Protocol of the Session on April 18, 2013

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen. Er hat auch festgelegt, dass es keine Berichterstattung gibt.

Für die Antragsteller liegt eine Wortmeldung des Kollegen Christos Pantazis von der SPD-Fraktion vor, dem ich das Wort erteile.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Jahr 2006 war nicht nur das Niedersächsische Jahr der Jugend, ein auf einen einstimmigen Parlamentsbeschluss zurückgehendes Vorhaben, sondern auch das Jahr der Föderalismusreform. Dieses im Juni und Juli 2006 vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit beschlossene Gesetzeswerk ermöglichte es u. a. den Bundes

ländern, zum 1. September 2006 ihre Behörden abweichend vom Bundesrecht zu organisieren.

Welche Auswirkungen diese Reform auf die bundesgesetzlich verankerten Beteiligungsrechte der freien Träger bei der Durchführung und Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe in Niedersachsen haben würde, ahnten selbst die davon Betroffenen zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht. Denn diesen neuen Spielraum nutzten die damalige schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident Wulff sowie Jugend- und Sozialministerin Ross-Luttmann und beschlossen als erstes und einziges Bundesland bereits am 24. Oktober 2006 eine vom Bundesgesetz abweichende - ich zitiere - „Umstrukturierung der Aufgaben und Auflösung des Landesjugendamtes“. Dieser Kabinettsbeschluss beinhaltete letztlich die komplette Auflösung des niedersächsischen Landesjugendhilfeausschusses.

Als Teil des Jugendamtes und somit Bestandteil der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe war dieser gemäß § 71 SGB VIII mit allen Angelegenheiten der Jugendhilfe, insbesondere mit der Erörterung aktueller Problemlagen junger Menschen, sowie mit Anregungen und Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe betraut. Aber nicht nur das. Er hatte gemäß § 71 SGB VIII vielmehr auch Beschlussrecht in allen grundsätzlichen Angelegenheiten der Jugendhilfe sowie ferner Anhörungs- und Antragsrechte gegenüber der Vertretungskörperschaft.

In diesem verantwortlichen Zusammenspiel von engagierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Fachkräften der Jugendhilfe ist die in der deutschen Verwaltungsstruktur beispiellose Zweigliedrigkeit der Behörde Jugendamt begründet, die übrigens auch Niederschlag in der Begründung zu dem Gesetzentwurf der damaligen Bundesregierung fand, übrigens eine christlich-liberale Bundesregierung.

Aber wenn wir schon bei der Begrifflichkeit „beispiellos“ sind: Meine Damen und Herren, beispiellos, und zwar im negativen Sinne, war allerdings auch das Verhalten der damaligen Landesregierung unter Ministerpräsident Wulff. Konfrontiert mit der massiven Ablehnung durch Fachleute und Praktiker wie den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, den Initiativen aus dem Kitabereich, den Jugendverbänden, dem Landesjugendring und der Jugendsozialarbeit entzog sich diese der öffentlichen und fachlichen Debatte, indem sie die Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Kin

der- und Jugendhilfegesetzes im Eiltempo und am üblichen Gesetzgebungsverfahren vorbei mithilfe des Haushaltsbegleitgesetzes 2007 förmlich durch das Parlament peitschte.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Mit diesem ungeheuerlichen Vorgehen entwertete die damalige Landesregierung unter Wulff zugleich gänzlich die Ziele des einstimmigen Parlamentsbeschlusses zum Niedersächsischen Jahr der Jugend 2006 und fügte mit der bereits beschriebenen Vorgehensweise dem Ansehen dieses Hauses auch Schaden zu.

(Beifall bei der SPD)

Nicht nur im Landtag, sondern wie bereits erwähnt auch in der Fachwelt und insbesondere in der Praxis der Jugendhilfe stieß die Abschaffung bzw. Neustrukturierung auf massive Ablehnung. Denn als Surrogat des Landesjugendhilfeausschusses wurde seitens der damaligen Landesregierung ein lediglich mit Beratungsfunktionen ausgestatteter Beirat implementiert, kurzum ein Abnickgremium, welches vom Wohlwollen der Landesregierung vollständig abhängig war und ist.

Letztlich lässt sich festhalten, dass die insbesondere von der Fachwelt prognostizierten Folgen - wie erstens die Zerschlagung der einheitlichen Kinder- und Jugendhilfe, zweitens die Aushöhlung der demokratischen Mitbestimmung von Betroffenen und Trägern und drittens die Zersplitterung der Verantwortlichkeiten durch die Kommunalisierung - Ausdruck und leider auch Realität dieses jugendpolitischen Irrwegs sind.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es freut mich außerordentlich, dass mit dem rot-grünen Wahlsieg vom 20. Januar dieses Jahres dieser jugendpolitische Irrweg endlich ein Ende gefunden hat. Und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In der zwischen den Regierungsparteien getroffenen Koalitionsvereinbarung „Erneuerung und Zusammenhalt“ bekennen wir uns daher eindeutig zur besonderen Verantwortung des Landes für eine aktive niedersächsische Kinder- und Jugendpolitik und zollen dem Engagement der Freien Träger der Jugendhilfe höchsten Respekt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund bitten wir die Landesregierung, zur Wiedereinrichtung des Landesjugendhilfeausschusses kurzfristig einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes vorzulegen.

