Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Jetzt hat sich der Kollege Marcus Bosse, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Bosse!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier in Niedersachsen ein Bergwerk, das in den 70er-Jahren unter sehr umstrittenen Umständen abgeteuft wurde. Immerhin gab es auch einen GorlebenUntersuchungsausschuss in Berlin. Wir alle wissen, dass man, je nach parteilicher Sicht, zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen ist. Gorleben selbst ist von einem jahrelangen Streit zwischen Bürgern, Staat und letzten Endes auch den Energieunternehmen gezeichnet. In Gorleben wird seit Jahren herumgedoktert und geforscht, um unbedingt eines zu beweisen: Die Endlagerung im Salz ist möglich. - Nur darum geht es.
Dass dies falsch ist, hat diese Landesregierung im Gegensatz zu Schwarz-Gelb allerdings schon lange erkannt. In drei Jahrzehnten haben die Energieunternehmen dort 1,6 Milliarden Euro hineingesteckt und suchen seitdem wirklich nur sehr, sehr unwillig nach Alternativen für ihren Atommüll. Darum ist die finanzielle Verlockung gerade der Energieunternehmen an dieser Stelle sehr, sehr groß, dass Gorleben doch Voraussetzungen für einen möglichen Standort schafft und möglicherweise auch hat. Dem muss entgegengewirkt werden. Das dürfen wir als Niedersachsen doch nicht zulassen. Es darf nicht sein, dass es bei der Frage der Standortsuche nur ums Geld geht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das dürfen wir zusammen nicht zulassen!
Die Kommission, die in Berlin tagt - Herr Minister Wenzel ist ja auch dabei -, darf sich nicht in klima
tisierten Räumen in Berlin verstecken, sondern sie soll sich einmal die Sünden der Vergangenheit ansehen. Meine Empfehlung an die Kommission wäre ein Besuch im maroden Atommülllager Asse II, das ja als Vorläufer für Gorleben galt. Das schafft die Voraussetzungen dafür, eine Endlagerung im Salz zumindest etwas kritischer zu sehen.
Doch nun kommt das Standortauswahlgesetz ins Spiel, das eine ganz, ganz klare Botschaft hat: Die Erkundung von Gorleben ist beendet. - So steht es dort. Punkt. So steht es dort schwarz auf weiß. Dies muss durch ein Offenhaltungskonzept so rübergebracht werden, dass deutlich wird: Die Erkundung ist tatsächlich beendet. - Nicht, dass sie irgendwo noch weiterläuft. Sie ist tatsächlich beendet. Das muss deutlich werden.
Im Gesetz gibt es aber auch eine Passage, die besagt, dass das Bergwerk Gorleben unter Wahrung aller rechtlichen Bedingungen offengehalten werden soll. Die Frage ist: Warum das Ganze? - Nach dem Standortauswahlverfahren darf es keine politischen Vorgaben oder auch Vorfestlegungen geben. Gorleben wird genauso untersucht wie alle anderen möglichen Standorte in der Bundesrepublik Deutschland auch. Also müssen auch für Gorleben dieselben Maßstäbe angelegt werden wie für alle anderen Standorte in der Bundesrepublik Deutschland. An dieser Stelle muss Gleichheit herrschen.
Und: Finanzielle Interessen dürfen keine Rolle spielen. Dass Niedersachsen im Übrigen zugestimmt hat, dass Gorleben überhaupt im Verfahren bleiben kann, ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass wir für Gorleben die größtmögliche Gleichbehandlung wollen. Das war die Voraussetzung dafür, dass Niedersachsen zugestimmt hat. Das möchte ich an dieser Stelle einmal in Erinnerung rufen.
Bei der Variantenbetrachtung wird es nicht darum gehen, den Billigheimer zu wählen. Es geht vielmehr darum, deutlich zu machen, dass Gorleben wie auch alle anderen Standorte aus dem Rennen ist. Wie alle anderen Standorte! Darüber gehen die Meinungen in diesem Hause offenbar etwas auseinander. Vorgeschlagen wurden vom Bundesamt für Strahlenschutz 14 verschiedene Varianten, die mittlerweile veröffentlicht worden sind. Unsere Forderung nach Darlegung der finanziellen Auswirkungen, also der Kosten, steht noch aus. Im Antrag haben wir sie entsprechend formuliert. Der gesamte untertägige Erkundungsbereich soll nach der offenbar favorisierten Stilllegungsvariante von
allen Betriebseinrichtungen und -anlagen geräumt werden. Das soll wohl die favorisierte Variante sein. Bohrlöcher will man verfüllen und so absperren, dass der betroffene Bereich nicht mehr betreten werden kann.
