Protocol of the Session on January 20, 2015

bis 2020 laufen. Aber wir alle wissen: Es kam ganz anders.

Infolge der Debatte um die Nuklearkatastrophe von Fukushima und nach der Entscheidung der schwarz-gelben Bundesregierung im März 2011 wurde für ältere Kernkraftwerke ein dreimonatiges Atom-Moratorium beschlossen; dazu gehörte auch das AKW Unterweser. Im März 2011 wurde das AKW nach dem Herunterfahren vom Netz genommen. Der Betreiber, E.ON Kernkraft, war zuvor von der Niedersächsischen Landesregierung dazu angewiesen wurden.

Ende Mai 2011 wurde von den Umweltministern der Länder und des Bundes beschlossen, das Kernkraftwerk Unterweser dauerhaft stillzulegen, was im Juni 2011 auch geschehen ist. Auf diesen Zeitraum bezieht sich nun die Klage.

Es sei in diesem Zusammenhang die Frage erlaubt, ob es nicht möglicherweise auch einen Schriftwechsel zwischen dem damaligen niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander oder möglicherweise sogar dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten David

McAllister und dem Vorstandsvorsitzenden Johannes Teyssen, Chef von E.ON Kernkraft und Betreiber des AKW Unterweser, gegeben hat.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Interessan- te Frage!)

Diese Frage sollte an dieser Stelle auch einmal genauer beleuchtet werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Und wenn es diesen Schriftwechsel gegeben hat: Was stand darin?

(Christian Grascha [FDP]: Gucken Sie doch in die Akten! Ihr regiert doch!)

Zur Erinnerung: Ab Mai 2011 war Philipp Rösler - im Übrigen auch ein Niedersachse - Bundeswirtschaftsminister mit den besten Verbindungen nach Niedersachsen.

Der Bericht von „Monitor“ kann durchaus als Beleg dafür gewertet werden, dass der hessische Ministerpräsident und möglicherweise auch andere - möglicherweise - tiefer in diesen Sumpf verstrickt sind, als bisher bekannt.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Wer hat das denn aufgeschrieben?)

Herr Bosse, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen - - -

Moment, bitte! Ich habe noch gar nicht den Namen gesagt.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Moment, bitte! - Keine Zwischenfragen im Moment - Sie haben das Wort. Bitte schön!

Ungeheuerlich ist auch die Information, wonach der Brief Bouffiers von RWE sogar beim damaligen Kanzleramtsminister Pofalla bestellt worden sei. Wenn bei dieser möglichen Kungelei tatsächlich der hessische Ministerpräsident und auch Herr Pofalla ihre Finger im Spiel hatten, dann wäre das ein Politthriller aller ersten Güte.

Mit dem persönlichen Brief an den RWE-Vorstandsvorsitzenden hat der hessische Ministerpräsident die Klage doch letzten Endes erst möglich gemacht und damit dem Bund und den Ländern einen Bärendienst erwiesen. Das Schreiben dient als Grundlage für die Klage der Energiekonzerne. Wenn es da tatsächlich zu Mauscheleien zwischen Wirtschaft und Politik gekommen ist, würde das auch zulasten Niedersachsens gehen. Das wäre ein verantwortungsloser und unerträglicher Vorgang.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Bisschen viel Konjunktiv!)

Wenn die Einschätzungen des ARD-Magazins stimmen, ist die Union dafür verantwortlich, dass allein Niedersachsen wegen der Klage der Energiekonzerne mit fast 228 Millionen Euro im Risiko steht. Diese Vorkommnisse würden auch einen großen, großen Schatten auf die Ernsthaftigkeit des Ausstiegsbeschlusses werfen. Ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte dann nicht in Ihrer Haut stecken.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Dr. Gero Ho- cker [FDP] lacht)

Vielen Dank, Herr Bosse. - Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. Wir beenden damit den Punkt b.

(Christian Grascha [FDP]: Ich glaube, der Minister wollte noch reden!)

- Der Minister wollte noch reden; der Wortmeldezettel lag hier nicht vor. - Herr Minister, Sie haben das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Bäumer, es wäre wirklich sehr schön, wenn wir mit diesem Thema nichts mehr zu tun hätten und das Schnee von gestern wäre. Leider ist das Land aber noch mit einer Reihe von Klagen konfrontiert, in denen erhebliche Summen gefordert werden.

Und, Herr Bäumer, so weit ist Hessen dann doch nicht weg. Denn dieser Brief wird auch in der Klage zitiert, in der gegenüber dem Land Niedersachsen ein Anspruch auf eine Summe in einer gewaltigen Größenordnung erhoben wird.

(Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

Da stellen sich dann doch folgende Fragen:

Warum hat E.ON nicht gegen die Anordnung der dreimonatigen Betriebseinstellung geklagt, wenn sie doch von der Rechtswidrigkeit der Anordnung überzeugt waren?

