Protocol of the Session on June 3, 2015

(Editha Lorberg [CDU]: Dann tun Sie es doch endlich!)

Die Forderung nach der Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes ist eine notwendige Konsequenz, will man bürokratische Barrieren abbauen. Kommen Sie in der Wirklichkeit an!

Meine Damen und Herren von der Opposition, auch Sie wissen im Grunde: Hier geht es nicht darum, die Hand aufzuhalten oder Mitnahmeeffekte auszureizen. Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen können die Länder nicht aus eigener Kraft ausgleichen. Das ist angesichts der Schuldenbremse - - -

(Zurufe von der CDU)

- Das wissen Sie doch ganz genau, Herr Hillmer! Das ist angesichts der Schuldenbremse überhaupt nicht möglich.

Ist das Ihr Ernst? Wollen Sie in Deutschland wirklich unterschiedliche Verhältnisse für die Flüchtlinge und Menschen, die hier ankommen?

(Christian Dürr [FDP]: Die haben wir doch schon! Ihretwegen haben wir die! - Zurufe von der CDU)

Wollen Sie wirklich, dass das von der Finanzstärke der Kommunen und der Länder abhängt?

(Björn Thümler [CDU]: Dann schafft doch die Länder endlich ab!)

Dann bekennen Sie sich dazu! Wir jedenfalls wollen gleiche Bedingungen für die Menschen in ganz Deutschland.

Frau Piel, Sie müssen zum Ende kommen!

Das kann nur der Bund gewährleisten. Wir in Niedersachsen leisten unseren Beitrag. Unterstützen Sie uns bei den Verhandlungen auf Bundesebene!

Wir können es uns nicht leisten, das auf die lange Bank zu schieben.

(Zurufe von der CDU)

Sie müssen bitte zum Ende kommen!

Es geht um unsere neuen Nachbarn!

Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Piel. - Für die Landesregierung hat sich jetzt der Innenminister, Herr Pistorius, gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort. Sie kennen ja die ehrbare Selbstverpflichtung auf das FünfMinuten-Limit. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bereits angeklungen: Kaum ein anderes Thema bewegt uns derzeit so sehr wie die Flüchtlingspolitik. Für dieses Jahr werden rund 400 000 Anträge bundesweit prognostiziert. Für Niedersachsen bedeutet das geschätzt ungefähr 37 000.

Ich bin dankbar dafür, dass das Thema gleich zweifach auf die Tagesordnung der Aktuellen Stunde gesetzt wurde. Ich kann Ihnen versichern: Das ist Schwerpunkt meiner täglichen Arbeit.

Erst am vergangenen Montag - darüber ist in der Presse berichtet worden - hat es ein sehr intensives Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden gegeben.

(Astrid Vockert [CDU]: Mit enttäu- schendem Abschluss!)

Wir haben - das ist ja immer eine Bewertungsfrage - gute Fortschritte erzielt.

Den Titel des heutigen Antrags der CDU-Fraktion „Warum tut das Land so wenig?“ kann ich aber, ehrlich gesagt, nicht ganz nachvollziehen. Eigentlich müsste man eher fragen: Wieso hat das Land seine Kapazitäten erst so stark zurückgefahren und dann nicht wieder aufgebaut, als die CDU noch die Verantwortung hatte, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Anja Piel [GRÜNE]: Ja, das ist eine spannende Frage! - Chris- tian Dürr [FDP]: Wie lange regieren Sie schon? Zweieinhalb Jahre?)

Ich erinnere an die Schließung der Landesaufnahmebehörde in Oldenburg. Wir verhandeln jetzt gerade darüber, sie wieder aufzubauen - mit viel Geld, viel Aufwand und vielen Fragestellungen.

Prinzipiell ist es ja - das habe ich mehrfach gesagt - legitim, Kapazitäten zwischenzeitlich zurückzufahren. Aber, lieber Herr Thümler, Sie haben gerade davon gesprochen, hier würde jemand etwas verschlafen. Wenn jemand die Entwicklung der steigenden Asylbewerberzahlen seit 2011 verpennt hat, dann waren Sie das, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Weil wir schon früh darauf hingewiesen haben? - Sie sind doch kalt erwischt worden!)

