Protocol of the Session on February 20, 2015

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weder am 22. Januar hier im Plenum noch am 2. Februar im Umweltausschuss noch am 12. Februar im Sozialausschuss noch vorgestern noch gestern haben Sie uns die Zahlen mitgeteilt, die Sie uns hätten mitteilen können. Sie haben uns nicht darüber informiert, welche Flüssigkeiten am Tag der Explosion auf dem Gelände vorhanden waren.

Ich stelle mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Frau Ministerin, die Frage, warum Sie

das nicht getan haben. Ich stelle mir die Frage, wen oder was Sie damit schützen wollten.

(Unruhe bei der SPD)

Dabei hätten wir das, was Sie hier heute Morgen vorgetragen haben - nach einer längeren Nachtsitzung, wie ich gehört habe; das Sozialministerium musste eine Nachtschicht einlegen -, eigentlich längst erfahren können. Denn es gibt eine E-Mail vom 16. September 2014, geschrieben morgens um 7.34 Uhr, aus dem Polizeikommissariat Osterholz. Diese E-Mail ist gegangen an die Gewerbeaufsicht in Cuxhaven, an den Landkreis Osterholz, an die Gemeinde Ritterhude, an die Berufsgenossenschaft und das Unternehmen. Ich könnte Ihnen nun sagen, an wen speziell; aber das lasse ich einmal weg, weil das nicht sachdienlich ist. In dieser E-Mail heißt es:

„Betreff: Tankbelegungspläne

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich hatte gestern über den Kreisbrandmeister die Tankbelegungspläne angefordert und heute erhalten:

Als Anlage beigefügt die Tankbelegungspläne für Dienstag,“

- hier muss man aufpassen, weil das wohl ein Tippfehler ist; in der E-Mail steht „für Dienstag, 09.06.2014“, aber aus dem Anhang geht dann hervor, dass es der 9. September 2014 war -

„Altware und Frischware. Ich hoffe, dass alle die Anlage öffnen können. (die Anschrift der Berufsgenossenschaft könnte falsch sein?)

Mit freundlichen Grüßen“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich stelle fest: Eine Woche nach dem Unglück waren Tankbelegungspläne bekannt, die der Kreisbrandmeister, der in der Meldekette direkt diesem Innenminister untersteht, angefordert hatte und die er auch bekommen hatte. Und da stellt sich Frau Ministerin Rundt hier gestern und auch heute Morgen hin und fabuliert von Zeitungswissen, von irgendwelchen Zahlen, die man irgendwo gehört habe! Dabei lag das alles vor.

Ich wiederhole das, was ich gestern gesagt habe: Ich fühle mich in meinen Auskunftsrechten verletzt. Frau Ministerin Rundt, Herr Minister Wenzel, Herr Minister Pistorius, Sie hätten diese Daten längst nennen können. Aber Sie haben es nicht getan.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Schlichte Pflichtverletzung! Das ist Absicht! Das ist doch klar!)

Jetzt weiß ich auch, warum in dem 28-seitigen Bericht, den Minister Wenzel am 2. Februar vorgelegt hat, dem Thema Tanklager nur ganze zehn dürre Zeilen gewidmet wurden. Vermutlich hätte die Information darüber, dass diese Daten vorlagen, den ganzen Auftritt des Ministers, den wir hier vor einem Monat erlebt haben, ad absurdum geführt.

Ich will einen zweiten Punkt hinzufügen. Ich sage Ihnen deutlich: Auch bei diesem Punkt bin ich mit der Antwort, die ich bislang erhalten habe, nicht zufrieden. - Es geht um das Thema „Übermittlung der Emissionsdaten“. Ich hatte im Ausschuss danach gefragt, wie die Emissionswerte am Tag der Explosion waren. Mir ist erzählt worden, die könne man nicht liefern, weil das alles explodiert sei.

Ich habe heute Nacht einmal die Gelegenheit genutzt, ganz tief im Internet zu stöbern. Wenn man das tut, dann kann man alte Internetseiten der Firma Organo-Fluid finden. Dort heißt es:

„Die vom Emissionsrechner kontinuierlich erfassten Emissionsdaten der Verbrennungsanlagen werden gemäß den gesetzlichen Vorgaben online an die zuständigen Behörden übermittelt.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich vermute, dass diese Daten vorliegen und auch übermittelt wurden.

(Zurufe von der SPD: Das sind Ver- mutungen!)

Deshalb frage ich Sie an dieser Stelle noch einmal: Was ist am Tag der Explosion gemessen worden? Bis wann hat die Gewerbeaufsicht in Cuxhaven, Hannover, Hildesheim die Daten bekommen, und wann wurden diese Daten abgerufen? - Auch an dieser Stelle haben Sie uns bislang nicht umfassend informiert.

Ich stelle fest: Die Auskunftsrechte der Abgeordneten in diesem Parlament werden von dieser Regierung mit Füßen getreten.

Vielen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Mir liegen Wortmeldungen von Herrn Bode und von Herrn Tonne - in dieser Reihenfolge - vor. Soll es nach der Reihenfolge gehen oder nach dem Reißverschlussprinzip?

(Jörg Bode [FDP]: Das entscheidet das Präsidium!)

- Herr Tonne, bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Namen meiner Fraktion sage ich recht herzlichen Dank für die erneute Unterrichtung, aber auch dank für die Unterrichtung und Information im Laufe dieser Plenarwoche

(Christian Dürr [FDP]: Durch Herrn Bäumer, meint er!)

wie auch in den entsprechenden Fachausschüssen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Das hat Herr Bäumer gut gemacht! Das stimmt! Ich habe Herrn Bäumer auch schon in Ihrem Namen gedankt!)

- Zu Herrn Bäumer komme ich gleich.

Die Unterrichtungen haben eines sehr deutlich gemacht: Der gesamte Vorgang um die OrganoFluid GmbH ist hochkomplex. Wir sind alle gut beraten, uns von vorschnellen und übereilten Schlussfolgerungen fernzuhalten.

(Christian Dürr [FDP]: Es ist immer die gleichen Standardreden, die gleichen Redebeiträge! Es ist alles sehr kom- plex, und wir sind sehr langsam!)

Deswegen bin ich der Landesregierung besonders dafür dankbar, dass sie in ihren Unterrichtungen auf Vermutungen verzichtet hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, seit Monaten laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Wenn es gesicherte, offenkundige und einfach zu klärende Erkenntnisse geben würde, dann wären die Ermittlungen schon beendet. Aber das ist ganz offensichtlich eben nicht so einfach. Angesichts der tragischen Ereignisse, vor dem Hintergrund eines Todesfalles, vor dem Hintergrund von Verletzten in

Ritterhude muss ohne Wenn und Aber gelten, dass Gründlichkeit in der Aufklärung vor Schnelligkeit geht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Eine ganz starke Verteidigung!)

Ich sage auch: Strafrechtliche Ermittlungen müssen Vorrang vor der Nachbereitung verwaltungsrechtlicher Vorgänge haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Hillmer [CDU]: Auch Vorrang vor der Information des Par- laments?)

Die Unterrichtungen dieser Woche und die Dringliche Anfrage gestern haben auch deutlich gemacht: Gegen den Chef der Staatskanzlei, Herrn Dr. Mielke, gibt es keine Ermittlungen

(Zuruf von der CDU. Warten Sie ab!)

und damit nicht einmal einen Anfangsverdacht. Darüber hinaus hat Frau Ministerin Rundt gestern auf Nachfrage noch einmal erläutert, dass die Dichte der Überwachung durch den Landkreis bei dieser Firma eher höher als durchschnittlich war.

(Christian Grascha [FDP]: Aber das wissen Sie schon!)

Auch die eben noch einmal dargestellte Situation und die in der Öffentlichkeit kursierenden Zahlen machen doch eines ganz deutlich: Es geht eben nicht an, dass man sich hier ans Mikro stellt, eben mal ein paar Zahlen in den Raum schmeißt und dann sagt, das wäre doch alles ganz einfach zu recherchieren. - Meine Damen und Herren, die Wahrheit ist offensichtlich dann doch komplizierter.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es hilft uns allen nicht weiter, wenn wir hier mit unterschiedlichen Zahlen, mit widersprüchlichen Daten versorgt werden. Eine vernünftige Datengrundlage fehlt. Dieser Vorgang muss und wird ausermittelt werden und war bisher noch nicht zu klären. Ich finde, wir sind gut beraten, die Staatsanwaltschaft hier ihre Arbeit machen zu lassen. Herr Kollege Bäumer, im Unterschied zu Ihnen stelle ich fest: Nichts ist klar, an Zahlen, bisher.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)