Protocol of the Session on April 17, 2013

Die letzten Jahre der schwarz-gelben Bundesregierung, aber auch der ehemaligen Landesregierung waren ja kaum durch Aktivitäten für einen Kampf gegen Steueroasen, Steuerschlupflöcher und Steuersünder gekennzeichnet. Der von Nordrhein-Westfalen initiierte Kauf von Steuer-CDs mit Daten über Steuerflüchtlinge wurde von den Finanzministern Schäuble und Möllring sogar noch kritisiert. Wer sich die gestrige Pressemeldung der FDP durchliest, stellt fest, dass da offensichtlich immer noch nichts gelernt worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Herr Grascha, ich frage Sie: Wen wollen Sie eigentlich schützen?

(Beifall bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Zum Abkommen mit der Schweiz, Frau Geuter!)

- Ja, dazu komme ich doch noch. Warten Sie doch einfach mal ab.

(Christian Dürr [FDP]: Da sind wir ge- spannt!)

Wir müssen alle Daten, die den Fahndern aus den Lecks eines Gott sei Dank noch nicht ganz so perfekten Betrugsystems zur Verfügung gestellt werden, ausnutzen. Daher begrüßen wir es ausdrücklich, dass sich die derzeitige Niedersächsische Landesregierung an dem Ankauf von Steuer-CDs beteiligt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das gescheiterte Steuerabkommen mit der Schweiz, das die Anonymität der Kapitaleinkünfte zum Standard erheben wollte, war nun wirklich nicht hilfreich.

(Beifall bei der SPD)

Es hat nur den Druck herausgenommen, anstatt zielführend über den automatischen Informationsaustausch zu unversteuertem Geldvermögen zu verhandeln, in Europa und auch darüber hinaus. Es ist gut, dass Herr Schäuble mit den Finanzministern der größten EU-Länder jetzt dazugelernt und ein Maßnahmenpaket vereinbart hat, das die Schließung der Steueroasen, den automatischen Informationsaustausch für alle Kapitaleinkommen und die Offenlegung der tatsächlichen Nutznießer von solchen Firmen zum Ziel hat. Wir können Ihnen versprechen, dass wir die Umsetzung dieser Ankündigung genau hinterfragen werden.

Aber es geht nicht um die Steueroasen. Nach den Schätzungen des Internationalen Währungsfonds sind die Schäden, die durch die Ausnutzung legaler Steuerschlupflöcher entstehen, mindestens genauso groß wie die Schäden, die durch die Steuerparadiese entstehen. Die Weigerung der schwarzgelben Bundesregierung, bekannte Schlupflöcher in bestehenden deutschen Steuergesetzen zu schließen, macht uns nun wirklich große Sorgen. Im Jahressteuergesetz war die Absicht vieler Landesregierungen - u. a. auch der damaligen schwarz-gelben Niedersächsischen Landesregierung - vorgesehen, gerade im Bereiche der Erbschaftsteuer die sogenannten Cash-GmbHs einzuschränken. Die Bundesregierung hat sich diesem wichtigen Anliegen verweigert.

Sie sehen, wir haben Handlungsbedarfe nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch hier im Bund. Wir müssen dafür sorgen, dass Steuerflucht hart bestraft wird und dass wir Maßnahmen gegen die sogenannte Steueroptimierung, mit denen man mit mehr oder weniger komplexen Operationen

ganz legal Steuerabgaben umgeht, noch verschärfen.

(Beifall bei der SPD)

Es kann nicht sein, dass einzelne Bundesländer - die liegen südlich von Niedersachsen - ungeniert mit wenig Steuerfahndern und seltenen Steuerprüfungen als besonderem Akt der Wirtschaftsförderung werben. Ich glaube, da sollte der Wettbewerb tatsächlich in die andere Richtung gehen.

Ich danke Ihnen.

(Starken Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Hilbers das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Steuerhinterziehung und Steueroasen ist durch die neuesten Veröffentlichungen wieder verstärkt ins Bewusstsein gerückt. Die Öffentlichkeit ist sensibilisiert, und der Druck wird international und national erhöht.

Das kann man nur begrüßen; denn Steuerhinterziehung ist keine Kavaliersdelikt. Steuerhinterziehung gehört hart bestraft, Steuerhinterziehung gehört aufgeklärt. Wer Steuern hinterzieht, legt die Axt an unser Gemeinwohl und an die Finanzierung unserer gemeinsamen Aufgaben. Er verhält sich unsolidarisch und stört damit letztendlich auch das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen. Denn wenn es nicht gerecht zugeht, sind die Bürger auch nicht bereit, Steuern zu zahlen.

(Beifall bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund begrüße ich ausdrücklich, was insbesondere Finanzminister Schäuble in Berlin auf europäischer Ebene erreicht hat. Wir brauchen diesen gemeinsamen Druck. Neben eher populistischen Dingen wie einem Achtpunkteplan, in dem viele Selbstverständlichkeiten stehen - z. B. der Entzug der Banklizenz, was es schon längst gibt -, brauchen wir internationale Abkommen, die es ermöglichen, Daten auszutauschen, die es ermöglichen, Steuersündern international auf die Spur zu kommen, und die dazu führen, dass man auch entsprechende Durchgriffsmöglichkeiten hat.

Zwar gibt es in vielen Fällen bereits rechtliche Regelungen. Aber es mangelt immer noch an der Umsetzung. Für diese nämlich bedarf es internationaler Regelungen. Hier aber sind wir in den ver

gangenen Monaten und Jahren entscheidend vorangekommen. Finanzminister Schäuble hat für die Bundesrepublik Deutschland mit Italien, den USA, Großbritannien und Frankreich ein Abkommen erreicht, das darauf abzielt, die Steuerbasis gemeinsam zu ermitteln. Das ist die Grundlage: auch bei international tätigen Unternehmen die gemeinsame Steuerbasis zu ermitteln und dafür zu sorgen, dass ein automatischer Datenabgleich stattfinden kann.

Internationale Abkommen, eine internationale Informationsvernetzung und ein gemeinsames und entschiedenes Vorgehen gegenüber Staaten, die sich als Steuerschlupflöcher auftun, sind entscheidend. Die Finanzpolitiker von CDU und CSU aller Bundesländer haben sich dazu letzte Woche noch einmal in Mecklenburg-Vorpommern getroffen. Wir haben dort ganz klar gesagt, dass es aus unserer Sicht notwendig ist, an die Staaten zu appellieren, hierbei mitzumachen. Wer sich dem - auch als Schwellenstaat - verschließt und seine Rolle als Steuerschlupfloch sucht, dem muss klar sein, dass er bei internationaler Zusammenarbeit und auch bei Entwicklungshilfe nicht auf unsere Unterstützung zählen kann.

Meine Damen und Herren, wir brauchen die Regelungen, wir brauchen klare, realitätsnahe Lösungen, und wir brauchen internationalen Druck. Was wir aber nicht brauchen, ist ein Ausweichen auf den Ankauf von Steuer-CDs. Ich will den einzelnen Ankauf einer Steuer-CD jetzt nicht im Einzelnen bewerten, aber eines, glaube ich, ist doch richtig: Die Frage von Steuerhinterziehung und von Steueroasen kann nicht durch den Ankauf von SteuerCDs gelöst werden. Dafür brauchen wir dauerhafte Regelungen und gezielte Maßnahmen, aber eben nicht die Effekthascherei durch den Ankauf von Steuer-CDs, wie er im Augenblick von Ihnen als Alternative dazu ins Feld geführt wird, ein Abkommen mit der Schweiz abzuschließen. Das führt nicht weiter. Das Abkommen mit der Schweiz hätte wesentlich mehr gebracht als die CDs, die Sie kaufen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Sie müssen erkennen, dass Sie damit auf dem Holzweg sind. Das, was Finanzminister Schäuble in der EU erreicht und über die EU hinaus mit der OECD bespricht, ist wesentlich zielführender und führt am Ende dazu, dass wir auf Dauer eine Lösung bekommen, die solchen Praktiken entschieden einen Riegel vorschiebt.

