Protocol of the Session on May 29, 2013

Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Heiner Scholing von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Scholing!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist auch meine erste Rede hier im Haus. Ich darf über Martin Luther reden. Das ist, finde ich, ein enormes Privileg.

Der Thesenanschlag von Martin Luther kann, glaube ich, als eine Sternstunde der Menschheit bezeichnet werden - da kennen wir noch weitere; der historische Platz ist gesichert und unbestritten -: ein großer Schritt der Selbstvergewisserung des Menschen - da tritt ein Mensch aus dem Gedankengebäude, Ideengebäude seiner Zeit heraus; neue Horizonte erschließen sich -, auch ein Schritt der Zivilcourage - gegen den Strom, gegen die Mächtigen, den eigenen Werten, der eigenen Wahrheit verpflichtet - und auch bereit, selber Leid hinzunehmen.

Diese Botschaften des Thesenanschlags aufzunehmen, tut der Gesellschaft gut und tut übrigens auch der Politik gut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang noch einmal ganz ausdrücklich bei unserem Landtagspräsidenten bedanken, der auf die Rede von Otto

Wels verwiesen hat. Das ist auch eine Sternstunde der Menschheit gewesen, in der Politik aufgestanden ist und gesagt hat: Nein!

Wenn Politik über Martin Luther reflektiert, muss sie natürlich auch den ganzen Luther betrachten und ihn in seinem historischen Kontext verstehen. Lobhudelei ist da fehl am Platz und entspricht auch nicht mehr dem Kenntnisstand, den wir heute haben, und wird auch Luther nicht gerecht.

Das Jahresthema der evangelischen Kirche heißt Toleranz. Wenn wir über Toleranz und Martin Luther nachdenken, dann kommen wir auch ins Grübeln. Das problematische Verhältnis von Martin Luther zum Judentum ist hinlänglich belegt. Aber dennoch: Es gibt gute Gründe, dem 500. Reformationstag besonders zu gedenken - und das vor allem unter dem Aspekt der Toleranz.

Auf welche Art kann dies geschehen? - Feste, Veranstaltungen, Foren, die zum Dialog zu Religion und mit Religion einladen - bewusst Religion und nicht nur Religionsgemeinschaften -, Projekte in unseren Schulen.

Meine Fraktion hält die einmalige Etablierung eines gesetzlichen Feiertages nicht für die einzige Möglichkeit, der Reformation zu gedenken. Wir sehen die Problematik, dass wir natürlich immer wieder sehr sorgsam hinschauen müssen, dass wir nicht einzelne Religionsgemeinschaften privilegieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Die Aufteilung, die wir zum Teil alle noch aus Schulen kennen - evangelisch, katholisch und sonstige -, taugt schon lange nicht mehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gleichzeitig müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass andere Bundesländer hier schon Pflöcke eingeschlagen haben. Ein niedersächsischer Sonderweg wäre kaum vermittelbar. Die Bremer haben frei, und die Niedersachsen gehen arbeiten.

(Glocke des Präsidenten)

- Herr Präsident, ich habe anscheinend langsamer geredet, als ich dachte.

Wir sollten den Tag nutzen: Wir schließen uns dem Antrag der CDU an, und wir schließen uns auch dem Antrag auf sofortige Abstimmung an. Auch wir hätten es begrüßt, wenn wir im Vorfeld deutlicher einbezogen worden wären. Wie wir allen Redebeiträgen entnehmen können, ist hier viel Raum für Konsens und wenig Raum für Dissens.

Eines guten Redners Amt oder Zeichen ist, dass er aufhöre, wenn man ihn am liebsten höret. - Martin Luther.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Scholing. Auch Ihnen herzliche Gratulation zu Ihrer ersten Rede hier im Landtag. Im Ausschuss haben wir das schon an anderer Stelle sehr intensiv erlebt. Alles Gute, und feiern Sie schön gleich in der Mittagspause! In der Regel gibt man dann einen aus - für die Fraktion.

(Heiterkeit - Jens Nacke [CDU]: Das ist ja bei den Grünen nicht so teuer!)

- Den Zwischenruf habe ich gehört. Dass das bei Ihnen nicht so teuer wird, hat Herr Nacke gerufen.

(Zuruf von GRÜNEN: Bei uns gibt es Apfelsaft!)

Das Wort hat jetzt der Kollege Christian Grascha.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 31. Oktober 2017 begehen die protestantischen Christen den 500. Jahrestag der Reformation. Gedacht wird daran, dass Martin Luther 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg anschlug. Luther kritisierte darin vor allem die kirchliche Postenvergabe gegen Geld mit dem sogenannten Dispens als auch den daraus folgenden Ablasshandel.

Martin Luthers Kritik an der katholischen Kirche setzte den Anfangspunkt für die Reformation, die als einer der größten Wendepunkte in der Geschichte des Abendlandes bezeichnet werden kann. Die Reformation stellte über Jahrhunderte gewachsene fundamentale Glaubensgrundsätze sowie kirchliche Praktiken infrage.

