Protocol of the Session on May 13, 2015

wir uns in einem engen Dialog mit ganz vielen verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren, mit denen wir hier zusammenarbeiten wollen.

Last but not least will ich unsere Aktivitäten auf Bundesebene und auch unsere Gespräche mit der EU-Kommission erwähnen. Hier gilt es, immer wieder Sorge dafür zu tragen, dass niedersächsische Interessen auch in Berlin und auch in Brüssel Gehör finden. Ich glaube, wir haben hier eine gute Bilanz vorzuweisen. So haben wir z. B. im Zusammenhang mit der Reform des EEG einige Eckpfeiler einschlagen können und haben dafür gesorgt, dass z. B. die Offshoretechnologie wieder vorangekommen ist, dass das Stauchungsmodell verlängert wurde und dass auch wieder mehr Planungssicherheit eingezogen ist. Auch bei anderen Punkten wie z. B. dem Ausbaudeckel im Onshorebereich haben wir Erfolge erzielen können. Wir bleiben an diesem Punkt dran. Ich nenne insbesondere das Thema Ausschreibungen, das uns momentan große Sorgen bereitet.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Auch hinsichtlich des Netzausbaus befinden wir uns in einem intensiven Dialog mit der Bundesregierung und haben feststellen können, dass die Bundesregierung eine Reihe unserer Vorschläge zu einer verstärkten Erdverkabelung und einer Flexibilisierung in diesem Bereich aufgegriffen hat. Hier erwarten wir aber noch mehr. Wir haben die Hoffnung, dass die Bundesregierung noch deutlich weiter gehen wird, als sie es bislang getan hat.

Meine Damen und Herren, so weit zu den Punkten, die aus meiner Sicht auch in einen Gesamtzusammenhang einzuordnen sind, Herr Dr. Hocker. Es macht keinen Sinn, sich nur die Antworten auf einzelne wenige Fragen anzugucken.

Ich möchte jetzt beispielhaft noch die Stromsteuer erwähnen. Ich hielte es für sinnvoll, sie in dem Umfang abzusenken, in dem wir mittlerweile erneuerbare Energien im Stromnetz haben. Dann sollte man es konsequenterweise aber auch so gestalten - das steht dann in der Antwort auf die übernächste Frage -, dass man nur noch die fossilen Energien, nicht aber mehr die erneuerbaren Energien besteuert. Das war auch der ursprüngliche Sinn dieses Steuerkonzepts. Da kann man einiges reparieren. Wenn das jetzt mit Ihrer Hilfe gelingt - wunderbar.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Wenzel. Es gab einen Fehler in unserer Redezeitanzeige. Sie haben noch acht Minuten. Ihre Redezeit ist hier falsch ausgewiesen worden. Sie haben von daher die Möglichkeit, sich noch einmal zu Wort zu melden.

(Christian Grascha [FDP]: Das war aber schon ausreichend!)

Wenn Sie einverstanden sind, Herr Minister, fahren wir jetzt fort.

(Zuruf von Minister Stefan Wenzel)

- Nein, die wird hier bis zum Ende der Besprechung archiviert.

Nun hat das Wort für die SPD-Fraktion Herr Kollege Karsten Becker. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zunächst einmal möchte ich auf den Beitrag von Herrn Hocker eingehen, in dem er die Kontinuität im Handeln der Landesregierung über den Regierungswechsel hinaus betont hat. Ich würde dazu gern feststellen, dass es im Sinne der Sache - wir reden hier über einen Zeitraum bis 2050 - durchaus wünschenswert ist, dass dort Kontinuität und ein breiter Konsens über die Ziele, die wir mit der Energiewende verfolgen, herrschen.

Diese breite Unterstützung wäre auch aktuell durchaus wünschenswert. Leider haben wir diese Unterstützung von der FDP nicht; zumindest kann ich sie nicht wahrnehmen. Die FDP hat sich in dieser Legislaturperiode eher als Bremser erwiesen. Warum eigentlich? - Prinzipiell haben wir einen breiten gesellschaftlichen Konsens über unseren Willen, aus der Erzeugung von Atomenergie auszusteigen und in den Aufbau eines regenerativen Energieerzeugungssystems einzusteigen.

Auch in dieser Legislaturperiode bezweifeln Sie den Klimawandel und dessen anthropogene Ursachen. Sie stellen sich gegen das EEG-Anreizsystem, und Sie treten für eine Länderöffnungsklausel, die einen Abstand von 2 km zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung vorsieht, ein, die den Windenergieausbau schlagartig beenden würde.

Meine Damen und Herren von der FDP, damit machen Sie es sich zu leicht, zumal es bei Ihnen nicht immer so war. Herr Minister Wenzel hat es gerade angesprochen, und auch ich möchte aus

dem Energiekonzept des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Klima und Energie vom Februar 2012 zitieren. Ein Kapitel trägt die Überschrift „Energieversorgung 2020 - den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen“. Verantwortet wurde das vom damaligen Umweltminister Dr. Birkner, der dem Leser auf Seite 3 dieser Broschüre prominent entgegenlächelt.

