielsweise ausstehende Lohn- und Gehaltszahlungen zuerst befriedigt werden.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Stimmt!)

Das ist auch im sozialen Interesse, dass man solche Punkte sehr wohl berücksichtigt. Im Insolvenzrecht ist es auch immer das erste Ziel, letzten Endes nicht das Unternehmen in Konkurs gehen zu lassen und aufzulösen, sondern erstes Ziel ist es immer, zu prüfen, ob man das Unternehmen nach einer Phase der Insolvenz retten, anders wieder aufstellen und wieder ein erfolgreiches Geschäftsmodell entwickeln kann. Deswegen sind im Insolvenzrecht verschiedene Nachrangigkeiten bei der Befriedigung der Gläubiger geregelt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Volker Bajus von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt die nächste Frage. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Möglichkeiten der strategischen Unternehmensneuaufteilung oder -umorganisation, um sich gegebenenfalls vor Risiken zu schützen und sich vor der Verantwortung zu drücken, waren hier ja gerade schon ein Thema. Nun hat der Vattenfall-Konzern, der Mutterkonzern, im Jahre 2012 den Beherrschungsvertrag mit den deutschen Unternehmenstöchtern offensichtlich aus strategischen Gründen gekündigt bzw. aufgehoben. Inwiefern würden die

geplanten Haftungsregelungen des Bundesgesetzes trotzdem auf diesen Mutterkonzern durchgreifen können?

Danke schön. - Herr Minister!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das ist eine schwierige Frage und lässt sich aus dem Gesetzentwurf nicht eindeutig beantworten. Das ist eine Entscheidung - Sie haben darauf hingewiesen -, die bereits im Jahr 2012 gefallen ist. Ob hier eine Rückwirkung erreicht werden kann, lässt der Gesetzentwurf noch offen. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass das beherrschende Unternehmen im Sinne des Gesetzes die Vattenfall AB sei, also die schwedische Muttergesellschaft, bzw. die Vattenfall GmbH; das ist die deutsche Gesellschaft. Wer aber am Ende tatsächlich in die Haftung genommen wird, ist bei der weiteren Gesetzesberatung noch genau zu prüfen.

Danke schön. - Die nächste Frage stellt der Kollege Martin Bäumer. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Haftung ja einen sehr langen Zeitraum einnehmen soll - einen Zeitraum, der länger ist, als das Land Niedersachsen besteht -, frage ich Sie, wie die Landesregierung mit den verfassungsrechtlichen Bedenken umgeht, die es in diesem Zusammenhang gibt.

Danke. - Herr Minister!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Bäumer, dazu habe ich die Frage, ob Sie das vielleicht noch ein bisschen spezifizieren können. Denn ich gehe davon aus, dass bei jedem Gesetz, das hier zu einer Materie beschlossen wird, mit der ein Stück weit Neuland betreten wird - wie auch bei dieser, weil über einen so langen Zeitraum Haftungsfragen in der Vergangenheit gesetzlich nicht zufriedenstellend geregelt waren, wie man an dem Bei

spiel Vattenfall sehr genau sieht; Vattenfall hatte versucht, sich sozusagen von der Verantwortung zu kappen und das Risiko voll auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu verlagern -, ganz genau auch die verfassungsmäßigen Grundsätze geprüft werden. Auch die Unternehmen haben bereits angekündigt, dass sie sich eine solche Prüfung vorbehalten. Insofern wäre es wohl die Regel, davon auszugehen, dass das in der Praxis erfolgt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt der Kollege Frank Henning. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Wenzel, Sie haben gerade ausgeführt, dass Sie hoffen, dass die Energiekonzerne nicht in die Insolvenz gehen. Meine Frage: Wie schätzen Sie das Insolvenzrisiko der Energiekonzerne vor dem Hintergrund ihrer hohen Verschuldungsraten ein, die ja allgemein bekannt sind, und welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht notwendig, um die Rückstellungen in einem Insolvenzfall zu schützen?

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Herr Minister Wenzel!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, gemeinhin wird oft erklärt, für den Zustand der Bilanzen der Energieversorger sei die Energiewende verantwortlich. Wenn man sich aber mal die Unternehmensnachrichten ganz genau anschaut, auch die Fachpresse dazu, stellt man fest, dass beispielsweise E.ON erhebliche Verluste durch seine Engagements in Südeuropa oder auch in Brasilien gemacht hat, und dass viele Punkte, die wir heute diskutieren, auch aus solchen Fehlentscheidungen in der Vergangenheit resultieren.

Dagegen ist ein Unternehmen natürlich nie gewappnet. Aber wir müssen natürlich Sorge tragen, dass die Gelder aus den Rückstellungen am Ende tatsächlich zur Verfügung stehen, und dass geprüft wird, ob sie der Höhe nach ausreichen. Von daher

gehe ich davon aus, dass im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf und der Prüfung durch das Bundeswirtschaftsministerium genau zu überlegen ist, was man tatsächlich tun kann, um die Werte für die Zukunft zu sichern.

Eine Möglichkeit wäre - wie es bei Versicherungen teilweise der Fall ist -, praktisch konkursfeste Anlageteile in der Unternehmensbilanz zu schaffen. Früher wurde das oft als „mündelsichere Geldanlage“ bezeichnet. Das ist eine Möglichkeit. So ist das heute bei Versicherungen geregelt.

Sicherer wäre es aber natürlich, einen öffentlichrechtlichen Fonds mit Nachschusspflicht zu begründen und die Gelder darin anzulegen. Ob das rechtlich auch rückwirkend möglich ist, ist allerdings eine schwierige Frage, die auch Bestandteil der Gesetzesberatungen sein wird.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage - die letzte für die SPD-Fraktion - stellt Marcus Bosse. Bitte schön, Herr Bosse!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister Wenzel, sieht die Landesregierung Schlupflöcher und Möglichkeiten für die Unternehmen bei dem sogenannten geplanten Nachtrag, z. B. durch das Herauslösen von einzelnen Betrieben oder Betreibergesellschaften aus dem Mutterkonzern?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Abgeordneter Bosse, ich sehe insgesamt in dem, was der Bundeswirtschaftsminister hierzu vorgelegt hat, einen ganz großen Schritt nach vorne. Jahrelang ist dieses Thema gar nicht diskutiert worden. Jetzt hat der Bundesrat dazu einen Beschluss gefasst. Der Landtag hat dazu einen klaren Beschluss gefasst. Der Bundeswirtschaftsminister hat das Thema entschlossen aufgegriffen.

Gleichwohl zeigt gerade auch unsere Diskussion hier: Der Teufel steckt tatsächlich im Detail. Das Unternehmensrecht und das Aktienrecht bieten hierzu viele Gestaltungsmöglichkeiten. Meines

Erachtens sollte man noch einmal genau prüfen, wie verhindert werden kann, dass beispielsweise durch Aktiensplitting wichtige Unternehmensteile aus der Haftung herausgenommen werden und am Ende nicht mehr zur Verfügung stehen, damit die Lasten, die aus der dauerhaft sicheren Lagerung unweigerlich anfallen, getragen werden können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt der Kollege Ottmar von Holtz. Bitte schön!