Protocol of the Session on January 22, 2015

- Bevor wir beginnen, möchte ich alle im Plenarsaal um Ruhe bitten. - Vielen Dank. - Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Erneuerbare-Energien-Gesetz war und ist das zentrale Instrument für die Entwicklung einer innovativen, leistungsfähigen und nachhaltigen Industrie. Allein die Windenergiebranche in Niedersachsen sichert mittlerweile 32 000 Arbeitsplätze vor allem im Mittelstand. Das EEG hat zugleich auch die Grundlagen für den Aufbau einer dezentralen und klimaverträglichen Stromversorgung in Bürgerhand geschaffen. Durch die nun geplante Umstellung auf das Ausschreibungsmodell für Erneuerbare-Energien-Anlagen allerdings ist diese Erfolgsgeschichte in akuter Gefahr. Das können wir nicht wollen.

Meine Damen und Herren, in der Tat ist der Ausbau der Erneuerbaren auch strukturpolitisch eine gute Sache. So war die Stromversorgung lange weitgehend in der Hand der vier großen Konzerne. Sie allein bestimmten die Energiepolitik im Land. Das Land war aufgeteilt in Regionalmonopole. Kommunale Stadtwerke dienten allenfalls als Weiterverkäufer oder Nischenproduzenten. Das hat sich in den letzten 15 Jahren dank EEG komplett geändert. Im ganzen Land wurden Energiegenossenschaften und sogar neue Stadtwerke gegründet, wurden Bürgerwindparks errichtet, bekamen Landwirte eine neue Perspektive.

Die Wertschöpfung aus Strom verteilt sich nun im ganzen Land. Auch strukturschwache Räume bekommen so eine Chance. Rund die Hälfte des grünen Stroms ist sogenannte Bürgerenergie. Nur 12 % werden von den klassischen Versorgern erzeugt. Zu Recht spricht man auch von einer Demokratisierung der Energieversorgung.

Im letzten Sommer wurden mit der Reform des EEG die Rahmenbedingungen für den Ökostromausbau erheblich geändert. Wir Grüne hätten dabei gern auf so manche Zumutung verzichtet, etwa auf die sogenannte Sonnensteuer oder die atmenden Deckel auf Wind, Sonne und Biomasse. Diese Maßnahmen bremsen die Energiewende nachweislich aus. Der Blick auf die jüngsten Entwicklungen lässt Schlimmes befürchten. Der Ausbau bei der Photovoltaik bleibt schon jetzt hinter den Zielen der Bundesregierung zurück, und der Biogasmarkt ist gleich ganz zusammengebrochen. Das muss die Bundesregierung verantworten.

Besonders problematisch ist jedoch der Ausschreibungszwang. Ab 2017 sollen nun neue Erneuerbare-Energien-Projekte nur noch über staatliche Ausschreibungen von Mengenkontingenten gefördert werden.

Meine Damen und Herren, die langwierige Debatte um die EEG-Reform hatte die Branche tief verunsichert. Inzwischen sind die Auftragsbücher der heimischen Anbieter wieder gut gefüllt, leider aber nur bis 2017. Der Markt reagiert auf den drohenden Ausschreibungszwang mit großer Verunsicherung; denn die Ausgestaltung ist nach wie vor unklar. Insbesondere die vielen kleinen Investoren sind in Sorge. Das darf so nicht bleiben. Die grundsätzliche Zielsetzung der Kostenreduktion wird ja auch von uns begrüßt. Zudem fordert ebenfalls die EU Ausschreibungen, wenn auch nur für größere Erzeugungsmengen.

Wir sollten aus den Erfahrungen anderer Länder lernen. Großbritannien hat die Ausschreibungen bereits wieder abgeschafft. Dort sind die Förderkosten für Erneuerbare nicht gesunken. Dafür brach aber der Ausbau ein, und kleinere Akteure zogen sich vom Markt zurück.

Meine Damen und Herren, wir müssen dafür Sorge tragen, die Ausschreibungsbedingungen transparent und diskriminierungsfrei zu gestalten. Auch kleine Marktteilnehmer müssen weiterhin faire Chancen haben. Die Spielräume, die die EU lässt, um kleine Erzeugungsmengen von der Ausschreibung auszunehmen, sollten auch genutzt werden.

Nun könnte man versucht sein, der Weisheit der Großen Koalition zu vertrauen. Auf Bundesebene wird im Moment die erste Pilotausschreibung für Freiflächenphotovoltaik vorbereitet. Dabei bestätigen sich leider die Befürchtungen. Die Ausschreibung droht ein bürokratisches Monster zu werden. Allein der Verordnungsentwurf für das Pilotprojekt hat schon jetzt über 100 Seiten. Und: Das Modell sieht weder Ausnahmen noch explizite Förderquoten für kleinere Akteure vor, obwohl das in der Verbändeanhörung allenthalben gefordert wurde.

