Meine letzte Bemerkung: Während wir hier debattieren, wird draußen weiter an dem Problem gearbeitet; das kann ich Ihnen versichern. Diese Debatte ist sicherlich notwendig, und es ist für mich auch immer wieder zielführend, mit Ihnen zu diskutieren. Heute Abend darf ich mich um 20 Uhr trotzdem für eine halbe Stunde verabschieden. Denn es gibt eine Telefonschaltkonferenz mit meinen Länderkollegen und dem Bundesinnenminister. Wir suchen weiter nach Lösungen, um Flüchtlinge unterzubringen. Der bayerische Innenminister will in einer Viertelstunde mit mir sprechen, weil er ebenfalls dringend Hilfe braucht.
Also erwecken Sie bitte nicht den Eindruck, als bestehe das Problem nur in Niedersachsen. Dieses Problem haben wir alle gemeinsam in allen deutschen Bundesländern. Und so sollten wir uns auch verhalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen in der ersten Beratung zu diesem Entschließungsantrag nicht vor. Deswegen beende ich die Beratung.
Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Ausschuss für Inneres und Sport mit diesem Antrag zu befassen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist nach der Geschäftsordnung ausreichend unterstützt und so beschlossen.
Die Fraktionen sind übereingekommen, die eigentlich schon für 15.20 Uhr vorgesehene Pause - von einer „Mittagspause“ wage ich nicht mehr zu sprechen; nutzen Sie sie, wie auch immer, auch als Kaffeepause - jetzt anzuschließen und nicht erst nach Tagesordnungspunkt 5. Der Tagesordnungspunkt 5 wird also zu Beginn des zweiten Sitzungsteils aufgerufen.
Ich halte Sie damit einverstanden, dass wir aufrunden und um 16.45 Uhr zur Fortsetzung der Sitzung wieder zusammenkommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, Sie hatten eine schöne kleine Pause. Wir werden jetzt in der Tagesordnung fortfahren.
Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung: Handeln statt Reden - 10-Punkte-Sofortprogramm für eine tragfähige Flüchtlings- und Einwanderungspolitik - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/4139
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bewältigung der aktuellen krisenhaften Situation bedarf aller Anstrengungen und muss natürlich im Zentrum aller Bemühungen stehen. Wir sind aber auch der Überzeugung, dass es durchaus möglich gewesen wäre, hier etwas vorausschauender und vorsorgender mit der Situation umzugehen. Wir hatten gehofft, dass die Landesregierung schneller und entschlossener reagiert hätte, als sie es dann tatsächlich getan hat; denn die Entwicklungen waren zumindest in der Tendenz absehbar.
So haben wir bereits in den Haushaltsberatungen 2014 eine deutliche Aufstockung der Zahl der Sprachlernklassen und eine vollständige Übernahme der Kosten der Kommunen für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge gefor
dert. Dies wurde von der Landesregierung und von Rot-Grün bedauerlicherweise abgelehnt, wohl aus dem Kalkül heraus, den Bund nicht aus der Pflicht und Verantwortung zu entlassen. Meine Damen und Herren, das ist unseres Erachtens eine bedenkliche Strategie, geht sie doch zulasten der Kommunen, die die Hauptlast tragen, und mittelbar auch zulasten der Akzeptanz der Flüchtlingshilfe.
Meine Damen und Herren, viele unserer Forderungen, die wir in unserem Antrag hier zur Diskussion stellen, sind von der Landesregierung aufgegriffen worden, auch in der Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten von heute Morgen. Allerdings bleiben Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, bei vielen dieser Punkte dann doch sehr oberflächlich.
Wir sind uns einig, dass die Asylverfahren beschleunigt werden müssen. Aber was wollen Sie dafür denn eigentlich ganz konkret tun, außer danach zu rufen, dass das BAMF besser ausgestattet werden muss, außer danach zu rufen, dass der Bund hier etwas tun muss? Was ist mit Möglichkeiten, dass das Land selbst Landesbeamte zur Unterstützung des Bundesamtes entsendet, etwa im Wege der Abordnung?
Wir sind uns darin einig, dass Arbeit eine zentrale Rolle für die Integration spielt. Aber über Pilotprojekte oder Gespräche, wie Sie sie in Ihrer Regierungserklärung dargestellt haben, sind Sie nicht hinausgekommen. Wir fordern hingegen ganz konkret, die Vorrangprüfung sowie Arbeitsverbote für Flüchtlinge grundsätzlich abzuschaffen sowie ein Abschiebeverbot für Flüchtlinge in Ausbildung und eine Aufenthaltsgenehmigung mindestens nach dem Motto „drei plus zwei“,
konkret also einen Abschluss der Lehre innerhalb von drei Jahren plus ein zweijähriges Bleiberecht, einzuführen. Damit wollen wir den Menschen, die zu uns kommen, Chancen eröffnen, aber eben auch die Chancen, die in dem Zuzug der Menschen zu uns liegen, für uns konsequent nutzen.
Herr Ministerpräsident, wir sind uns auch einig, dass derjenige, dessen Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde und keine Abschiebehindernisse aufzuweisen hat, Deutschland wieder verlassen muss. Fakt ist aber - auch das haben wir heute schon gehört -, dass uns Landräte landauf, landab davon berichten, dass Abschiebungen unter den von der Landesregierung zu verantwortenden Bedingungen so gut wie nicht mehr möglich sind.
Ich glaube, da sind Sie sich in der Koalition der Tragweite nicht bewusst. Es geht ja nicht darum, Menschen etwas Schlechtes anzutun und sie abzuschieben, sondern es geht darum, am Ende die Akzeptanz des gesamten Systems überhaupt aufrechtzuerhalten. Denn nur dann, wenn man auch insoweit konsequent ist, wird es möglich sein, den Zuzug auch nur annähernd zu steuern und die Akzeptanz in der heimischen Bevölkerung auch über die lange Strecke jenseits der Euphorie, die wir jetzt haben, aufrechtzuerhalten.
Wir sind uns auch darüber einig, dass Unterkunft und Betreuung verbessert werden müssen. Sie haben angekündigt, dass bis zum Ende des Jahres 15 000 Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen zur Verfügung stehen werden. Aber allein die Quantität reicht eben nicht aus. Es geht auch um Qualität. Wie wollen Sie ganz konkret sicherstellen, dass alle Flüchtlinge noch vor Beginn der kalten Jahreszeit in winterfesten und beheizbaren Unterkünften leben können, die wenigstens den Grundbedingungen gerecht werden? - Auch dazu haben wir noch nicht allzu viel gehört.
Wir begrüßen auch, dass Sie bürokratische Hürden abbauen wollen. Aber - auch das ist schon diskutiert worden - warum wollen Sie das eigentlich in der Situation, in der es für den Staat sozusagen um die staatlichen Interessen geht, tun? - Es handelt sich doch um Hürden, die auch andere treffen, also Privatpersonen, mittelständische Unternehmer, die diesen stets ausgesetzt sind. Hier bedarf es einer grundsätzlichen Überprüfung und Entschlackung dieser Regeln, um Hindernisse wie beispielsweise des Vergaberechts oder der energetischen Sanierung im Bestand dann für alle zu relativieren und auszuräumen.
Meine Damen und Herren, die Diskussion über die Einstufung der Westbalkanstaaten halten Sie, Herr Ministerpräsident, der jetzt leider nicht anwesend ist, für eine Art Symbolpolitik. Dem widersprechen wir deutlich; denn es geht doch konkret darum, die Verfahren zu entlasten und damit auch zu beschleunigen. Und es geht auch darum, klare Sig
nale an jene zu senden, die aus anderen als Asylgründen kommen, so sehr diese Gründe auch menschlich und individuell nachvollziehbar sein mögen. Dazu gehört unseres Erachtens auch eine Visumspflicht für diese Staaten. Das rechtliche Instrumentarium, das uns zur Verfügung steht, um Entlastungen und Beschleunigungen zu erreichen und die Hilfe auf jene zu konzentrieren, die unserer Hilfe und unseres Schutzes vor Verfolgung insbesondere bedürfen, müssen auch konsequent genutzt werden.