Dabei - auch das muss ich an dieser Stelle sagen - geht das Ministerium von Barbara Hendricks weiter als ihre Vorgänger Jürgen Trittin und Peter Altmaier, die in den Jahren 2000 und 2012 jeweils einen Erkundungsstopp für Gorleben verfügt haben. Und dennoch - auch das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich -: Die vom Bundesministerium für Umwelt vorgeschlagene Variante für die Außerbetriebnahme des Erkundungsbereichs 1 im neuen Hauptbetriebsplan Gorleben ist ein erster zaghafter Schritt, der aus niedersächsischer Sicht zunächst einmal nicht hinreicht. Es muss gewährleistet sein, dass mit den neuen Regelungen die Reduzierung des Aufwandes im Sinne des Gesetzes auch ganz praktisch sichtbar wird. Das ist dann ein Beitrag zur Vertrauensbildung, weil die Erkundung laut Gesetz eben beendet ist. Punkt. Die Vorschläge aus Berlin gehen nicht weit genug. Hier muss etwas nachgebessert werden.
Eine einvernehmliche Entscheidung über den weiteren Offenhaltungsbetrieb Gorlebens ist von größter Bedeutung und hat eine hohe Tragweite für den weiteren Prozess der Standortsuche. Der geltende bergrechtliche Hauptbetriebsplan läuft zum 30. September 2014 aus. Die neue Regelung muss den Vorgaben des Standortauswahlgesetzes unbedingt Rechnung tragen. Richtig wäre es, neben der Räumung des Erkundungsbereichs 1 auch den Infrastrukturbereich deutlich zu verkleinern. Zudem sollte geklärt werden, ob in einem sicherheitstechnisch vertretbaren Maße ein Rückbau der Umzäunungsanlagen vorgenommen werden kann.
Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon einmal in Gorleben war. Da sieht es im Moment aus wie in einem militärischen Sperrgebiet, wie in einer No-goArea - so nennt man das wohl -, also wie in einem Hochsicherheitstrakt. Im Konzept muss grundsätzlich sichtbar werden, dass in Gorleben nicht mehr erkundet wird. Es muss klar sein, dass es keine Vorfestlegungen für Gorleben gibt. Da kann man es auch nicht dulden, dass immer noch ein riesiger Zaun, an dem Wasserwerfer aufgebaut werden können, in Gorleben steht. Das darf nicht sein. Auch von außen muss sichtbar sein, meine sehr verehrten Damen und Herren: Hier ist zunächst einmal Schluss.
Das wären letzten Endes sichtbare und vertrauensbildende Signale an die Menschen in der Umgebung von Gorleben und auch mit Blick auf den weiteren Prozess. Denn der Prozess der Suche nach dem Standort für ein atomares Endlager in der Bundesrepublik Deutschland wird uns mit Sicherheit noch viele, viele Jahre begleiten.
Die Zielsetzung, die man sich vorgenommen hat - das ist meine persönliche Einschätzung -, wird man an dieser Stelle nicht aufrechterhalten können. Davon bin ich überzeugt. Darum müssen wir - gerade als Niedersachsen - die Voraussetzungen schaffen, dass für Gorleben die gleichen Maßstäbe angelegt werden wie für alle anderen möglichen Standorte auch, ohne die finanziellen Interessen der Energieunternehmen zu berücksichtigen.
Vielen Dank, Herr Kollege Bosse. - Jetzt hat sich Miriam Staudte, Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort gemeldet. Frau Staudte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die FDP fordert in ihrem Antrag mehr Offenheit, mehr Transparenz im Umgang mit Gorleben in Bezug auf die Offenhaltung, die im Standortauswahlgesetz vorgeschrieben ist. Das hat uns erst einmal gewundert, weil sich die FDP in den vergangenen Regierungsjahren nicht unbedingt als Speerspitze der Transparenz ausgezeichnet hat.
Wir haben uns natürlich gefragt, was eigentlich die wahre Motivation hinter diesem Antrag ist. Da liegt dann doch die Vermutung nahe, dass es letztendlich darum gehen könnte, das Anliegen der Niedersächsischen Landesregierung, sich in den Verhandlungen mit dem Bund für die geringstmögliche Offenhaltung einzusetzen, zu torpedieren, damit Gorleben weiter als der Standort für hoch radioaktiven Müll zementiert wird. Das werden wir aber nicht mitmachen.