Bevor also nun die Ausschreibungspflicht für alle regenerativen Energien eingeführt wird, müssen zunächst die Ergebnisse dieser Pilotphase kritisch ausgewertet werden: Sinken die Gesamtkosten tatsächlich? Welche Akteure kommen zum Zug? Wird die gewünschte Zubaumenge erreicht?

Meine Damen und Herren, die Ausschreibungspflicht gefährdet auch die Unterstützung durch die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land; denn regenerative Energieprojekte bedeuten stets auch Belastungen z. B. für das Landschaftsbild oder das Wohnumfeld. Dem stehen bislang neue wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten gegenüber. Finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten sichern die Akzeptanz in der Region, weil der unmittelbare Nutzen erfahrbar wird.

Es muss uns darum gehen, dass kleine und lokale Akteure nicht gezielt aus dem Markt gedrängt werden. Hier muss dringend nachgebessert werden; denn die Bürgerenergie ist das Herz der Energiewende. Mit ihr steht und fällt auch die gesellschaftliche Unterstützung. Den alten Strommonopolisten darf jetzt nicht wieder der rote Teppich ausgerollt werden. Diese haben das Thema jahrelang verschlafen. Es kann nicht sein, dass sie jetzt über das Ausschreibungsmodell wieder in Vorhand kommen.

Ich freue mich auf eine konstruktive Debatte im Ausschuss und hoffe, dass Sie unser Anliegen unterstützen.

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bajus. - Für die FDPFraktion hat nun Herr Dr. Hocker das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde vor 15 Jahren eingeführt. Jährlich werden durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz und

durch die Ökostromumlage mehr als 25 Milliarden Euro umverteilt, ohne dass ein Parlament in irgendeiner Weise ein Mitspracherecht hätte.

Diejenigen, die es sich leisten können, sich eine Photovoltaikanlage aufs Dach zu schrauben, tun das. Die können sich zurücklehnen und sich darüber freuen, dass jede erzeugte Kilowattstunde Strom über 20 Jahre zu einem garantierten Preis abgenommen wird. Die Zeche dafür zahlen all diejenigen, die nicht Stromerzeuger, sondern nur Stromkunden sind, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Früher war die SPD das soziale Gewissen dieses Landes. Mittlerweile unterstützt sie mit den Grünen Anträge, die 25 Milliarden Euro per annum umverteilen, und zwar nur in eine Richtung, nämlich von unten nach oben. Sie sollten sich wirklich fragen, was aus dem sozialen Gewissen, das Sie seinerzeit verkörpern wollten, geworden ist.

(Zustimmung von Jörg Bode [FDP])

Sie singen hier - Herr Kollege Bajus, das habe ich eben sehr aufmerksam verfolgen dürfen - das Hohelied auf die sogenannte Akteursvielfalt bei der Energiewende. Ich möchte Ihnen nur zwei Gedanken dazu mit auf den Weg geben.

Ich fühle mich immer so ein bisschen belustigt, wenn ich höre, dass es diese Energiegenossenschaften gibt, die sich damit brüsten, dass 100 % ihrer eigenen Stromversorgung von ihnen selbst, durch die eigene Erzeugung von Strom sichergestellt werden können. Das hört sich toll an. Aber ich glaube, der Teufel steckt auch hier, wie so häufig, im Detail.

Wenn man nämlich ein bisschen genauer hinguckt, Herr Kollege Bajus, dann sind solche Energiegenossenschaften wohl in der Lage, absolut über das Jahr gesehen, so viele Kilowattstunden Strom zu erzeugen, wie sie benötigen, aber eben nicht zu dem logischen Zeitpunkt, zu dem der Strom benötigt wird. An 300 Tagen des Jahres ist man in der Lage, seinen Strombedarf selbst durch eigene Erzeugung zu decken. Aber was passiert während der anderen 65 Tage? - An diesen Tagen ist man sehr wohl auf eine Stromzufuhr von außen und auf Netzverbindungen nach außen angewiesen.

Autarkie, Herr Kollege Bajus, ist in meinen Augen etwas völlig anderes. Es wird den Menschen sehr wohl Sand in die Augen gestreut, wenn man von Energieautarkie spricht; denn das Gegenteil ist der Fall. In meinen Augen ist das, was da immer behauptet wird, Volksverdummung.

