Das Internet hat durch seine massenhafte und insbesondere mobile Benutzung - wir vergnügen uns hier oft mit unseren Smartphones, iPads und Tablet-PCs - massiv an Bedeutung gewonnen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Auffassung durch die Formulierung eines Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme sowie die Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung unterstrichen.
Um die Sensibilität dieses Themas noch einmal hervorzuheben, ist es vielleicht sinnvoll, sich die Entscheidung und die Begründung des Bundesverfassungsgerichts noch einmal anzuschauen. Herr Adasch hat das schon richtig dargestellt.
Der Zugriff auf Bestandsdaten wird seit 2004 sowohl im Telekommunikationsgesetz als auch in den jeweiligen Fachgesetzen für die zugreifenden Sicherheitsbehörden geregelt. In Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht wurden 2005 explizit
nur Normen des Telekommunikationsgesetzes angegriffen. Das Bundesverfassungsgericht entschied dann, wie Sie alle wissen, im Januar 2012 sowohl über die angegriffenen Normen des Telekommunikationsgesetzes als auch mittelbar über die einschlägigen Fachgesetze. Es hat uns eine Frist bis zum 30. Juni 2013 gesetzt. Bis dahin muss die Umsetzung stehen.
Das Urteil sieht mit Ausnahme des Zugriffs auf dynamische IP-Adressen den Zugriff auf Bestandsdaten als nicht von Artikel 10 des Grundgesetzes, sondern von Artikel 2 Abs. 1 erfasst. Die Erhebungs- und Speicherungspflicht nach § 111 des Telekommunikationsgesetzes sowie die Pflicht zur Bereitstellung über automatisierte Schnittstellen wurden für verfassungsgemäß erklärt. Allerdings wurde eine Beobachtungspflicht für die Einführung des Internetprotokolls Version 6 statuiert.
§ 113 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes wird insofern verfassungskonform ausgelegt, als erstens nur eine Verbindung mit einer fachgesetzlichen Norm eine Auskunftspflicht der Provider zu begründen vermag; das ist das sogenannte Doppeltürmodell. Zweitens ist die Abfrage auf Fälle mit konkreter Gefahr und Anfangsverdacht zu beschränken. Drittens wird keine Rechtsgrundlage für Zugriffe auf dynamische IP-Adressen dargestellt.
§ 113 Abs. 1 Satz 2 regelt den Zugriff auf sogenannte Zugangscodes, sogenannte PINs und PUKs. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig - nicht für nichtig - erklärt, weil der Zugriff auf Daten unabhängig von den Voraussetzungen für deren Nutzung eröffnet wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf liegt Ihnen vor. Wir haben verfolgen können, wie sich das im Bundestag entwickelt hat. Dort war die Entwicklung in Sachen Datenschutz leider eher ein Armutszeugnis. Deshalb auch mein Statement zu Beginn: Es ist, glaube ich, besser, dass Rot-Grün das jetzt macht.
Wir haben den Richtervorbehalt, wir haben die Eingriffsschwelle. Wir haben die Abfrage von der Abwehr konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit abhängig gemacht. Wir haben strengere Eingriffsvoraussetzungen für die Abfrage von IPAdressen und Zugangssicherungscodes wie PINs und PUKs gewählt. Die Datenschutzmaßnahmen, die hier vorgesehen sind, gehen deutlich über das hinaus, was das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 24. Januar 2012 gefordert hat.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann wirklich nahezu alles von dem unterschreiben, was Sie hier gesagt haben.
Aber wir müssen hier dem von Ihnen erweckten Eindruck entgegensteuern, es habe erst rot-grüner Anstrengungen bedurft, um hier inhaltlich voranzukommen. Lassen Sie mich darauf aufmerksam machen, dass andere Bundesländer, auch CDUgeführte, in dem gleichen Sinne beraten und beschließen, wie wir das hoffentlich tun werden.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Adasch, ich will jetzt keine parteipolitischen Gräben aufreißen. Wir haben hier größtenteils Konsens. Ich glaube, wir werden uns im Ausschuss einigen können.
Aber es war schon etwas verwunderlich, dass der Gesetzentwurf nicht mehr in der alten Wahlperiode eingebracht wurde. Herr Thümler hat den Slogan „Liegen lassen. Später machen.“ geprägt. Hier wird sichtbar, dass es auch bei Schwarz-Gelb zum Schluss solche Züge gegeben hat.
Meine Damen und Herren, für die Landesregierung hat jetzt Herr Innenminister Pistorius das Wort. Bitte schön, Herr Minister!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Bestandsdatenabfrage ist, wie wir wissen, kein neues Instrument, weder bei der Polizei noch beim Verfassungsschutz. Sie ist schon gegenwärtig ein ganz extrem wichtiges, vielfach eingesetztes und ganz wesentliches Mittel, das häufig den einzigen Ansatz zur Gewinnung erforderlicher Kenntnisse darstellt. Ich will kurz zwei, drei Beispiele nennen, die das verdeutlichen.
So geht es beispielsweise um die Aufklärung extremistischer Straftaten, um die Verhinderung von Suiziden und Amokläufen sowie um das Auffinden von vermissten Personen.
