Protocol of the Session on September 10, 2015

dass die Einnahmen des Staates für diese große zusätzliche Aufgabe ausreichen.

Meine Damen und Herren, wir müssen den Menschen aber auch ehrlich sagen: Ja, wir brauchen Zuwanderung. Und: Ja, diese Zuwanderung wird unser Land und unsere Gesellschaft verändern. Und: Ja, das Thema Flüchtlinge wird uns noch lange fordern - organisatorisch, finanziell und im Übrigen auch im Sozialen.

Es liegt mit an uns, ob wir diese Chance, die sich unserem Land damit auch bietet, auch nutzen. Die beste Integration ist es, wenn wir die Menschen schnell in Arbeit bringen können und sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und damit ein selbstbestimmtes Leben führen können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist aber manchmal leichter gesagt als getan, meine Damen und Herren. Auch dafür bedarf es großer Anstrengungen. Es ist eben nicht damit getan, einem Menschen mit Migrationshintergrund ein Praktikum oder bestenfalls einen Ausbildungsplatz zu verschaffen. Vielmehr muss er auch die anschließenden Prüfungen bestehen. Das erfordert weitaus mehr als nur diesen Praktikumsplatz.

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass die Menschen, die Zuflucht bei uns suchen, mit offenen Armen und warmen Herzen empfangen werden. Wir wollen, dass sie unsere Nachbarn werden. Und, wie es Landrat Tjark Bartels aus dem Landkreis Hameln-Pyrmont wunderbar gesagt hat: Auch wir wollen gute Nachbarn sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das bedingt aber auch, dass wir aus der Vergangenheit lernen und uns sehr viel mehr um eine gute Integration kümmern.

Meine Damen und Herren, es gibt aber auch Menschen in unserem Land, die verunsichert sind. Sie haben Angst vor Veränderungen. Sie sind nicht sicher, ob wir diese Herausforderung der Zuwanderung meistern können. Wir als demokratische Kräfte müssen in diesem Land sehr wachsam sein und verhindern, dass diese vorhandenen Ängste denjenigen in die Karten spielen, die die Werte unserer Verfassung nicht teilen, sondern sie mit Füßen treten. Wir dürfen dieser menschenverachtenden Ideologie, die mit den Werten unserer Demokratie und unserer Gesellschaft nichts zu tun

hat, keinen Millimeter Raum lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Unsere Aufgabe wird es sein, Zuwanderung nicht nur als Herausforderung zu sehen, sondern auch als Chance zu verstehen. Und wenn wir es richtig anpacken, dann werden die Zuwanderer von heute die Facharbeiter, die Handwerker, die Ärzte und unsere Nachbarn von morgen sein.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Und die Abge- ordneten!)

Meine Damen und Herren, die Aufgaben sind und bleiben groß. Packen wir sie an! Helfen wir alle mit, dass es gelingen kann!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Menschen in unserem Land sind bereit. Das spüren wir. Aber wir dürfen auch ihre Belange nicht vernachlässigen und müssen auch ihre Sorgen ernst nehmen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Modder. - Für die FDPFraktion hat nun das Wort der Fraktionsvorsitzende, Herr Christian Dürr. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Ich will eines zu Beginn meiner Rede gleich deutlich sagen: Das, was Sie am Dienstag gemeinsam mit Ihrem Landeskabinett vorgestellt haben, waren erste Schritte in die richtige Richtung. Daran besteht kein Zweifel.

Ich will Ihnen - auch in Anknüpfung an das, was der Kollege Björn Thümler vorhin gesagt hat - ausdrücklich die Hilfe meiner Fraktion bei der Umsetzung der Dinge anbieten, die Sie vorgestellt haben.

Frau Kollegin Modder, Sie haben davon gesprochen, dass von dieser Sitzung heute ein Zeichen der Geschlossenheit ausgehen sollte. Auch das teile ich ausdrücklich. Herr Ministerpräsident, ich würde mich freuen, wenn im Oktober - leider ist das erst in der zweiten Oktoberhälfte - bei den

Haushaltsberatungen ein Zeichen der Geschlossenheit von diesem Haus ausginge. Ich würde mich freuen, wenn Sie die Vorschläge der Opposition in diesem Zusammenhang berücksichtigen würden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich hätte mich aber gefreut, Frau Kollegin Modder - Stichwort „Zeichen der Geschlossenheit“ -, wenn beim Thema Flüchtlingspolitik in Niedersachsen dieses Zeichen der Geschlossenheit bereits bei den Haushaltsberatungen im Dezember 2014 von diesem Haus ausgegangen wäre. Das wäre besser für die Flüchtlinge in Niedersachsen gewesen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, zur Wahrheit gehört auch: Ja, es sind die richtigen Schritte. Aber es sind überhaupt erst Ihre ersten Schritte, sehr geehrter Herr Weil.