Sie haben nicht zurückgedreht und nicht reagiert. Sie haben damals Oldenburg geschlossen und dann nicht mehr reagiert.

(Zuruf von Christian Dürr [FDP] - Ge- genruf von Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Stimmt es, oder nicht?)

Lassen Sie mich, wenn Sie es denn hören wollen, im Einzelnen darlegen, was diese Landesregierung tut.

Meine Damen und Herren, nur einmal zur Klarstellung: Wir haben die Kapazitäten in den Landesaufnahmereinrichtungen seit Regierungsübernahme im Vergleich zu Ihrer Zeit fast verdoppelt, und zwar in weniger als zwei Jahren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben Außenstellen eingerichtet. An vielen Standorten sind wir in Gesprächen.

Aber lassen Sie uns bitte eine Sache nicht aus den Augen verlieren: Es möge bitte niemand in diesem Hohen Hause glauben, dass die Gespräche zur Einrichtung neuer Landesaufnahmeeinrichtungen an verschiedenen Standorten in Niedersachsen überall so reibungslos ablaufen, wie es in Osnabrück der Fall war. Oftmals wird anfangs eine große Bereitschaft signalisiert, die sich dann aber sehr schnell im Klein-Klein verliert.

Tatsache ist: Wer will - das geht auch an die Adresse der Kommunen -, dass wir noch mehr Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen, um die Verweildauer dort zu erhöhen, der muss auch bereit sein, die Voraussetzungen vor Ort dafür zu schaffen. Trotz der vielen schwierigen Fragen bin ich aber als geborener Optimist davon überzeugt, dass wir zu guten Lösungen kommen werden.

Wir haben die Landesaufnahmebehörden besser ausgestattet. Die Kapazitäten sind gestiegen. Die Verweildauer steigt. Wir verändern das Verteilsystem. Weitere Bedarfe werden geprüft. Aber schon heute kann ich Ihnen sagen, dass wir dreimal so viele Mittel wie noch im Jahr 2011 für die Landesaufnahmeeinrichtungen bereitstellen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Angelika Jahns [CDU]: Wir hatten auch eine andere Situati- on! Das kann man nicht vergleichen!)

Meine Damen und Herren, wir haben uns aber längst nicht nur um die Landesaufnahmebehörden gekümmert. Wir haben auch die Unterbringung in den Fokus genommen und unterstützen die Kommunen. Wir werden für weitere Unterstützungsmaßnahmen sorgen.

Ich bin gerne bereit - offenbar haben Sie es mathematisch noch nicht ganz nachvollzogen -, Ihnen detailliert zu schildern, was hier eigentlich passiert, meine Damen und Herren. Tatsächlich wird diese Maßnahme, die der Ministerpräsident am Montag angekündigt hat, dazu führen, dass das Land 77 % der von den Kommunen selber dargelegten, wenn auch nicht im Einzelfall bewiesenen, Kosten in Höhe von 10 000 Euro pro Flüchtling trägt. Wo, meine Damen und Herren, ist da eigentlich der Skandal? - Nicht alles, was aufgeblasen wird, ist auch ein solcher.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Kommunen tragen 18 % dessen, was sie selber auszugeben behaupten. Der Bund ist mit, sage und schreibe, 4 % beteiligt. Meine Damen und Herren, das ist beschämend und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU, ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie bei den Kolleginnen und Kollegen in Berlin dafür Sorge tragen würden, dass man den Fokus einmal darauf lenkt und nicht immer versucht - wobei man sich dann

feixend auf die Schenkel klopft -, die Parlamentarier und die Regierungen in den Ländern gegeneinander auszuspielen. Denn genau das passiert dort.

(Petra Tiemann [SPD]: Genau!)

Der Bund muss in die Verantwortung. Wir brauchen die Unterstützung von jedem, auch in diesem Hohen Hause, um das zu erreichen, weil wir sonst in dieser Frage gemeinsam richtig Schiffbruch erleiden werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. Sie haben fast eine Punktlandung hingelegt: 4:59 Minuten.