Für ein im Geheimen vorbereitetes Rechtsrockkonzert - wie wir gerade lernen, nimmt die Zahl erfreulicherweise ab - wird anonym per SMS geworben; über den Anschlussinhaber können wir Erkenntnisse über Veranstalter, Veranstaltungsort und Zeitpunkt gewinnen und entsprechend agieren.
Aus einem dschihadistischen Netzwerk im Ausland heraus findet regelmäßiger Kontakt zu einem deutschen Telefonanschluss statt. Über den Anschlussinhaber können wir Kontakte und Verbindungen dieses Netzwerks in die Bundesrepublik Deutschland ermitteln. Das ist ein ganz wichtiger und oft der einzige zentrale Ermittlungsansatz.
Ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich: Ein Minderjähriger wird nach einem Streit im Elternhaus als vermisst gemeldet; es bestehen Anhaltspunkte, dass auf dem zurückgelassenen Mobiltelefon Daten gespeichert sind, die Aufschluss über seinen Aufenthaltsort geben.
Ein letztes Beispiel: In einem Internet-Chat kündigt eine - selbstverständlich unter einem Pseudonym auftretende - Person an, sich töten zu wollen. Die Zuordnung der IP-Adresse liefert einen Ansatzpunkt für die rechtzeitige Verhinderung dieses Suizids.
scher Strukturen und zur Gefahrenabwehr ein geeignetes und wirksames Mittel, das - auch das ist vom Bundesverfassungsgericht hervorgehoben worden - nur in sehr geringem Maße in die Rechte der betroffenen Personen überhaupt eingreift.
Was geschieht bei einer Bestandsdatenabfrage? Auf Anforderung der Polizei oder des Verfassungsschutzes ist ein Telekommunikationsunternehmen verpflichtet, Auskunft über die sogenannten Bestandsdaten eines Telekommunikationsteilnehmers zu geben. Das sind genau die Daten, die für die Begründung oder inhaltliche Ausgestaltung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsdienste erforderlich sind. Hierzu zählen - es wurde schon aufgezählt - Name, Anschrift, Telefonnummer, Anschlussnummer, Passwörter, PIN und PUK.
Um es nochmals deutlich zu machen, weil das in der öffentlichen Diskussion der vergangenen Monate bisweilen einen etwas unglücklichen Zungenschlag erhalten hat: Es geht bei diesen Abfragen weder um die Überwachung von Gesprächsinhalten noch um eine Auswertung des Telekommunikationsverhaltens noch der Daten und schon gar nicht um eine Ortung von mobilen Telefonen, Laptops oder dergleichen. Vielmehr gleicht die Bestandsdatenabfrage in etwa der Telefonbuchauskunft mit der berühmten Reverse-Suche, die wir von früher noch kennen.
Eine Neuregelung der Bestandsdatenabfrage ist erforderlich - auch das haben wir schon gehört -, weil das Bundesverfassungsgericht vor fast eineinhalb Jahren entschieden hat, dass eine Befugnis in den jeweiligen Fachgesetzen des Bundes und der Länder zu regeln ist. Die bisherige Praxis, nach der Bestandsdatenabfragen allein auf das Telekommunikationsgesetz des Bundes gestützt werden, ist nicht mit der Verfassung vereinbar und darf nur noch für eine Übergangszeit bis Mitte des Jahres fortgeführt werden.
Ich kann, weil ich nicht dabei war, nicht beurteilen, was im Parlament und in den Ausschüssen beraten worden ist. Im Innenministerium hat es jedenfalls keinen Entwurf gegeben, der sich damit befasst hätte, diese Auflage des Bundesverfassungsgerichts rechtzeitig umzusetzen.
Ich will das sehr deutlich sagen und mich bei den Regierungsfraktionen dafür bedanken, dass sie diesen Entwurf eingebracht haben, damit wir die verbleibende kurze Zeit bis zum 30. Juni nutzen
Der vorliegende Gesetzentwurf - das ist deutlich geworden - setzt die Vorgaben um. Das ist bereits im Einzelnen ausgeführt worden. Ich will das nicht alles wiederholen. Wir berücksichtigen die Vorgaben, und ich sehe den Beratungen mit Interesse entgegen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir im Rahmen der Aussprache nicht vor. Deswegen kann ich die Beratung schließen.
Ich darf Sie darauf hinweisen, dass entgegen der Angabe in der ausgedruckten Tagesordnung die Mitberatung des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes nicht beschlossen werden soll. Das hängt auch damit zusammen - darauf haben sich die Parlamentarischen Geschäftsführer geeinigt -, dass er erst nach dem Ältestenrat tagt. Eine Mitberatung ist möglich, wenn der Innenausschuss das beschließt und es zeitlich eingerichtet werden kann; das Ganze ist aber mit dem Ziel verbunden, die Beratungen so abzuschließen, dass die zweite Beratung des Gesetzentwurfs im Juni-Plenum erfolgen kann.
Deswegen stimmen wir über die Ausschussüberweisung wie folgt ab: Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein, mitberatend die Ausschüsse für Rechts- und Verfassungsfragen und für Haushalt und Finanzen. Wer das unterstützt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Ausschussüberweisung ist ausreichend unterstützt. Damit ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Ladenöffnungszeiten in Niedersachsen - Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drs. 17/179