Protocol of the Session on September 10, 2015

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

- An Ihren Zwischenrufen und Aufgeregtheiten merke ich, dass Sie sich innerhalb der Koalition scheinbar noch nicht einmal darüber unterhalten haben, dass das ein Problem darstellen könnte. Da sollten Sie mal schnell nacharbeiten!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Ich weiß ja nicht, warum Sie so aufgeregt sind, aber das müssen Sie sich jetzt schon mal anhören. Das kann ich Ihnen nicht ersparen. Das geht auch noch ein bisschen so weiter.

(Petra Tiemann [SPD]: Wir sind ganz ruhig und entspannt! Reden Sie wei- ter! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

- Nein, Sie sind nicht ganz ruhig. Sie sind wie eine Hühnerherde. Aber das ist ja hier normal.

Neuntens. Integration sicherstellen - insbesondere für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive!

Wir müssen diejenigen, die zu uns kommen, mit offenen Herzen empfangen. Wir müssen vor allem denen, die dauerhaft bei uns bleiben werden, auch klare Angebote zur Integration machen - und zwar nicht erst morgen, sondern bereits heute. Sie brauchen Sprachkurse, sie brauchen eine Begleitung in den ersten Wochen, und sie sollen dann so schnell wie möglich in Arbeit und Beschäftigung kommen.

Aber die Flüchtlinge haben ihrerseits auch die Pflicht zur Mitwirkung. Diese müssen wir ihnen abverlangen. Jörg Eigendorf hat es in der Welt am Montag folgendermaßen formuliert - ich zitiere -:

„Was jetzt kommt, wird harte, auch unangenehme Arbeit. Uns wird eine gigantische Integrationsleistung abverlangt werden - mit vielen Risiken und Gefahren. Und wir werden den Flüchtlingen abverlangen müssen, sich zu integrieren.“

Meine Damen und Herren, gewiss: Ihre Beschlüsse zur besseren Beschulung von Flüchtlingskin

dern und zum besseren Spracherwerb von erwachsenen Flüchtlingen gehen in die richtige Richtung. Aber das wird nicht ausreichen.

Bei ungefähr 30 000 Flüchtlingskindern, die prognostiziert sind, wären rechnerisch 3 000 Sprachlernklassen erforderlich. Dahinter bleiben Sie mit Ihrer bescheidenen Erhöhung auf 550 Sprachlernklassen deutlich zurück. Das ist mit Blick auf die dringend erforderliche Integration unverantwortlich. Der Erlass zur Bildung von Sprachlernklassen, der nach wie vor in Kraft ist, muss geändert werden. Er sagt heute noch, dass eine Sprachlernklasse erst dann gebildet werden darf, wenn mindestens zehn Schüler nicht deutscher Herkunft und Sprache in einer Schule auftauchen. Was machen Sie mit den vielen kleinen Schulen im ländlichen Raum, wo es vielleicht ein, zwei oder drei solcher Kinder gibt? - Die werden so in den Unterricht integriert und eben nicht vernünftig in Deutsch unterrichtet. Das ist ein Problem. Deswegen: Ändern Sie diesen Erlass, und zwar schnell, damit wir diesen Kindern Hilfe angedeihen lassen können!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Filiz Polat [GRÜNE]: Das ist der beste Erlass, den es je gab!)

Sie können sich übrigens über die Wirkung eines solchen Erlasses in Bayern bei Ihren Kollegen von der SPD erkundigen. Die machen das nämlich schon seit über zwei Jahren. Dort hat man in jeder Schule eine Sprachlernklasse eingerichtet. Die Erfolge sind, dass diese Menschen schneller integriert werden können, weil sie die deutsche Sprache können. - Das muss das oberste Gebot der Stunde sein, und nichts anderes!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zehntens. Ehrenamt stärken - Koordinationsstellen und Fortbildungen für Ehrenamtliche im Bereich Asyl einrichten!

Wir erleben in Niedersachsen derzeit eine unglaubliche Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen. Dafür sind wir dankbar, dafür danken wir allen herzlich, die in vielerlei Form und Organisation - privat, organisiert, nicht organisiert - diese Hilfe angedeihen lassen. Vielen Dank, liebe Niedersächsinnen und Niedersachsen!

(Lebhafter Beifall)

Es sind Menschen, die helfen wollen, die spenden - Geld- oder Sachspenden - oder ihre Zeit zur Verfügung stellen, die Flüchtlinge begleiten, mit

ihnen Deutsch üben, die einfach ein gutes Wort für sie übrig haben und sagen: „Wir sind für euch da!“, oder die auch einfach nur da sind. Auch das ist eine Leistung, die wir nicht unterschätzen dürfen, und diese gesellschaftliche Akzeptanz muss erhalten bleiben und gestärkt werden, meine Damen und Herren.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele An- dretta übernimmt den Vorsitz)

