Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie zunächst bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Wie wir erst gestern erfahren haben, verstarb am 1. Juni 2015 der ehemalige Abgeordnete Manfred Pesditschek im Alter von 71 Jahren. Manfred Pesditschek gehörte dem Niedersächsischen Landtag als Mitglied der SPD-Fraktion für eine Legislaturperiode, nämlich von 1978 bis 1982, an. Während dieser Zeit war er Mitglied im Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wir werden den Kollegen in guter Erinnerung behalten und widmen ihm ein stilles Gedenken. - Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, das Plenum ist bereits jetzt gut besetzt, sodass wir die Beschlussfähigkeit des Hauses auch bereits jetzt feststellen können.
Lieber Herr Politze, sozusagen getragen vom Applaus dieses Hauses, übermittle ich Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche: Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr! Alles Gute!
Meine Damen und Herren, wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 13, Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Für den heutigen Sitzungstag hat sich entschuldigt Frau Gerda Hövel von der CDU-Fraktion.
Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise wie üblich gleichwohl besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu Zusatzfragen nicht zulässig sind.
Um uns im Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, sich schriftlich zu Wort zu melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
a) Verfahren gegen den Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Celle - Verletzungen rechtsstaatlicher Grundsätze aus politischen Motiven durch Justizministerin Niewisch-Lennartz? - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 17/3577
Die Anfrage wird eingebracht vom Kollegen Dr. Stefan Birkner. Herr Birkner, bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 20. Februar 2015 erklärte Frau Ministerin Niewisch-Lennartz in der 59. Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtags:
„Ich möchte Sie wegen der besonderen Bedeutung der Sache darüber informieren, dass die ermittelnde Staatsanwaltschaft Göttingen nach umfangreichen Vorermittlungen nun zu dem Ergebnis gelangt ist, dass ein strafrechtlicher Anfangsverdacht gegen den Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Celle, Herrn Dr. Frank Lüttig, besteht. Ihm wird vorgeworfen, als früherer Leiter der Straf
rechtsabteilung im Niedersächsischen Justizministerium sowie als Generalstaatsanwalt in acht Fällen in strafbarer Weise Geheiminformationen an Dritte weitergegeben zu haben. Sieben Fälle davon betreffen geheime Informationen aus dem Verfahren gegen Herrn Bundespräsident a. D. Christian Wulff; ein Fall betrifft das laufende Verfahren gegen Herrn Edathy. Die Ermittlungen richten sich darüber hinaus gegen eine zweite Person, deren Namen ich Ihnen aus ermittlungstaktischen Gründen noch nicht nennen darf.“
Auf die Dringliche Anfrage der FDP-Fraktion mit dem Titel „Das Recht auf ein faires Verfahren - welchen Wert hat es für die Landesregierung?“ (Drucksache 17/3462) erklärte die Ministerin in der 63. Plenarsitzung des Landtages am 13. Mai 2015:
„Die Voraussetzung dafür, den Namen eines Beschuldigten öffentlich zu machen, ist eine Abwägung der Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten auf der einen Seite und des Informationsinteresses der Öffentlichkeit auf der anderen Seite im Einzelfall.“
Sie erklärte ferner auf die Frage der Abgeordneten Mechthild Ross-Luttmann (CDU), warum Ministerin Niewisch-Lennartz vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Justizministerium bereits am 17. Februar Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren gehabt habe und am 18. Februar eine Rechtsausschusssitzung stattgefunden habe, nicht die Sitzung des Rechtsausschusses genutzt und in nicht öffentlicher Sitzung über das Ermittlungsverfahren berichtet habe, anstatt in öffentlicher Sitzung den Namen eines Beschuldigten zu nennen und den zweiten Namen nicht zu nennen:
„Sie werden uns zugestehen, dass wir ein solches Ermittlungsverfahren und die darin erhobenen Vorwürfe prüfen müssen, bevor wir damit an die Öffentlichkeit gehen. Das haben wir unter Hochdruck getan, um überhaupt in der Lage zu sein, am Donnerstag zu entscheiden, dass wir Sie am Freitag informieren wollen.“
Dem entgegenstehend, erklärte sie auf die Frage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP), was denn der tragende Grund für die Unterscheidung bezüglich der Nennung der Namen der beiden Beschuldigten gewesen sei:
„Ausschließlich die Staatsanwaltschaft Göttingen, die das Ermittlungsverfahren führt - und nicht das Niedersächsische Justizministerium -, kann beurteilen, was bekannt gegeben werden darf und was nicht. Ich vertraue da der Staatsanwaltschaft in Göttingen. Die Staatsanwaltschaft in Göttingen hat uns vorgegeben, dass wir den Namen der zweiten Person nicht nennen können.“
In der kurzfristig anberaumten 49. Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen erklärte Ministerin Niewisch-Lennartz am 1. Juni 2015 schließlich, dass das Verfahren gegen den Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Celle mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei.
