Protocol of the Session on May 13, 2015

Die Antwort auf Frage Nr. 35 lautet:

„Nach herrschender Meinung muss der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht auf Stromspeicher warten, denn erst bei sehr hohen Anteilen von erneuerbaren Energien werden neue Stromspeicher wirklich benötigt.“

Meine Damen und Herren, diese Antwort ist komplett absurd. Herr Minister, wenn man tatsächlich glaubt, dass diese Energiewende gelingen könnte - ich würde mich freuen, wenn er mir seine Aufmerksamkeit schenken würde, aber wenigstens das Parlament hört mir zu -, ohne tatsächlich Speichertechnologien auf den Weg bringen zu müssen, dann ist man wirklich mit dem Klammerbeutel gepudert.

Wir produzieren in wind- und sonnenintensiven Zeiten so viel Strom, dass wir Gefahr laufen, dass unsere Netze in die Knie gehen. Wir geben gegen ein Entgelt Strom ans Ausland ab, dort werden die Pumpspeicherkraftwerke vollgepumpt, und wir kaufen dann den Strom wieder zurück, wenn wir ihn benötigen. Die Stromkosten haben sich in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt, und Sie reden davon, dass wir keine Speichertechnologien benötigen.

Es ist eine große Errungenschaft der Menschheit gewesen, dass man sich bei dem Stromverbrauch von der Stromerzeugung gelöst hat. Das war eine ganz große Leistung. Und wir bewegen uns nun wieder in Zeiten zurück, in denen man den Strom nutzen musste, wenn er auch erzeugt wurde. Das ist kein Innovationsschub, sondern das würde uns um 200 Jahre zurückwerfen. Deswegen ist es unerträglich, dass Sie tatsächlich glauben, dass man

diese Energiewende bewerkstelligen könnte, ohne Speichertechnologie zu haben.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass in der Antwort zu Frage 50 der energiepolitische Dreiklang aus Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Preisgünstigkeit, an dem sich die Energiepolitik der Bundesregierung seit Jahrzehnten orientiert hat, von Ihnen zitiert wird. Aber mein Eindruck ist, dass das Gleichgewicht dieser drei Ziele, mit dem die Bundesrepublik seit Jahrzehnten gut gefahren ist, in den vergangenen Jahren

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

zulasten von Versorgungssicherheit und Preisgünstigkeit verschoben wurde. Ich habe es gerade erwähnt: Die Energiepreise haben sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Und gleichzeitig benötigen wir in wind- und sonnenarmen Zeiten moderne Gaskraftwerke, die zügig und flexibel ausbleibende Energie aus Sonne und Wind ausgleichen, deren Betrieb aber immer teurer wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so, wie Sie diese Energiewende angehen, wird der Strom immer teurer, weil er abgenommen und garantiert vergütet wird, und zwar ohne jede Nachfrage. So, wie Sie, Herr Minister, diese Energiewende ohne Speicherkapazitäten angehen, ist unsere Versorgungssicherheit in wind- und sonnenarmen Zeiten und auch, wenn der Wind besonders stark weht, näher an einem Blackout, als es uns lieb sein kann.

Ist unsere Energieversorgung tatsächlich umweltfreundlicher geworden? - Daran kann man Zweifel haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich behaupte, dass im Jahre 2022 das letzte Kernkraftwerk in Deutschland vom Netz gehen wird. Das wird dann auch gut und richtig sein. Wir werden aber nicht weniger kernenergetisch erzeugten Strom in unseren Netzen haben und in Deutschland verbrauchen. Wir werden in Deutschland zwar sagen, dass wir unsere Hände in Unschuld waschen können, aber der Strom, der in unseren Netzen sein wird, wird zwar nicht kernenergetisch in Deutschland, sondern in der Ukraine, in Polen, in Russland und in Frankreich erzeugt. Ich weiß nicht, ob damit wirklich eine größere Umweltverträglichkeit unserer Energieversorgung herbeigeführt worden sein wird. Ich denke eher nicht, dass bei diesem Dreiklang die Umweltverträglichkeit tatsächlich höher sein wird, als das in der Gegenwart der Fall ist.