Das Land muss diese Hilfen stärker als bislang unterstützen - nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Das Land sollte zu diesem Zweck hauptamtliche Anlaufstellen für ehrenamtlich Tätige schaffen, die künftig als zentrale Ansprechpartner - man könnte auch „Koordinatoren“ sagen - fungieren und die Information, Vernetzung und Qualifizierung organisieren. Diese könnten bei den früheren Regierungsvertretungen und heutigen Ämtern für regionale Landesentwicklung angesiedelt werden. Dadurch könnte die bestehende Hilfsbereitschaft auch staatlicherseits nachhaltig und strukturell unterstützt und eine bessere Koordinierung erreicht werden. Wir haben viel Hilfsbereitschaft, auch in Orten, wo noch gar keine Flüchtlinge angekommen sind, und an anderen Orten werden Helfer dringend benötigt. Wenn wir das koordiniert kriegen, wäre das eine große Leistung. Dem sollten Sie sich einmal widmen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es gibt gegenwärtig viel Offenheit, Akzeptanz und Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen in unserer Gesellschaft. Wir wollen ausdrücklich, dass das so bleibt. Nichts wäre schlimmer, als wenn diese positive Stimmung kippen, als wenn die Begeisterung erst einer Ernüchterung weichen und dann in einer Enttäuschung enden würde. Und eben deshalb ist es notwendig, dass die Politik entschieden und entschlossen handelt. Dazu gehört aber auch eine offene und ideologiefreie Diskussion. Die heutige Sondersitzung gibt dazu Anlass und trägt dazu bei, dass wir eben diesen Dialog führen - in der gemeinsamen Verantwortung für Niedersachsen, für die Menschen in Niedersachsen.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir die Fehler bzw. Versäumnisse, die es bei der Integration beispielsweise der Gastarbeiter gegeben hat, bei denen, die jetzt zu uns gekommen sind und noch kommen, nicht wiederholen. Wir haben eine Verantwortung, diesen Menschen hier eine neue, eine Ersatzheimat zu bieten. Wir haben die Chance, sie auch für unser demokratisches

System, für unsere Wirtschaftsordnung einzunehmen. Und wir haben die Chance, dass sie, wenn sie vielleicht irgendwann einmal in ihre Heimat zurückkehren, als Botschafter eines vernünftigen, menschlichen Systems auf demokratischer Grundlage gemeinsam an den dortigen Strukturen arbeiten.

Wenn wir das schaffen, dann ist diese Stunde eine gute Stunde gewesen. Deswegen sollten wir beherzt anfangen!

Vielen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Thümler. - Für die SPDFraktion hat nun das Wort Frau Fraktionsvorsitzende Johanne Modder. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal will ich mich, auch im Namen meiner Fraktion, bei unserem Ministerpräsidenten Stephan Weil für die Regierungserklärung zur aktuellen Flüchtlings- und Asylpolitik ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Allein der Titel der Regierungserklärung, „Flüchtlinge in Niedersachsen - Weltoffenheit schützen, Herausforderungen annehmen, Chancen nutzen!“, macht deutlich, worum es im Kern geht. Ihre Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident, war umfassend und ausführlich. Deshalb werde ich mich auf einige wenige, mir aber sehr wichtige Aspekte konzentrieren.

Ich danke Ihnen auch ganz herzlich für Ihre klare Positionierung. Ausländerfeindlichkeit, Fremdenhass und Rechtsextremismus haben in Niedersachsen nichts zu suchen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir werden im Laufe des Tages dazu auch eine gemeinsame Resolution aller Fraktionen hier im Hause verabschieden. Das, meine Damen und Herren, ist ein wichtiges Signal in unsere Gesellschaft. Dafür danke ich allen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und dann kam die Erwiderung des Fraktionsvorsitzenden Herrn Thümler. Ich fasse Ihre Rede kurz zusammen, Herr Thümler: farblos, besserwisserisch und leider teilweise in Strecken auch populistisch.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Im Übrigen, Herr Thümler, haben Sie gerade Ihren Antrag, den wir nachher noch beraten, begründet. Das war Ihre Erwiderung.

Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten den gemeinsamen Aufruf der Unternehmerverbände, des DGB und der evangelischen und katholischen Kirche zu dieser Sondersitzung vorher noch mal gelesen und einen Moment darüber nachgedacht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Hillmer [CDU]: Sie sprechen gerade!)

Schade, Herr Thümler, dass Sie gerade bei einem solch sensiblen Thema Ihre eigentlich sachliche Art verloren haben.

(Zustimmung bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Was hat er? - Christian Grascha [FDP]: Haben Sie das vor der Rede aufgeschrieben oder wäh- renddessen? - Weitere Zurufe von der CDU)

Das ist schade; denn Sie haben das eigentlich nicht nötig.

(Ulf Thiele [CDU]: Hochnotpeinlich! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich glaube, die Menschen in unserem Land erwarten von uns Politikern jetzt eine große Geschlossenheit in der Frage der Aufnahme und Integration von Asylbewerbern und ein entschlossenes Handeln.

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Thümler, Ihre Behauptung, Sie hätten erst durch Ihren Antrag auf diese Sondersitzung die Landesregierung zum Handeln gebracht,

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der CDU: Ist doch so!)

ist schlichtweg falsch und albern.