1. Welche über die Gewährung rechtlichen Gehörs hinausgehenden konkreten Ermittlungsansätze waren im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens gegen den Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Celle durch Ministerin Niewisch-Lennartz am 20. Februar 2015 gegeben?
2. Wessen Entscheidung war es, den Namen des Beschuldigten Lüttig zu nennen und den des anderen Beschuldigten nicht?
3. Warum hat Ministerin Niewisch-Lennartz für die öffentliche Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens die Plenarsitzung des Landtages gewählt und für die Unterrichtung über die Einstellung des Verfahrens die teilweise vertrauliche Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen?
Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Die Antwort der Landesregierung erfolgt durch die Justizministerin. Frau Niewisch-Lennartz, bitte sehr! Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe bereits auf die Dringliche Anfrage der Fragesteller in der letzten Plenarwoche ausführlich zu diesem Sachverhalt Stellung genommen. Dabei habe ich auch die Frage beantwortet, warum die Unterrichtung des Parlaments über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Göttingen im Februar dieses Jahres aus meiner Sicht
unumgänglich war. Ich verweise zunächst auf diese Ausführungen. Sie können sie gegebenenfalls im Protokoll nachlesen.
Am vergangenen Montag, also vor drei Tagen, habe ich gemeinsam mit den zuständigen Ermittlern der Staatsanwaltschaft Göttingen den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Niedersächsischen Landtages erneut sehr ausführlich über das Ermittlungsverfahren informiert. Dabei bin ich ein weiteres Mal auf die Gründe für meine Unterrichtung dieses Hauses im vergangenen Februar eingegangen.
Meine Damen und Herren, aus meiner Sicht war und ist es erforderlich, das Parlament jeweils sehr zeitnah, nachdem eine grundlegende Entscheidung in diesem Verfahren getroffen wurde, darüber zu informieren. Diesem Grundsatz bin ich gefolgt als ich im Februar das Plenum informiert habe. Die Nachricht über die Einleitung des Verfahrens hat mich zu Beginn der laufenden Plenarwoche erreicht. Ich habe die nächste mögliche Gelegenheit ergriffen, das Parlament zu informieren.
Aus demselben Grund habe ich auch den Rechtsausschuss am Montag vorab unterrichtet. Die Einstellung des Verfahrens ist Ende der vergangenen Woche erfolgt. Herr Dr. Lüttig ist am Montag an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Selbstverständlich war es geboten, das Parlament so frühzeitig wie möglich zu unterrichten und damit nicht bis zum Beginn der Plenarsitzung zu warten.
Im Rahmen der Rechtsausschusssitzung am Montag bin ich auch erneut darauf eingegangen, warum die Unterrichtung des Parlaments aus meiner Sicht zwingend und warum die Information nur des Rechtsausschusses und darüber hinaus in vertraulicher Sitzung zu einem späteren Zeitpunkt eben nicht möglich war.
Ich wiederhole es noch einmal: Das Verfahren gegen den Generalstaatsanwalt war einmalig in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte. Die Indiskretionen aus den Ermittlungen gegen Christian Wulff haben immerhin zum Rücktritt unseres Staatsoberhauptes geführt. Der Generalstaatsanwalt stand als möglicher Verdächtiger schon vor Einleitung des Verfahrens im Fokus der Medien. In
dem anderen Verfahren, dem gegen Sebastian Edathy, stand am Montag nach meiner Unterrichtung der Beginn der Hauptverhandlung bevor. Herr Dr. Lüttig war auch in diesem Verfahren oberster Anklagevertreter. Vor diesem Hintergrund war die Information des Landtags in öffentlicher Sitzung unvermeidbar.
Auch die Frage, warum ich den Namen des zweiten Beschuldigten damals, im Februar, nicht genannt habe, ist bereits mehrfach beantwortet worden, zuletzt am vergangenen Montag im Rechtsausschuss.
Ich wiederhole es noch einmal: Die Entscheidung habe ich auf der Grundlage einer ermittlungstaktischen Einschätzung der zuständigen Staatsanwaltschaft getroffen.