Sie werden dann sagen: Wir haben unser Ziel erreicht. - Aber wenn irgendwo auf dieser Welt oder in Europa wirklich etwas bei der Erzeugung von Strom aus Kernenergie passiert, dann wird es für Deutschland kein bisschen sicherer sein, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Erfreut hat mich hingegen die Antwort auf die Frage 107. Ich darf das zitieren:

„Die Senkung der Stromsteuer verringert die Stromkosten für einen privaten Haushalt zwar nur im geringen Umfang, führt aber dennoch zu einer Entlastung der privaten Stromabnehmer.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Verfasser dieser Zeilen hat ausdrücklich recht. Unterschrieben hat die Antwort auf unsere Fragen der Umweltminister und der stellvertretende Ministerpräsident, Stefan Wenzel. Nach den Aussagen des Ministerpräsidenten von vor einigen Wochen und Monaten, die Stromsteuer absenken zu wollen, ist es eine erfreuliche Entwicklung, dass sich eine Antwort, die aus einem Grünen-Haus erfolgt und unterschrieben wird, so positiv zur Absenkung der Stromsteuer bekennt.

Ich sage dazu nur eines. Wir haben einen entsprechenden Antrag in die parlamentarischen Beratungen eingebracht. Ich kann dieses Hohe Haus nur ermutigen, Ihren sozialdemokratischen Ministerpräsidenten und seinen grünen Stellvertreter da nicht im Regen stehen zu lassen, sondern unserem Antrag auf Absenkung der Stromsteuer zu folgen. Das ist nur ein kleiner Schritt, aber er entlastet dennoch sehr wohl die Verbraucherinnen und Verbraucher, die unter stark steigenden Strompreisen zu leiden haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Hocker.

Bevor ich für die Landesregierung Herrn Minister Wenzel das Wort erteile, möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass wir vereinbart hatten, Tagespunkte vorzuziehen, wenn zeitlicher Raum gegeben ist. Das werden wir tun. Im Anschluss an diese Besprechung werden wir noch vor der Mittagspause den Tagesordnungspunkt 23 und gemeinsam die Tagesordnungspunkte 24 und 25 beraten. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die es betrifft, sich darauf vorzubereiten.

Nun hat für die Landesregierung Herr Umweltminister Wenzel das Wort.

(Unruhe)

Ich darf alle Kolleginnen und Kollegen nochmals um Ruhe im Plenarsaal bitten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die vorliegende Anfrage umfasst eine Vielzahl von Fragen, die die Energieversorgung des Landes Niedersachsen betreffen, aber auch Aspekte der bundespolitischen Energieversorgung und auch europäische Themen angehen.

Mein Haus hat sehr intensiv über eine längere Zeit daran gearbeitet. Daher möchte ich an dieser Stelle zunächst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - Herr Bode, wenn Sie zuhören würden, wäre es ganz nett - ganz herzlich danken.

(Jörg Bode [FDP]: Ich musste mich mit Herrn Limburg wegen der Tages- ordnung austauschen!)

Es war wirklich eine große Leistung, diese Antworten auf diese Fragen zusammenzustellen. An der einen oder anderen Stelle werden sie auch zukünftig als Hilfe dienen können, um Daten und Tabellen nachzuschlagen, die Sie im Anhang finden.

Meine Damen und Herren, wenn wir in die Debatte über diese Große Anfrage einsteigen, dann gilt es, auch einen Blick über die Grenzen Niedersachsens hinaus zu werfen; denn wir sind weder in Deutschland noch in Europa allein. Ich lege Wert auf die Bemerkung, dass wir in Zukunft noch viel enger mit unseren Nachbarn in Deutschland, aber auch mit unseren Nachbarn jenseits unserer Grenzen zusammenarbeiten müssen; seien es die Niederlande, sei es Norwegen, oder seien es die Schweiz oder Österreich.

(Christian Dürr [FDP]: Polen!)

Insgesamt brauchen wir im Rahmen der Europäischen Union eine konsistente Energiepolitik. Wir brauchen gemeinsame Ziele auch mit Blick auf den Klimagipfel im Dezember in Paris.

Aber: Wenn man sich die technischen Voraussetzungen gerade bei den erneuerbaren Energien anguckt, dann kann man feststellen, dass gerade auch diese internationale Zusammenarbeit eine Stärke ist und zukünftig dazu führen kann, dass wir die Versorgungssicherheit noch einfacher gewährleisten sowie Preiswürdigkeit und gleichzeitig auch

Umweltfreundlichkeit garantieren können. Diese drei Themen in eine Balance zu bringen, ist die große Herausforderung. Das wird noch besser gelingen, wenn wir auch unsere europäischen Nachbarn mitnehmen können.