Meine Damen und Herren, im Sinne der Kinder und der Jugend in Niedersachsen wollen wir es endlich anpacken und besser machen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich darf auch Ihnen, Herr Kollege Pantazis, zu Ihrem Redeeinstand im Niedersächsischen Landtag gratulieren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich darf jetzt das Wort der Kollegin Sylvia Bruns aus der FDP-Fraktion erteilen. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Leider ist das Thema, das wir jetzt zum zweiten Mal debattieren, für die rot-grüne Regierungskoalition kein Thema mehr. Sie haben einfach beschlossen, den Landesjugendhilfeausschuss wieder einzusetzen. Ich möchte an dieser Stelle meine Ausführungen vom letzten Mal ergänzen und insbesondere an Ihre Vernunft appellieren.

Sehr verehrte Damen und Herren, woher kommt denn das Geld für den Landesjugendhilfeausschuss? - Diese Frage stellt sich uns in vielen Bereichen seit dem Regierungswechsel, auch bei der geplanten Wiedereinrichtung des Landesjugendhilfeausschusses. Woher kommt das Geld?

Nicht nur, dass die rot-grünen Mehrheitsfraktionen diese Frage in der Regel überhaupt nicht beantworten können, dieses Mal können sie noch nicht einmal beantworten, wie viel Geld sie denn für den Landesjugendhilfeausschuss brauchen. Auch kann nicht beantwortet werden, wie die Struktur des Ausschusses aussehen soll. Es ist zum Beispiel völlig unklar, ob mit der Einsetzung eines Landesjugendhilfeausschusses auch ein Landesjugendamt wieder eingerichtet werden muss und werden soll.

Anrede. Es wird heute folglich etwas zur Abstimmung gestellt - - - Das war lustig, nicht? Habe ich eben auch gedacht. „Anrede“, ich dachte, das merkt keiner.

(Zurufe von der CDU)

Es wird folglich irgendetwas zur Abstimmung gestellt, von dem man weder die Kosten noch die Strukturen kennt noch überhaupt weiß, wie das Ding aussehen soll. Dies wird mit dem Anspruch verbunden, dass - ich muss das einfach noch einmal zitieren - die Fachlichkeit in die Kinder- und Jugendarbeit zurückkehren soll.

(Norbert Böhlke [CDU]: Beifall!)

Die von Ihnen geforderte Fachlichkeit vermisse ich schon jetzt in dem Ablauf bzw. in der Art der Beschlussfassung. - „Beifall“ stand nicht da. Oder stand das bei Ihnen?

(Jens Nacke [CDU]: Das stand bei uns! Stürmischer Beifall!)

Es versteht sich nach der Vorrede von selbst, dass wir diesem Antrag auf keinen Fall zustimmen können und den Landesjugendhilfeausschuss nicht möchten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat der Kollege Volker Meyer für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Überschrift des Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, schreiben Sie: „Politik gemeinsam mit der Fachwelt“. Wie diese Politik dann in den Beratungen aussieht, haben Sie eindrucksvoll in den Ausschussberatungen bewiesen.

Sie haben sich einer inhaltlichen und sachlichen Diskussion zur Wahrnehmung der Aufgaben der Jugendhilfe durch den überörtlichen Träger auch mit der Fachwelt verweigert und herausgestellt - wie auch eben immer wieder betont -, mit der Wiedereinrichtung des Landesjugendhilfeausschusses geht es Ihnen lediglich um die Wiederherstellung von Mitbestimmungsrechten.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE)

Über die Aufgaben und die Arbeit dieses Gremiums haben Sie kein Wort verloren.

(Beifall bei der CDU)

Auch der von Ihnen immer wieder erhobene Vorwurf, mit der Abschaffung des Landesjugendhilfeausschusses seien Mitbestimmungsrechte der Träger der öffentlichen und der anerkannten Träger der freien Jugendhilfe ausgeschaltet worden, ist schlicht falsch. Durch die Einrichtung des Landesbeirates wurde die Fachlichkeit berücksichtigt und in die praktische Jugendarbeit einbezogen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Wo?)

- Überall.

Meine Damen und Herren, gerade unsere Kollegen von den Grünen haben in den vorangegangenen Diskussionen strukturelle Entscheidungen als inhaltsschwer bezeichnet.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Völlig richtig!)

Aber Sie selbst waren es, die während der Koalitionsverhandlungen immer wieder betont haben: Bevor wir über Strukturen reden, reden wir über Aufgaben und über Inhalte.

Und was machen Sie heute? - Sie verweigern sich einer Diskussion über die Aufgaben des Landesjugendhilfeausschusses.