Meine Damen und Herren, die angestrebten Regelungen sind wichtig. Wir müssen uns auch im Bereich der international tätigen Unternehmen darüber unterhalten, welche Dinge legal und welche illegal sind. Nicht alle Steuergestaltungsmöglichkeiten sind illegal. Wir müssen auch über die Fälle reden, in denen Unternehmen große Gewinne machen, diese aber durch Transaktionen in Unternehmensbereiche verlagern, die in Niedrigsteuerländern oder in Ländern mit Steuerschlupflöchern angesiedelt sind.

Auch durch ein einseitiges Kontrollrecht erzielen Sie in Deutschland keine Lösung, weil es dann ziemlich einfach ist, Geld über ein Land, das nicht der Überwachung bzw. nicht der Meldepflicht unterliegt, das sich also nicht daran beteiligt, in ein Drittland zu verschieben. Dann ist die Ermittlungskette unterbrochen, sodass man nicht mehr eingreifen kann und zusehen muss, wie man an die Daten herankommt.

Ich denke, wir haben noch viel zu tun. Wir alle sollten gemeinsam den internationalen Druck erhöhen. Wir sollten insgesamt dafür sorgen, dass alle Staaten mitmachen, damit Steuerehrlichkeit herrscht. Mit Steuerehrlichkeit und einem vernünftigen, steuerbaren Steuersystem kommen wir am weitesten. Da bin ich mir sicher. Finanzminister Schäuble ist insoweit auf einem guten Weg. Das ist eindeutig der Fall, und das wird auch international und in der EU anerkannt. Ihn sollten Sie unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Abgeordnete Heere das Wort.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach Schätzungen lagern zwischen 21 und 32 Billionen - 1 Billion sind 1 000 Milliarden - US-Dollar Vermögen in Steueroasen. 1 Billion Euro an Steuereinnahmen gehen den Staaten der EU jedes Jahr durch Steuergestaltung und Steuerflucht verloren. Das sind wertvolle Steuereinnahmen, die dem Gemeinwohl entzogen werden und im Fall von Steuerflucht in den Taschen von Kriminellen landen. Steuerflucht ist kein Kavaliersdelikt, sondern Brandbeschleuniger für Finanzkrisen und soziale Verwerfungen. Daher muss

der Kampf gegen Steueroasen endlich allerhöchste Priorität bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass sich nun auch die Bundesregierung bewegt und das Problem der Steuerhinterziehung von Privatleuten oder Unternehmen verstärkt angehen will. Allerdings fehlt mir noch ein wenig der Glaube, dass dieses Engagement wirklich dauerhaft ist. Vielleicht ist es auch nur ein Placebo zur Überbrückung der aktuellen Enthüllungen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bisher ist Herr Schäuble völlig anders unterwegs gewesen. Wie war das denn mit dem Steuerabkommen mit der Schweiz, für das sich auch ExFinanzminister Möllring eingesetzt hat?

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das war ein gutes Abkommen!)

Das war doch genau das Gegenteil von dem, was Schäuble jetzt neu ankündigt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Denn nach diesem Abkommen wären die Berechtigten der in der Schweiz angelegten Gelder anonym geblieben, und die Zinsbesteuerung wäre zum Teil niedriger gewesen, als wenn dieses Geld hier legal versteuert würde. Deshalb war es richtig, dass Rot-Grün dieses Gesetz im Bundesrat gestoppt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Nur dank dieser Blockade gab es inzwischen eine weitere Bewegung in Richtung eines strengeren Abkommens mit der Schweiz, so streng wie das FATCA-Abkommen, das die Schweiz mit den USA abgeschlossen hat. Das bedeutet: Schluss mit der Anonymität und eine Meldepflicht für Schweizer Banken bei möglichen Steuervergehen von ausländischen Steuerbürgern. Eine solche Lösung wollen wir auch für Europa als Teil eines gesamteuropäischen Steuerpakts.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist auch ein Akt der Steuergerechtigkeit, wenn wir uns bis zur Umsetzung dieses Abkommens am Ankauf von Steuer-CDs beteiligen und so den Steuerbetrügern das Handwerk legen. Ihre Empö

rung, die ich aus der Mitte und von dieser Seite des Plenums höre, sollten Sie sich dabei sparen. Bei Rechtsextremismus, Terrorismus, organisierter Kriminalität ist es ganz selbstverständlich, dass wir mit Insidern, Informanten, ja bezahlten V-Leuten operieren.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Völlig richtig!)