(Christian Grascha [FDP]: Guter Mann, übrigens!)

- Damals, ja.

(Unruhe)

Moment, bitte, Herr Kollege Becker! - Ich darf noch einmal alle Kollegen und Kolleginnen um Ruhe im Plenarsaal bitten; das Gemurmel ist wirklich sehr laut. Das gilt auch für die Gespräche, die an den Seiten geführt werden. - Vielen Dank. Bitte, Herr Kollege!.

Die Haltung von Herrn Dr. Birkner, die er in seiner Amtszeit als Minister dargelegt hat, ist mir durchaus sympathisch. Denn er hat damals geschrieben:

„Mit der laufenden Novelle der Niedersächsischen Bauordnung werden die erforderlichen Grenzabstände unter anderem auch für Windkraftanlagen reduziert.“

Und weiter:

„Dies führt zu einer Vereinfachung der Zulassung für Windkraftanlagen.“

(Volker Bajus [GRÜNE]: Aha! Interes- sant!)

Das war erkennbar ein anderes Paradigma als das, dem Sie gegenwärtig folgen. Weiter schreibt Herr Dr. Birkner:

„Trotz des bereits erreichten hohen Nutzungsgrades kann die installierte Windkraftleistung gegenüber dem Stand Ende 2010 bis 2020 um rund 7 500 MW erhört werden, sofern zukünftig von den kommunalen Ebenen... auf Höhenbegrenzungen verzichtet wird.... Sowohl für das Repowering als auch für den weiteren Ausbau der Windenergien ist dabei der Verzicht auf Höhenbegrenzung eine wesentliche Voraussetzung.... Durch eine Novelle des Landes-Raumordnungs

programms soll es eine Höhenbegrenzung für Windkraftanlagen nur noch in begründeten Einzelfällen geben.“

Das sind keine Ausführungen, die zu einer Begrenzung der Windkraft führen. Ich will das einmal so zusammenfassen: Nicht die grundsätzliche Zielrichtung der Energiepolitik in Niedersachsen hat sich geändert, sondern die Position der FDP hat sich verändert; nach meinem Empfinden um 180 Grad. Es ist schade, dass Sie hier der Versuchung erliegen, den Menschen aus populistischen Erwägungen Angst zu machen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Entschuldigung, die Menschen haben Angst! Sie müssen mit den Menschen reden!)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich ebenfalls für meine Fraktion bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung für die Erarbeitung der Antworten auf diese Große Anfrage bedanken. Ich meine, dass wir hier eine sehr umfassende und eine überzeugende Darlegung eines planvollen und vorausschauenden Vorgehens vorfinden, mit dem die Energiewende überzeugend gestaltet werden kann. Überzeugend ist vor allem das abgestimmte Vorgehen in den verschiedenen Handlungsfeldern. Völlig zu Recht werden der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Ausbau der Übertragungs- und Versorgungsnetze, die Neugestaltung des Energiemarktes und die Entwicklung von Speichern bzw. äquivalenten Verfahren oder Technologien integriert verfolgt.

Herr Kollege Becker, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Hocker zu?

Nein, ich möchte geschlossen ausführen. Danke.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Was seid ihr heute alle ängstlich! - Gegenruf von Volker Bajus [GRÜNE]: Das hat doch nichts mit Angst zu tun!)

Meine Damen und Herren, Ende 2014 hatten wir in Niedersachsen eine Windenergieleistung von insgesamt 8 233 MW installiert. Das entspricht fast einem Viertel der in Deutschland installierten Leistung, und damit ist Niedersachsen mit Abstand bundesweiter Vorreiter. Um den Windenergieausbau auf dem erreichten hohen Niveau geordnet

und akzeptanzorientiert fortführen zu können, ist es erforderlich, den Akteuren eine Orientierung über die langfristige Zielsetzung zu geben und einheitliche Hinweise für die Planung festzulegen. Abgeleitet aus den bundesweiten Zielsetzungen, müssen wir in Niedersachsen bis 2050 insgesamt 20 GW Windenergieanlagenleistung aufbauen, um das Ziel einer 100-prozentigen Energieversorgung aus regenerativen Energieträgern erreichen zu können. Dabei wird sich die Zahl der Anlagen von gegenwärtig 5 600 auf ca. 4 000 reduzieren. Wir werden ca. 1,4 % der Landesfläche für die Windenergieerzeugung benötigen. Man muss an dieser Stelle zur Kenntnis nehmen: Das ist deutlich weniger Fläche als andere Bundesländer zur Windenergieerzeugung zur Verfügung stellen; Nordrhein-Westfalen und Hessen beispielsweise 2 %, Schleswig-Holstein 1,7 %. Von einer Überforderung kann also überhaupt keine Rede sein.

(Volker Bajus [GRÜNE]: So ist das!)