Warum hat E.ON vor Erlass des Moratoriums lediglich eine schriftliche Anordnung verlangt, aber nicht zur Sache Stellung genommen?

Warum hat E.ON das Kraftwerk nach Ende des Moratoriums nicht wieder hochgefahren?

Gab es Vereinbarungen mit der damaligen Bundesregierung oder Landesregierung, den Anordnungen in Anbetracht der öffentlichen Meinung Folge zu leisten und die wirtschaftlichen Verluste später dem Steuerzahler in Rechnung zu stellen nach dem Motto „dulde und liquidiere“?

In den Unterlagen des Umweltministeriums ist keine dem Schriftwechsel zwischen Großmann und Bouffier vergleichbare Korrespondenz vorhanden.

(Martin Bäumer [CDU]: Das wurde behauptet!)

- In der Klage von E.ON wird das Schreiben von Herrn Bouffier zitiert.

Aber naheliegend ist, dass neben RWE auch die übrigen Betreiber bei den Gesprächen im Bundeskanzleramt dabei gewesen sind und auf entsprechende Zusagen vertraut haben.

Wenn dies zutreffend sein sollte, wäre das schon ein Skandal, Herr Bäumer, vor allen Dingen dann, wenn wir am Ende als Land und damit zulasten der Steuerzahler finanzielle Risiken tragen müssten. CDU und FDP hätten in der Geschichte der Kernenergienutzung in Deutschland wieder einmal den wirtschaftlichen Interessen der großen Energieerzeuger den Vorrang vor den Interessen der Bevölkerung und des Steuerzahlers eingeräumt.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass mit der Bitte um ein Schreiben zur Androhung einer Anordnung zur sofortigen Vollziehung im Fall des Wiederanfahrens nach Auslaufen des Moratoriums versucht werden sollte, eine Faktenlage für das spätere Gerichtsverfahren zu schaffen.

Aber, meine Damen und Herren, diese Rechnung wird nicht aufgehen. Die Rechtsordnung kennt den Grundsatz „dulde und liquidiere“ nicht, sondern verlangt, dass man gegen Anordnungen, die man für rechtswidrig hält, zunächst gerichtlich vorgeht. Das hat E.ON - aus welchen Gründen auch immer - nicht getan. Ein Schadenersatzanspruch ist daher ausgeschlossen.

Der bekannt gewordene Schriftwechsel diskreditiert E.ON allerdings noch weiter, weil das Schreiben von Herrn Bouffier, auf das sich auch E.ON zur Begründung des Nichtwiederanfahrens nach Ende des Moratoriums beruft, offenbar bestellt war.

Meine Damen und Herren, Kraftwerksbetreiber sollten sich immer wieder bewusst machen, dass die Frage der Zuverlässigkeit ein wichtiger Bestandteil der Betriebsgenehmigung ist. Kraftwerksbetreiber, die jahrelang gutes Geld verdient haben, müssen sich heute ihrer Verantwortung stellen. Dazu passt auch nicht, dass man sich an den Tisch der Atommüllkommission setzt und gleichzeitig die zentralen Aspekte des Standortauswahlgesetzes vor Gericht angreift.

Fordern wird uns in diesem Zusammenhang auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Brunsbüttel, meine Damen und Herren. In Zusammenarbeit mit anderen Ländern und dem Bund werden wir sorgfältig prüfen, welche Konsequenzen sich daraus für die Sicherung atomarer Anla

gen - wohlgemerkt: aller atomaren Anlagen - ergeben.

Ich will vor diesem Hintergrund und auch vor dem Hintergrund mancher Aussagen in der Klageschrift des Kraftwerksbetreibers noch einmal deutlich machen, dass wir einen dynamischen Grundrechtsschutz haben, dessen Grundzüge das Bundesverfassungsgericht im sogenannten KalkarUrteil fixiert hat. Diesseits der praktischen Vernunft muss alles für die Sicherheit getan werden, was nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich ist. Insofern war es bis dahin undenkbar, dass sich in einem westlichen Industrieland gleichzeitig mehrere Kernschmelzen ereignen. Das war eine Zäsur. Das hat damals offensichtlich auch die Kraftwerksbetreiber im Kern getroffen und rechtfertigt die schnelle Abschaltung der Altanlagen und das Befristen der Laufzeit der übrigen Anlagen.

Ich danke Ihnen herzlich fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Wenzel. - Zu Punkt 3 b hat sich auch Dr. Stefan Birkner, FDP, zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Es ist bemerkenswert, zu welchen Themen die Grünen eine Aktuelle Stunde auf die Tagesordnung setzen. Dabei gibt es doch so viele landespolitische Themen, die quasi auf der Straße liegen und die eine Erörterung verdient hätten: