Protocol of the Session on December 18, 2014

Meine Damen und Herren, die Petentin hat das Anliegen, dass die Förderschule im Sekundarbereich erhalten bleibt. Sie möchte auch, dass der Landtag die Entscheidung, die Förderschule Lernen im Bereich der Primarschule abzuschaffen bzw. auslaufen zu lassen, revidiert. Das ist der Grund dafür, weshalb wir nicht für „Berücksichtigung“, sondern für „Erwägung“ plädieren; denn hier geht es um ein sehr vielfältiges Anliegen, das es erforderlich macht, sich die ersten Erfahrungen mit dem Auslaufen der Förderschule Lernen im Primarbereich genau anzusehen und sie abzuwägen. Diese Petition würde - wenn Sie unserem Votum folgen würden - uns die Chance bieten, uns einmal genau anzusehen, an welchen Stellen wir Nachsteuerungsbedarf haben, weil Fehlentwicklungen stattgefunden haben.

Aber das wollen Sie nicht. Stattdessen wollen Sie die Förderschulen Sprache und die Förderschulen Lernen im Schweinsgalopp auslaufen lassen, und zwar vollständig. Sie werden den Eltern damit nicht gerecht. Sie befassen sich auch nicht mit dem Anliegen. Sie befassen sich im Übrigen auch nicht mit den guten Argumenten, die die Sonderpädagogen an unseren Förderschulen selber vorbringen. Ich erlebe das reihenweise, weil ich in den letzten Monaten an diesen Schulen viele Gespräche geführt habe.

Das Phänomen ist: Wenn auch Sozialdemokraten oder Grüne an diesen Schulen Gespräche geführt haben, sagt man uns dort: Sie haben uns zugehört. Dann haben sie uns aber erklärt, dass sie unser Anliegen, die Förderschulen zu erhalten, nicht teilen werden und dass es anders kommen wird. Wir haben kein Gehör gefunden, obwohl wir eindeutig bessere pädagogische Argumente haben als die, die die Förderschulen vollständig abschaffen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Mehrzahl der Eltern und auch die Mehrzahl der Sonderpädagogen warnt dringend davor, die Förderschule Lernen vollständig auslaufen zu lassen; denn das hätte mehrere Konsequenzen. Die gravierendste brocken Sie sich gerade selber ein. Sie lassen die Förderzentren, die wir überall gegründet und aufgebaut haben, mit der Abschaffung der Förderschule Lernen auslaufen mit der Konsequenz, dass Sie jetzt ein neues bürokratisches Monster zur Steuerung und Organisation der Förderschulen und der Inklusion in Niedersachsen schaffen müssen, nämlich die so genannten Regionalstellen für schulische Inklusion, die ReschIs. Diese ReschIs will kein Mensch. Alle wissen, dass die von Anfang an nicht funktionieren werden.

Sie bringen unsere gesamte inklusive Planung in Schieflage, wenn Sie diesen Weg weitergehen. Darum plädiere ich eindringlich dafür: Nehmen Sie diese Mutter und ihre Petition sowie die Argumente sowohl der Eltern als auch der Sonderpädagogen ernst, wenn Sie uns schon nicht zuhören, und stimmen Sie unserem Antrag zu! Im Einklang mit der FDP beantragen wir auch zu dieser Petition namentliche Abstimmung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Thiele. - Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Christoph Bratmann, SPDFraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Petenten wendet sich gegen die Abschaffung der Förderschule Lernen im Primarbereich und fordert weiterhin die Wahlfreiheit der Eltern. Das begründet sie in erster Linie mit persönlichen Erfahrungen. Die Tochter der Petentin war auf einer Grundschule und hat dort negative Erfahrungen in Form von Überforderung und Frust

ration gemacht. Nach Feststellung eines sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs wurde sie an einer Förderschule beschult, wo sie dann aufgeblüht ist. So die Aussage der Petentin.

Auch hier ist ganz klar: Das muss man ernst nehmen. Das sind persönliche Erfahrungen. Herr Kollege Thiele hat ja gerade von persönlichen Erfahrungen gesprochen, die er aufgrund seiner Gespräche an einer Förderschule gemacht hat.

(Ulf Thiele [CDU]: An einer? An Dut- zenden!)

- Meinetwegen auch an Dutzenden.

Ich selbst habe an einem Projekt mitgearbeitet, in dem berufliche Bildung auf den Förderschwerpunkt Lernen traf. Auch ich habe dort meine Erfahrungen gemacht und weiß, dass dort sehr engagierte Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Ich habe aber auch bemerkt, wie schwierig es ist, für die Klientel dieser Förderschule den Übergang von der Schule in den Beruf zu gestalten, und welche Chancen die Kinder haben, die in diesem Förderschwerpunkt beschult werden.

Aufgrund der Zeit möchte ich jetzt nicht auf von der Kultusministerkonferenz in Auftrag gegebene Studien eingehen, die ebenso belegen, dass, was die Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit der Schülerinnen und Schüler angeht, eine Beschulung an Regelschulen besser ist als eine Beschulung an einer Förderschule Lernen.

Ich möchte jetzt noch kurz auf den aktuellen Prozess der Inklusion eingehen. Wie alle wissen, hat Deutschland 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. Wir in Niedersachsen haben mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP das Inklusionsgesetz 2012 auf den Weg gebracht. Seinerzeit ist das Auslaufen der Förderschule Lernen mit beschlossen worden, von dem Sie jetzt nichts mehr wissen wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Im Zuge der Inklusion sind viele Ängste und Bedenken aufseiten der Sonderpädagogen, der betroffenen Lehrerinnen und Lehrer, der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler im schwange. Diese Ängste muss man ernst nehmen und auch berücksichtigen. Man sollte sie aber nicht politisch instrumentalisieren, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition.

Die Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen läuft aus. Das ist beschlossene Sache. Wir müssen die Regelschulen insgesamt so ausstatten,

dass Schülerinnen und Schüler dieser Schulform gut an anderen Regelschulen untergebracht und beschult werden können.

(Ulf Thiele [CDU]: Bisher ist das Ge- setz nicht beschlossen!)

Das Votum des Kultusausschusses lautet deshalb „Material“.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bratmann. - Jetzt hat sich Heiner Scholing, Bündnis 90/Die Grünen, gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank an meine Fraktion. Ich habe noch eine Minute bekommen. Ich gehe auf den Inhalt nicht ein; denn dem Inhalt würde ich damit in keiner Weise gerecht werden.

(Jens Nacke [CDU]: Das stimmt!)

- Ich könnte eine Menge dazu sagen; darauf können Sie sich verlassen.

Auf einen Punkt muss ich aber eingehen, und zwar auf den immer wiederkehrenden Punkt, dass wir die Eltern an dieser Stelle nicht ernst nehmen.

(Björn Thümler [CDU]: Tun Sie auch nicht! - Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Sie lassen die Eltern im Stich!)

Ich verweise noch einmal darauf, in welcher Form wir diese Schulgesetznovelle eingebracht haben. Diese Form bietet maximalen Raum für Beteiligung. Wir haben beschlossen, im Kultusausschuss sehr umfangreiche Anhörungen durchzuführen, natürlich auch schwerpunktmäßig zu diesem Thema. Dann aber zu sagen, wir nähmen die Ängste nicht ernst, ist reiner Klamauk und sonst gar nichts. Wir sagen nicht „Sach- und Rechtslage“, sondern wir sagen sehr bewusst „Material“. Das heißt: Wir nehmen das ernst. Wir nehmen das mit in unsere Beratungen hinein. Es kommt durch die Anhörung auf die fachliche Ebene im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Scholing. - Weitere Wortmeldungen zu dieser Eingabe liegen nicht vor.

Zu dieser Eingabe ist von Herrn Thiele für die CDU ebenfalls namentliche Abstimmung beantragt worden. Herr Thiele, damit ist das Quorum erfüllt.

Das Verfahren für die namentliche Abstimmung ist gemäß § 84 Abs. 2 und 4 unserer Geschäftsordnung geregelt. Ich habe es Ihnen eben gerade vorgelesen.

Die Kollegin Kohlenbach wird jetzt die Namen verlesen. Ich bitte Sie, laut und deutlich „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ zu sagen.

(Schriftführerin Gabriela Kohlenberg verliest die Namen der Abgeordneten. Die Abstimmung verläuft wie folgt:

Thomas Adasch Ja

Johann-Heinrich Ahlers Ja

Dr. Gabriele Andretta Nein

Ernst-Ingolf Angermann Ja

Holger Ansmann Nein

Regina Asendorf Nein

Klaus-Peter Bachmann Nein

Volker Bajus Nein

Martin Bäumer Ja

Karsten Becker Nein

Almuth von Below-Neufeldt entschuldigt

Karin Bertholdes-Sandrock entschuldigt

Dr. Stefan Birkner Ja

Karl-Heinz Bley Ja