(Zustimmung bei der FDP)

Ein zweiter Punkt: Es gibt nur einen einzigen Grund dafür, dass diese Akteursvielfalt, von der Sie sprechen, so dramatisch zugenommen hat. Es gibt so viele Akteure, weil die Leistungen für jede Kilowattstunde Strom garantiert sind, weil über den Bedarf hinaus produziert wird und deswegen auch mehr zum Verteilen da ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Volkswirtschaftlich ist das kompletter Unsinn, weil der Preis mittlerweile überhaupt keine Lenkungsfunktion mehr besitzt, sondern es sich lohnt, munter Strom zu erzeugen, ohne dass irgendjemand diesen Strom braucht.

Herr Kollege Bajus, ich kann verstehen, dass es bei Ihrer Klientel gut ankommt, wenn Sie von Akteursvielfalt zu sprechen, aber volkswirtschaftlich gehört das wirklich in die Mottenkiste.

(Beifall bei der FDP)

Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz wird volkswirtschaftlich jeden Tag Geld verbrannt. Einige wenige profitieren davon, aber die große Mehrheit zahlt. Es gehört abgeschafft und nicht auch noch mit dem Hinweis auf seine vermeintlich positiven Effekte gelobt. Das ist die Wahrheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die SPD-Fraktion rufe ich Herrn Kollegen Becker auf. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Dr. Hocker, ich wundere mich immer über Ihre Beiträge zu diesem Thema. Es ist ja wiederkehrend so, dass Sie immer dann an das soziale Gewissen appellieren, wenn nicht Großenergieerzeuger an großen

Strom-, Kohle- oder Atomkraftwerken Geld verdienen, sondern wenn wirtschaftliche Gewinne durch Kleinerzeuger gemacht werden.

Ich glaube, wenn die FDP an dieser Stelle vorgibt, ihr soziales Gewissen zu entdeckten, ist das nicht mehr als pure Heuchelei.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen ist das Energieland Nummer eins, und der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtstromverbrauch liegt in Niedersachsen mit 42 % mittlerweile weit über dem Bundesdurchschnitt. Die Windenergie hat daran mit 56 % einen überragenden Anteil.

Damit hat die Windenergieerzeugung nicht nur eine klimarelevante, sondern auch eine enorme strukturpolitische und eine wirtschaftspolitische Bedeutung für Niedersachsen, und Niedersachsen kann auch in Zukunft weiter auf die Stromerzeugung aus Windenergie setzen, gerade im Hinblick auf die großen Potenziale, die wir hier bei uns haben.

Die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen erstrecken sich natürlich auch auf den Arbeitsmarkt. Im Jahr 2013 waren rund 55 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Niedersachsen in der Erneuerbare-Energien-Branche tätig und nach Branchenstudien des BWE allein 31 190 im Bereich der Windenergie. Das, meine Damen und Herren, verdanken wir nicht nur den kräftigen Windströmungen im Binnen- und Küstenland, sondern das verdanken wir vor allem den kleinen Akteuren, den kleinen Stadtwerken und den Genossenschaftsmodellen, die als Investoren und Betreiber von Windparks für diesen fulminanten Ausbau bei uns gesorgt haben.

Mindestens für Niedersachsen können wir also feststellen, Herr Dr. Hocker, dass das EEG mit seinen wesentlichen Förderprinzipien, dem Einspeisevorrang für Erneuerbare und der festen Einspeisevergütung, zu der Dynamik dieses Ausbaus enorm beigetragen hat.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Da sind wir uns einig!)

Im niedersächsischen Interesse sollte also genau abgewogen werden, wie schnell wir uns von diesem Erfolgsmodell für den Ausbau der erneuerbaren Energien verabschieden wollen; denn die Zweifel, ob der Ausbau erneuerbarer Energien auch mit Ausschreibungsmodellen gelingen kann, sind mehr als berechtigt.

Nach den neuen Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen der Europäischen

Kommission soll ab 2017 die Förderung erneuerbarer Energien in der EU ab einer gewissen Projektgröße auf der Basis von Ausschreibungen erfolgen.

Herr Kollege Becker, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Hocker zu?

Ja, bitte!

Bitte!

Vielen Dank, dass ich diese Zwischenfrage stellen darf. - Ich möchte gerne von Ihnen erfahren, wie Sie es bewerten, dass Ihr Bundeswirtschaftsminister und Parteivorsitzender vor wenigen Wochen angekündigt hat, bei den erneuerbaren Energien eine stärkere Degression einzuführen, und dass er zum Jahr 2017 auch die Direktvermarktung verbindlich vorschreiben will. Wie bewerten Sie das?