Gorleben ist weiterhin im Topf der potenziellen Standorte. Das konnte Rot-Grün für Niedersachsen in den Verhandlungen nicht verhindern. Man muss an dieser Stelle auch sagen, dass Gorleben
derzeit quasi als einziger Standort in dem Topf der möglichen Standorte ist. Aber es ist auch ganz klar festgehalten worden, dass Gorleben nicht noch weiter benachteiligt werden soll. Es gibt im Standortauswahlgesetz den Begriff „Referenzstandort“. Gorleben darf kein Referenzstandort sein.
Herr Birkner, Sie haben gerade eben noch einmal darauf abgestellt, dass Gorleben quasi aus politischen Gründen aus dem Verfahren genommen werden soll. Dem ist nicht so. Gorleben soll aus geologischen Gründen aus dem Verfahren herausgenommen werden. Denn wir kennen schon eine ganze Reihe von Mängeln: Es fehlt ein Deckgebirge, sodass Wasserwegsamkeiten zwischen Biosphäre und Salzstock ermöglicht werden.
Auch die Abdichtung nach unten fehlt quasi. Und es gibt eine Gasmigration. Gas ist selbstverständlich auch ein Transportmedium für Radioaktivität. Insofern gibt es etliche geologische Gründe, die gegen diesen Standort sprechen. Aber Sie wollen aus ideologischen Gründen, dass er weiter im Verfahren bleibt.
Wir wollen, dass Gorleben z. B. in Bezug auf die Veränderungssperre nicht weiter benachteiligt wird. Wir wollen auch, dass der Planfeststellungsantrag von 1977 - das war nach sehr altem Bergrecht - endlich fällt. Insofern kann das Vorgehen des Bundes, jetzt endlich den Rahmenbetriebsplan von 1983 für nichtig zu erklären, nur ein Schritt in die richtige Richtung gewesen sein.
Vielen Dank. - Frau Kollegin, wie bewerten Sie denn den Umstand, dass in den Vereinbarungen von Rot-Grün zum Moratorium für die Erkundung in Gorleben damals ausdrücklich festgestellt wurde, dass bisher keine geologischen Erkenntnisse vorhanden sind, die gegen eine Eignung des Salzstocks sprechen?
Ich glaube, das ergibt sich aus meinen bisherigen Äußerungen. Es gibt aus heutiger Sicht eine ganze Reihe von Gründen, die gegen diese Eignung sprechen.
Insofern ist es uns ein Anliegen, dass der Offenhaltungsbetrieb für Gorleben so gering wie möglich ausfällt. Wir müssen dabei - das Geld ist ja schon angesprochen worden - auch einmal die Summen sehen, die im Raum stehen. 1,6 Milliarden Euro sind in Gorleben sozusagen schon versenkt worden. Für die untertägige Erkundung anderer potenzieller Standorte sollen lediglich 300 bis 450 Millionen Euro aufgewendet werden. Dem stehen die zusätzlichen Kosten für die Offenhaltung von Gorleben gegenüber. In den nächsten Jahren können das bis zu 250 Millionen Euro sein. Ich glaube, wir müssen diese Mittel wirklich reduzieren, damit deutlich wird: Dieser Standort darf nicht noch zementiert werden, indem immer weitere Millionen dorthin fließen.
Frau Staudte, es liegt noch eine Bitte auf eine Zwischenfrage vom Kollegen Dürr vor. Abgesehen davon ist Ihre Redezeit aber auch abgelaufen.
Jedenfalls ist die Zeit sozusagen ins Rote gelaufen. - Darf Herr Dürr seine Frage stellen? - Dann hätten Sie noch Zeit, um zu antworten.
Uns ist es wichtig, die Informationspolitik zu verstärken. Wir sind dafür, dass es standortunabhängige Informationen über das weitere Suchverfahren gibt und dass das nicht wieder nur auf den Standort Gorleben fokussiert wird.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte am heutigen frühen Abend geht es im Wesentlichen um Verbalrhetorik und die Lufthoheit über Begriffe. Vordergründig geht es zwar um atomaren Müll, aber hintergründig geht es um die Frage, wer bei diesem Thema das Sagen hat: die SPD oder die Grünen? Oder vielleicht haben sich beide Fraktionen schon längst von dem vor einem Jahr ausgehandelten Kompromiss im Rahmen des Standortauswahlgesetzes verabschiedet. Das dürfte, glaube ich, mittlerweile deutlich geworden sein.