Protocol of the Session on March 18, 2015

Vielen Dank, Herr Bode, für die ausführliche Antwort. - Für die Landesregierung übernimmt nun der Wirtschaftsminister. Herr Minister Lies, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, Herr Bode hat es in seinen Ausführungen auf den Punkt gebracht: Es geht nicht um die Frage eines Werkvertrages. Es geht um die Frage des Missbrauchs von Werkverträgen.

(Ronald Schminke [SPD]: Genau!)

Es wird ein Instrument missbraucht. Dagegen muss Politik scharf vorgehen und entsprechende Rahmenbedingungen setzen.

Ich will auf die Frage von Herrn Toepffer nach dem „Warum eigentlich jetzt?“ eingehen und zunächst einmal seine zeitlichen Erinnerungen ein bisschen auffrischen, die mindestens sehr lückenhaft zu sein scheinen. Direkt nach der Regierungsübernahme haben wir gehandelt. Direkt nach der Regierungsübernahme im April war das erste Gespräch gemeinsam mit dem Landwirtschaftsminister Christian Meyer und den Vertretern der Fleischwirtschaft. Sofort haben wir gehandelt, und sofort haben wir die Rahmenbedingungen, die in der Möglichkeit einer Landesregierung liegen, umgesetzt. Das war unser sofortiges Handeln. Das werden wir auch weiterhin konsequent fortsetzen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Warum jetzt, meine Damen und Herren? - Weil wir jetzt in der Phase sind, dass die wichtigen und wesentlichen Entscheidungen in Berlin getroffen werden. Eine der Maßnahmen, die wir auf der Landesebene ergreifen konnten, war eine Bundesratsinitiative, die wir auf den Weg gebracht haben, weil gesetzliche Veränderungen zu den Themen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und Betriebsverfassungsgesetz und Anpassungen in der Frage, was ein Werkvertrag ist und was Arbeitnehmerüberlassung ist, natürlich nicht auf Landesebene geregelt werden können.

(Gabriela König [FDP]: Eben!)

- Ja eben, Frau König!

Ich will daran erinnern, dass das vor dem Regierungswechsel hier überhaupt keine der Regierungsfraktionen interessiert hat.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: So ist es!)

Sie haben es verleugnet.

(Widerspruch bei der FDP)

Sie haben keine Notwendigkeit für den Mindestlohn gesehen. Sie haben gesagt, die geringen Bezahlungen seien alles nur Ausnahmen. Sie haben gesagt, es gebe eigentlich kein Problem, das man lösen müsse.

(Petra Tiemann [SPD]: Es mag euch heute leid tun! Aber es war so!)

Genau diese Ignoranz hat mit dazu beigetragen, dass weder in Berlin gehandelt wurde noch dass man Zehntausenden von Menschen geholfen hat. Das ist die Wahrheit!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Maximilian Schmidt [SPD]: Das ist die Wahrheit! - Zuruf von Dirk Toepffer [CDU])

- Dann reicht es nicht aus, jetzt auf seine Koalitionsfreunde zu zeigen. Dann ist man auch selber in Verantwortung, Herr Toepffer. Ich glaube, da reicht der Blick in eine andere Richtung nicht.

Das muss sich dringend ändern. Das wird sich auch ändern. Wir hatten deswegen den Besuch von Bundeswirtschaftsminister Gabriel, mit dem ich in Essen bei Oldenburg war. Wir hatten den Besuch von Bundesarbeitsministerin Nahles, mit der ich in Papenburg bei der Meyer Werft war. Genau diese Dinge bringen wir auf den Weg. Warum gehört das jetzt hierher? - Weil wir am 6. März eine Entschließung in den Bundesrat eingebracht haben, die alle wesentlichen Punkte enthält, die jetzt geändert werden müssen, damit wir endlich handeln. Da ist der Appell an alle diejenigen, die hier als Erstes gesprochen haben, nämlich an Sie, Herr Toepffer, dafür zu sorgen, dass bei dem, was Sie hier auf den Punkt gebracht haben, auch gehandelt wird. Dabei dürfen nicht nur Worte fallen. Sie müssen das auch in Ihrer Partei in Berlin deutlich machen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Da sitzen die großen Verweigerer, die verhindern wollen, dass man den Menschen in unserem Land hilft.

(Dirk Toepffer [CDU]: Das ist in Berlin Ihr Ressort!)

- Aber die Mehrheit einer Koalition bestimmt sich leider nicht nur aus der Ressortzuständigkeit, sondern auch aus der Mehrheit im Parlament. Deswegen könnte ich mich freuen, wenn Sie die Mitglieder Ihrer Partei einmal daran erinnern würden.

Welchen Eindruck habe ich gewonnen? - Als wir im April 2013 das Gespräch gemeinsam mit Christian Meyer geführt haben, gab es eine Kernaussage der Unternehmen. Die haben gesagt: Wir würden ja gerne die Menschen einstellen. Aber das können wir ja nicht. In Rumänien und in Bulgarien gilt keine volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. - Sie gilt seit dem 3. Januar 2014. Aber es ist nicht ein Einziger eingestellt worden. Das heißt, es gibt überhaupt kein Interesse, dass die Unternehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Warum wollen sie es nicht? - Das ist recht deutlich beschrieben worden: Weil die Unternehmen dann Stundenlöhne bezahlen müssten. Bei einem Werkvertrag nutzen sie genau das Instrument aus, das ihnen gefällt. Sie können bei der Berechnung nämlich auf Stückzahlkosten gehen. Es ist ihnen völlig egal, wie lange diese Mitarbeiter arbeiten. Sie wollen sie ausbeuten und auspressen. Das müssen wir in unserem Land verhindern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir waren bei Danish Crown; das war ja auch nachzulesen. Fast 80 % der Mitarbeiter dort sind in Werkverträgen beschäftigt. Ich glaube, dass wir keinerlei Erklärung dafür brauchen, ob das sein muss oder sein darf. Ich glaube, es gibt hier bei keinem von uns auch nur ansatzweise - weder aus unserem Rechtsgefühl noch moralisch - eine Vorstellung, dass es in Ordnung sein kann, dass ein Betrieb 80 % seiner Beschäftigten in Werkverträgen hat.

(Glocke der Präsidentin)

Es muss unsere gemeinsame Anstrengung sein, das endlich abzubauen. Das darf nicht sein. Das passt nicht zu einem Industrie- und Wirtschaftsland wie Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben uns auch die Unterkünfte angesehen.

Ich will noch einmal kurz auf den Betrieb eingehen. Wir hatten auch die Chance, mit drei Mitarbeitern zu reden. Es waren drei Mitarbeiter, die man bewusst ausgesucht hatte und die gesagt haben: Herr Lies, wir würden alles tun, aber ungern direkt bei Danish Crown arbeiten. Es ist beim Werkvertragsunternehmen viel besser. - Ich glaube, man muss schon mächtig unter Druck stehen, wenn man in einer solchen Veranstaltung eine solche Aussage macht. Auch das ist die Realität. Das ging nicht nur den drei Mitarbeitern so. Das geht den anderen Zehntausend, die wir in unserem Land haben, auch so. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

Wir haben zur Frage der Unterkünfte, die man besser regulieren muss, viel auf den Weg gebracht. Wir waren in Essen in einem Gebäude, in dem kurz vorher Kontrollen durchgeführt worden waren. Die Zustände waren unerträglich.

2 000 Euro Gesamtmiete für ein Gebäude - Einfamilienhaus -, das man abreißen müsste. Das war der Sachstand.

(Glocke der Präsidentin)

Ich glaube, deswegen ist es richtig, dass wir noch einmal und stärker den Finger in die Wunde legen müssen, dass man sich nicht nur darauf verständigt, dass gemeinsame Kontrollen durchgeführt werden sollen, sondern dass man sie auch macht und dass es auch Konsequenzen für diejenigen gibt, die sich daran bereichern und damit Geld verdienen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

An der Stelle muss noch mehr Druck hinein. An der Stelle sind wir uns völlig einig.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Ihr wolltet das Gesetz doch nicht! - Dirk Toepffer [CDU]: Sie wollten doch keine gesetz- liche Regelung!)

Meine Damen und Herren, es ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die Dinge, die wir nicht in Niedersachsen regeln können, im Bund zu regeln. Deswegen ein klares Signal aus Niedersachsen: Schluss mit der Ausbeutung von Menschen, die in unserem Land arbeiten! Wir wollen die Menschen hier! Sie sollen in vernünftigen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Sie sollen aber nicht in Arbeitnehmer

überlassung arbeiten. Sie sollen in den Betrieben angestellt werden. Das ist Beschäftigungsstruktur in Deutschland, die wir auch weiterhin haben wollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister Lies, Herr Kollege Hilbers hatte um eine Frage gebeten. Lassen Sie sie zu?

Ja.

Bitte, Herr Kollege!

Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie hier die Wohnungs- und Unterbringungssituation angesprochen haben, frage ich Sie, warum Sie dann maßgeblich dazu beigetragen haben, dass hier im Parlament ein Gesetzentwurf von uns abgelehnt worden ist, der die Wohnunterbringung eindeutig und dezidiert geregelt hätte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dirk Toepffer [CDU]: Genau!)

Bitte, Herr Minister!

Herr Hilbers, die Wohnunterbringung ist eindeutig geregelt, und zwar mit dem Erlass, den wir auf den Weg gebracht haben. Daran gibt es überhaupt keine Zweifel.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Renate Geuter [SPD]: Und in Absprache mit den Kommu- nen!)

Es ist auch mit den Kommunen klar abgesprochen, wie wir damit umgehen. Deswegen ist das keine Erkenntnis, die wir gewonnen haben, sondern ein Finger, den wir in die Wunde legen, dass man erwarten muss - übrigens völlig losgelöst davon, ob es gesetzlich oder per Erlass geregelt ist -, dass die Kontrollen so durchgeführt werden, dass am Ende auch Sanktionen erfolgen. Ich will keinen Schwarzen Peter zuweisen und meine, dass es

dazu gemeinsamen Handlungsdruck gibt, der aber nichts mit der Frage einer gesetzlichen Regelung, sondern mit der Frage der Umsetzung zu tun hat, meine Damen und Herren.