Besonders als Liberaler ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Reformation den Weg zur Aufklärung und zur persönlichen Freiheit in unserer heutigen Gesellschaft, in unserer heutigen Vorstellung geebnet hat. Die Reformation löste letztlich den Staat von der Bevormundung durch die Kirche. Auch heute sind die tief greifenden Veränderungen, die vor knapp 500 Jahren begannen, gesellschaftlich zu spüren - egal, ob wir über Familie, den Staat, die Gesellschaft, die Schule, die Hochschule, die Wissenschaft, die Kunst oder die Wirt

schaft sprechen. Beispielhaft kann man hier nur die Bildungspolitik und das Bildungswesen herausnehmen. Das Ziel, Bildungspolitik durchlässig zu machen und jedem die gleiche Chance zu ermöglichen, ist im Kern auf die Reformation zurückzuführen.

Die Reformatoren hatten die Überzeugung: Jeder muss die Bibel verstehen, und das Bildungswesen soll auf allen Ebenen gestärkt werden.

Das Reformationsjubiläum ist deshalb von grundsätzlicher Bedeutung. Der Reformationstag am 31. Oktober 2017 bietet nicht nur den Kirchen die Gelegenheit, die Bedeutung der Reformation für uns heute zu erwähnen und sie zu thematisieren, sondern es ist vielmehr ein historisches Ereignis, das für die gesamte Gesellschaft von Bedeutung ist.

Das Ansinnen der CDU-Fraktion greift einen Vorschlag der evangelischen Kirche auf und geht über einen Feiertag hinaus, nämlich den 31. Oktober 2017 arbeitsfrei zu machen. Dies ist beispielsweise heute in den neuen Bundesländern jedes Jahr der Fall. In den alten Bundesländern haben sich bisher zahlreiche Bundesländer dazu verständigt, im Jahr 2017 einen arbeitsfreien Tag zu haben, beispielsweise Rheinland-Pfalz und Hessen.

Nach Auffassung der FDP-Fraktion ist „Arbeitsfrei oder nicht arbeitsfrei?“ aber nicht der entscheidende Punkt. Wichtiger ist, dass der Gedanke, die Ursache und die Folgen der Reformation in den Fokus gerückt werden. Eine neue Debatte über Aufklärung in einer manchmal vordergründig daherkommenden aufgeklärten Gesellschaft und eine Debatte über die persönliche Freiheit zu führen, würde unserer Gesellschaft guttun.

(Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Wir begrüßen, dass sich in Niedersachsen beide große Kirchen, die evangelische und die katholische Kirche, für einen arbeitsfreien Feiertag ausgesprochen haben. Das zeigt, dass die Reformation nicht nur eine protestantische Reformation ist, sondern genauso die katholische Kirche betrifft - und natürlich die Gesellschaft insgesamt.

Die FDP-Fraktion hat intensiv über diesen Vorschlag der CDU diskutiert und beraten. Dabei stellte sich die Frage: Ist es angemessen und geeignet, den Reformationstag in dieser Art und Weise arbeitsfrei zu feiern? Schließlich muss man sich immer die Frage stellen: Welche anderen historischen Ereignisse sind gegebenenfalls noch in dieser Form zu würdigen? Wo ist da die Abgren

zung? Wo wollen wir die Grenze ziehen? Ist ein Gedenken nicht auch ohne Arbeitsfreiheit möglich?

Überwogen hat am Ende aus unserer Sicht die herausgehobene historische Bedeutung dieses Ereignisses der Reformation für unsere Gesellschaft insgesamt.

Vor diesem Hintergrund stimmen wir sowohl dem Antrag zu, sofort abzustimmen, als auch dem Gesetzentwurf insgesamt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Grascha. - Der Innenminister hat sich zu Wort gemeldet. Herr Innenminister, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Anschlag der 95 Thesen am 31. Oktober 1517 an die Wittenberger Schlosskirche durch Martin Luther hat eine weltweite Entwicklung ausgelöst, die die Welt verändert und gerade die Kultur in Norddeutschland maßgeblich mitgeprägt hat. Weltweit beziehen sich heute Millionen Christen auf die Reformation und bereiten sich demzufolge auf das Reformationsjubiläum am 31. Oktober 2017 vor.

Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder haben sich daher bereits bei einem Treffen am 6. Dezember 2012 dafür ausgesprochen, das 500. Reformationsjubiläum im Jahre 2017 mit einem bundesweiten Feiertag zu begehen.

Die Landesregierung ist genauso wie der Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen der Auffassung, dass der 500. Jahrestag in jedem Fall eine besondere Würdigung fordert. Aus diesem Grund wird die Absicht dieses Gesetzentwurfs auch von der Niedersächsischen Landesregierung ausdrücklich begrüßt.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD] und Mechthild Ross-Luttmann [CDU])

Die nähere Ausgestaltung und Regelung sollte dann im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens erörtert werden.

Grundsätzlich erscheint dieses ein weiteres Thema zu sein, meine Damen und Herren, das besonders geeignet ist, über alle Parteigrenzen hinweg zu

einer einheitlichen und harmonischen Entscheidung geführt zu werden.

Vielen Dank.

(Beifall)