Wenn man über die Grenzen guckt, begegnen einem bemerkenswerte Zahlen und Zeichen, die man so vor einigen Jahren noch nicht erwartet hat. Der Norwegische Staatsfonds sagt z. B: Investitionen in Braunkohle und Kohle sind sogenannte Stranded Investments - also verlorene Investitionen -, und jeder Konzern, der daran noch festhält, muss befürchten, dass er in Zukunft bei der Refinanzierung enorme Schwierigkeiten haben wird. Die Bank of England haut in dieselbe Kerbe. Deswegen, meine Damen und Herren, vermisse ich in Ihrer Rede, Herr Dr. Hocker, eine klare Linie und einen roten Faden.

Sie haben beklagt, dass es beim Windkrafterlass zu schnell gehe. Ich möchte Sie bitten, sich noch einmal die Antwort auf die vorletzte oder die letzte Frage Ihrer Großen Anfrage anzusehen. Dort haben wir festgehalten, was sich Ihr Kollege Birkner hier noch im Februar 2012 vorgenommen hatte. Seinerzeit wollte er die Windkraftleistung auf Land von 6 700 MW bis 2020 auf 7 500 MW erhöhen;

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: 7 500? Wir sind jetzt schon bei 8 000!)

das allerdings völlig ohne Begleitung, ohne Unterstützung und ohne Beratung der Kommunen. Das einfach einmal so in die Welt gesetzt, aber offenbar alles vergessen, Herr Dr. Hocker. Oder wie passt das zu Ihren Aussagen von heute?

Ich jedenfalls kann Ihnen versichern, meine Damen und Herren: Wir wollen mit unseren Nachbarn zusammenarbeiten. Vor allem wollen wir auch unsere Bürgerinnen und Bürger mitnehmen.

(Glocke der Präsidentin)

Wir setzen darauf, die Akzeptanz für dieses Projekt Energiewende zu erhöhen, das ein Gemeinschaftsprojekt ist und nur dann gelingen wird, wenn wir uns mit möglichst vielen Akteuren zusammensetzen, die kritischen Punkte betrachten, immer wieder auch die Ziele neu justieren und zusehen, dass wir vorankommen.

Meine Damen und Herren, wir haben auch deshalb den Runden Tisch eingeladen - 50 Mitglieder aus allen gesellschaftlichen Bereichen -, weil wir genau diesen Dialog wollen, weil wir genau diese kritische Auseinandersetzung wollen. Ich kann Ihnen versi

chern: Ich habe in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Veranstaltungen mit Bürgerinitiativen durchgeführt. Gerade mein Haus hat immer wieder Wert darauf gelegt, solche Diskussionen zu führen. Das kann am Ende nur helfen, auch die eigenen Argumente immer wieder zu überprüfen und den richtigen Weg, den richtigen Kurs einzuschlagen.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Hocker zu?

Nein, ich möchte zu Ende ausführen.

Bitte!

Der Runde Tisch arbeitet an einem Leitbild für die Energieversorgung in Niedersachsen und wird auch die Arbeiten zu einem Klimaschutzgesetz und zu einem integrierten Energie- und Klimaschutzprogramm begleiten.

Meine Damen und Herren, wir haben die Landesklimaschutzagentur im April 2014 gegründet und schon eine ganze Reihe von Erfolgen erzielt. Die Bilanz kann sich sehen lassen. Wir setzen hier vor allem auch darauf, die Energieeinsparung und die Energieeffizienz voranzubringen. Es geht um die Energie, die man gar nicht erst produzieren muss, die man in Betrieben und in öffentlichen Verwaltungen oder in privaten Haushalten zum Wohle der Umwelt und zum Wohle des Geldbeutels schlicht und einfach einsparen kann.

(Glocke der Präsidentin)

Ich glaube, dort können wir noch viele Erfolge erzielen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vor allen Dingen wollen wir auch die Förderprogramme des Bundes optimal nutzen und unsere Bürgerinnen und Bürger unterstützen, weil es nämlich gilt, die Sanierungsquote gerade auch im Bereich der Wohnhäuser und der Gewerbeimmobilien zu erhöhen. Wir können hier noch deutlich höhere Einsparpotenziale erzielen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Wir sind da entschlossen; da sind wir dran. Das wollen wir. Auch hier befinden

wir uns in einem engen Dialog mit ganz vielen verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren, mit denen wir hier zusammenarbeiten wollen.