Meine Damen und Herren, leistungsstarke Trassen, leistungsstarke Nord-Süd-Übertragungsnetze, z. B. der SuedLink, über den derzeit in Niedersachsen diskutiert wird, sind unverzichtbar, um den Windstrom aus den Überschussregionen im Norden in den Süden Deutschlands zu transportieren, wo er bereits heute fehlt und mit dem Abschalten der letzten Atomkraftwerke im Jahr 2022 noch stärker benötigt wird.

Dem länderübergreifenden Ausbau von Höchstspannungsleitungen kommt aber nicht nur eine Schlüsselrolle für den Erfolg der Energiewende in Deutschland zu, der SuedLink ist auch ein wichtiger Beitrag zur Integration des europäischen Energiemarktes. Die Austauschkapazität Deutschlands mit den skandinavischen Ländern Dänemark, Schweden und Norwegen wird mit den Projekten SuedLink und NordLink bis auf 4,5 GW anwachsen und damit zu einer entscheidenden Technik zur Speicherung erneuerbaren Stroms in norwegischen Pumpspeicherkraftwerken werden.

Meine Damen und Herren, das Projekt SuedLink zeigt auch, dass man langfristig, planvoll und transparent mit dem Ausbau umgehen muss, wenn man die Zustimmung der Menschen für einzelne Technologien und am Ende für die gesamte Energiewende erhalten will.

Für dieses Schlüsselprojekt der Energiewende, die SuedLink-Verbindung Wilster–Grafenrheinfeld, hat der Vorhabenträger Tennet am 12. Dezember 2014 den Antrag auf Bundesfachplanung bei der Bundesnetzagentur eingereicht, und zwar als Frei

leitung, entsprechend den gesetzlichen Vorgaben der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung. Aber es kommt noch hinzu, dass die Übertragungsnetzbetreiber jetzt mit der Fortschreibung des Bundesnetzentwicklungsplanes für die Jahre 2025 und 2035 weitere 2 bzw. 4 GW Übertragungsleistung im C-Korridor, also dem SuedLink, als erforderlich angesehen haben. Aufgrund des Bündelungsgebotes ist es nicht unwahrscheinlich, dass drei Maste nebeneinander mit einer Gesamtbreite von 150 m errichtet werden. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es kein Wunder, dass der SuedLink bei den Menschen in den potenziell betroffenen Regionen auf gewaltige Skepsis stößt.

(Zustimmung bei der CDU)

Dann leistet sich der Vorhabenträger TenneT auch noch die Blöße von Unzulänglichkeiten im Planungsverfahren mit der Folge, dass der Antrag von der Bundesnetzagentur zurückgewiesen worden ist mit dem Auftrag der Nachbesserung. Damit ist das Beispiel SuedLink ein prominentes und sehr geeignetes Beispiel dafür, dass man frühzeitig und umfassend planen und ebenso die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig einbeziehen muss; denn mit einer frühzeitigen Eröffnung der Möglichkeit zur Erdverkabelung, für die wir uns alle - fast alle - einsetzen, hätte viel Akzeptanz erhalten werden können.

Gerade vor dem Hintergrund dieses Beispiels wird der sehr vorausschauende Ansatz der Landesregierung, einen „Runden Tisch Energiewende“ einzurichten, deutlich, in dem mit wichtigen gesellschaftlichen Akteuren ein Leitbild für die Energieversorgung in Niedersachsen debattiert und entwickelt werden soll. Meine Damen und Herren, das ist ein Prozess, der für den gesamtgesellschaftlichen Diskurs und auch für ein breites Einvernehmen über die Energiepolitik in Niedersachsen einen großen Beitrag leisten kann.

Mit der Frage, wie lange Niedersachsen im Notfall mit Strom aus Speicheranlagen versorgt werden könnte, haben Sie versucht, ein Stück Dramatik in Ihre Anfrage zu bringen. Aber es bleibt richtig - auch wenn Ihnen das nicht so gut gefällt -, dass wir in Norddeutschland bis 2030, auch im Hinblick auf die Stabilität unserer Netze, auf große Speicherkapazitäten verzichten können. Das sieht im Süden der Republik durchaus anders aus. Wenn dort 2022 die Atomkraftwerke vom Netz gehen, aber die Stromtrassen nicht stehen, dann besteht im Süden ein deutlich höherer Energiebedarf. Das

müssen wir zur Kenntnis nehmen. Darauf müssen wir uns einstellen. Aber all das ist zu bewältigen.

Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund, dass vor diesem Szenario Bayern die Nord-SüdÜbertragungstrassen so dringend wie keine andere Region braucht, mutet es fast schon wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass sich ausgerechnet die bayerische Landesregierung gegen die Übertragungsleistungen wehrt, die ihr absehbares Energiedefizit ausgleichen sollen. Aber das ist wohl auch eine Facette der Energiewende: viel Raum für Populismus. Auch den haben wir hier heute schon erlebt.