Meine Damen und Herren, es gibt viele Ansatzpunkte, die Sie richtigerweise erwähnt haben. Aber das, was Sie konzeptionell und konkret vorzuweisen haben, bleibt vielfach zu oberflächlich und zu wenig, um die aktuellen Herausforderungen tatsächlich bewältigen zu können und tatsächlich auch dann die Flüchtlingspolitik nachhaltig in dieser im Moment krisenhaften Situation zu gestalten.
Unser Antrag bietet hierfür die Gelegenheit, auch gemeinsam Wege zu gehen. Gemeinsame Ansatzpunkte sind ja durchaus vorhanden.
Lassen Sie mich abschließend noch auf den Punkt der dauerhaften Politik zu sprechen kommen, nämlich der dauerhaften Konzeption im Hinblick auf die anhaltende Migrationsbewegung. Es wird den Zeitpunkt geben, zu dem man aus dem Krisenmodus wieder herauskommen muss, um mittel- und langfristige Perspektiven aufzeigen zu müssen. Wir haben hierzu ganz konkret Vorschläge vorgelegt, und zwar schon im März dieses Jahres mit einem umfassenden Antrag, der überschrieben ist mit: „Deine Chance, unsere gemeinsame Zukunft“. Hier finden Sie zu allen wesentlichen Punkten, schon seit März in diesem Hause in der Beratung, die entsprechenden möglichen konzeptionellen Vorschläge der FDP-Fraktion, wie wir das gemeinsam gestalten können.
Meine Damen und Herren, ich fordere Sie, Herr Ministerpräsident, auf und bitte die Fraktionen von SPD und Grünen: Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg verfolgen! Denn die Gemeinsamkeiten, so denke ich, überwiegen. Sie müssen aber auch bei dem nachlegen, was ganz konkret geschehen soll. Denn da sind Sie vieles schuldig geblieben.
Ich beantrage für die FDP-Fraktion heute die sofortige Abstimmung im Hinblick auf diesen Antrag, will aber auch deutlich sagen, dass wir auch zu Kom
Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Herr Dr. Christos Pantazis, SPDFraktion. Herr Pantazis, Sie haben das Wort.
Vorne weg: Wenn man über Gemeinsamkeiten redet und gleichzeitig eine sofortige Abstimmung beantragt, ist das meines Erachtens ein bisschen widersinnig. Das erschließt sich mir nicht ganz, wenn ich ehrlich bin. - Nun gut.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Anzahl der Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Terror aus ihrer Heimat flüchten, ist weltweit auf über 60 Millionen angestiegen. Ungelöste Konflikte wie der Bürgerkrieg in Syrien haben diese weiter nach oben schnellen lassen. Deutschland ist dabei das Land mit den meisten Asylanträgen. Waren es 2014 noch rund 200 000, so soll diese Zahl laut aktuellen Prognosen im August der Bundesregierung in diesem Jahr auf rund 800 000 Anträge ansteigen.
Diese Entwicklung macht eines klar: Der Umgang mit Flüchtlingen wird uns viele Jahre beschäftigen und auch herausfordern. Sicherlich stellt die aktuelle Entwicklung eine Herausforderung für unser Land dar. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es diesen nationalen Kraftakt schaffen kann. Es ist nicht nur unsere humanitäre Pflicht, Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen, sondern diese Herausforderung ist auch als gesamtstaatliche Aufgabe zu begreifen, die unser Land fordert, aber nicht überfordert. Die Menschen in unserem Land wissen das. Auch als Mitglied einer Hilfsorganisation kann ich bestätigen, dass sich viele ehrenamtlich dafür einsetzen, dass uns diese Herkulesaufgabe gelingt, sei es durch Spenden, Sprachvermittlung oder durch Begegnung und Anteilnahme.
Sie sind es, die den Menschen, die zum Teil alles verloren haben, wieder Hoffnung geben. Für mich sind diese vielen Ehrenamtlichen gerade in diesen Tagen unsere Helden des Alltags. Sie geben unse
rem Land ein menschliches Antlitz und stehen für ein leuchtendes Beispiel gelebter Willkommenskultur.