Frau Modder, ich habe mir überlegt, ob ich das hier sagen soll. Ich hätte es nicht erwähnt, wenn Sie nicht zu Beginn Ihrer Rede die angebliche Überflüssigkeit dieser Zusammenkunft des Landtages unterstrichen hätten. Wer glaubt ernsthaft, dass es die Pressekonferenz des Landeskabinetts am Dienstag gegeben hätte, wenn die CDU-Fraktion nicht die Sondersitzung dieses Hauses beantragt hätte, meine sehr verehrten Damen und Herren? - Alles andere ist lächerlich, um das ganz klar zu sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich teile - bei aller Eintracht in der Sache, Frau Kollegin Modder - an dieser Stelle auch Ihr Parlamentsverständnis nicht: Der Landtag braucht gar nicht zusammenzukommen; denn die Landesregierung macht es schon.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

Jetzt werde ich allmählich sorgenvoll. Die Landesregierung sagt regelmäßig: Nee, nee, nee. Die Bundesregierung muss das machen! - Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei einem solchen Verständnis, das Sie, Frau Kollegin, hier darlegen, bräuchten wir als Exekutivorgane und Legislativorgane auf Landesebene gar nicht mehr zusammenzukommen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich will auch Folgendes unterstreichen: Die Entwicklung, die wir in Niedersachsen und im Bundesgebiet insgesamt haben, hat sich nicht erst über den Sommer ergeben. Das ist kein Thema,

das es erst seit vorgestern gibt, meine Damen und Herren.

Ich bin dankbar, dass - Sie haben das eingangs Ihrer Rede gesagt, Herr Weil - die Unternehmerverbände Niedersachsen, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und das Bistum Hildesheim ihren Aufruf unter die Überschrift gestellt haben - man muss das eigentlich mit drei Ausrufezeichen versehen -: Jetzt ist Zeit zum Handeln! - Spätestens jetzt, Herr Ministerpräsident, ist die Zeit zum Handeln gekommen.

Eine Situation, wie wir sie derzeit erleben, ist eigentlich die Stunde der Exekutive. Das ist die Zeit, in der eine Regierung Tatkraft beweisen und das Heft des Handelns in die Hand nehmen kann, anstatt als Getriebene den Herausforderungen hinterherzulaufen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Weil, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede von den Bildern dieses Sommers gesprochen. Die Frage ist doch aber auch: Welches Bild haben Sie eigentlich in diesem Sommer abgegeben?

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Ich muss feststellen: Sie waren den ganzen Sommer bei diesem Thema politisch abgetaucht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich gönne, um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, jedem seinen Urlaub, auch den Sommerurlaub. Aber ich stelle mir nur eine Sekunde, nur eine einzige Sekunde vor, eine schwarz-gelbe Landesregierung hätte sich eine solche Arbeitsverweigerung über die gesamte Sommerpause geleistet. Was hätten wir uns an einem solchen Tag wie heute von Ihnen anhören müssen?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Darin, dass die Lage zugespitzt ist, sind wir uns, glaube ich, auch nach den bisherigen Einlassungen - ich freue mich schon auf die Rede der Kollegin Piel - sicherlich einig.

Herr Weil, Sie haben davon gesprochen, dass Menschen, die zu uns nach Niedersachsen kommen, weil sie vor Vertreibung und Krieg geflüchtet sind, sechs bis acht Wochen warten müssen, bevor sie überhaupt einen Asylantrag stellen können. Das ist leider nicht mehr die Realität in niedersächsischen Aufnahmeeinrichtungen. Ich sage ausdrücklich „leider“. Mittlerweile ist die Realität,

dass sie sechs bis acht Wochen warten müssen, um überhaupt in der Erstaufnahmeeinrichtung registriert zu werden.

(Minister Boris Pistorius: Das stimmt doch nicht!)

Das ist, mit Verlaub, die Realität, die wir derzeit im Lande erleben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Pistorius, ich weiß sehr wohl um Ihre Bemühungen um zusätzliche Erstaufnahmeeinrichtungen im Land Niedersachsen. Frau Modder hat vorhin in Richtung der Bundeskanzlerin von „zur Chefsache erklären“ gesprochen. Ich würde mir wünschen, dass zusätzliche Erstaufnahmeeinrichtungen - mir ist bewusst, dass das immer eine Herausforderung auch für die Kommunen vor Ort ist - zur Chefsache des Regierungschefs in Niedersachsen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das würde ich mir wünschen!