Protocol of the Session on July 23, 2014

Meine Kollegin Frau Piel hat es angesprochen: Es gab Ende 2013 konkrete Vorfälle im Landkreis Vechta in Niedersachsen. Dort gab es Filmaufnahmen.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Sie sprechen in der Mehrzahl!)

Was haben wir gemacht? - Erstens. In Absprache mit dem Landkreis Vechta haben wir erstmalig in Niedersachsen Ferkel obduzieren lassen. Das gab es vorher gar nicht, dass überprüft wurde, wie sie getötet worden sind, um solchen Vorwürfen nachzugehen.

Sie wissen, wir haben das Material dann der Staatsanwaltschaft übergeben. Sie ermittelt noch in diesem niedersächsischen Fall.

Wir haben noch eine zweite Konsequenz gezogen und uns ab Januar zusammen mit Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft, mit Schweinehaltern, mit dem Landvolk, mit vielen Tierärzten an einen Tisch gesetzt und daran gearbeitet, wie klargestellt werden kann, dass schwache Ferkel nicht getötet werden dürfen. Ich glaube, es ist ganz klar, dass das geregelt werden muss und dann auch die Frage beantwortet werden muss, wie man das möglichst tierschutzkonform macht, d. h. mit Betäubung.

Das haben wir in diesem Erlass klargestellt, der am 3. Juli - also weit vor der ARD-Sendung - herausgekommen ist. Die Grundlage war, dass wir Ende Juni zusammen mit den Tierärzten und der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz sowie der Landwirtschaftskammer eine gleichartige Auffassung hatten. Dieser Erlass ist jetzt da.

Wie Sie wissen, haben sich danach NordrheinWestfalen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen unserem Erlass angeschlossen. So schlecht kann er also nicht sein. Gestern hat der CDU-Agrarminister in Sachsen-Anhalt im Fernsehen angekündigt, dass auch er ihn übernehmen will.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von Niedersachsen - darüber bin ich ganz froh - geht also in die Bundesrepublik das klare Signal aus: Schluss mit der Tierqual im Schweinestall!

Meine Damen und Herren, Sie können ganz beruhigt sein: Diese Landesregierung arbeitet mit voller

Energie am Tierschutzplan des Landes - ruhig und konsensorientiert mit allen Beteiligten. Alle diejenigen Gruppen, die von der Vorgängerregierung eingesetzt worden sind, sind auch weiterhin dabei. Wir nehmen Ihre damaligen Aussagen, Ziele und Zeitpläne sehr, sehr ernst. Da können Sie noch so viel schreien - wir setzen das um.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Herr Minister, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Der Kollege Dammann-Tamke möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?

Ja, gerne.

Bitte, Herr Dammann-Tamke!

Vielen Dank. - Herr Minister, würden Sie mir recht geben, dass es aus der Erfahrung und aus dem Vorwurf heraus, den Sie in Ihrer Pressemitteilung artikuliert haben dahin gehend, dass Sie die Landkreise kritisiert haben, dass die Veterinärbehörden diesen Umständen nicht früh genug nachgegangen sind, dass es aus dieser Erkenntnis heraus ein Fehler war, das Personal beim LAVES ohne Absprache mit der Landkreisebene um über 60 Leute auszustocken,

(Zurufe von den GRÜNEN: Frage!)

anstatt den Landkreisen die finanziellen Mittel zu geben, damit sie ihre Veterinärbehörden aufstocken können? Denn offensichtlich waren sie - so Ihr Vorwurf - ihren Aufgaben nicht gerecht geworden.

Es ist wirklich abenteuerlich, was Sie fragen. Ich weiß nicht, welche Pressemitteilung Sie meinen. Gestern habe ich unsere Kontrolleure der Kommunen und des Landes vor Ihnen verteidigt,

(Beifall bei den GRÜNEN)

als die FDP ihnen vorgeworfen hat, sie würden willkürlich kontrollieren.

Bei der im LAVES erfolgten Aufstockung - auch das habe ich erklärt - ging es überwiegend um den Futtermittelbereich, weil wir da einen AflatoxinSkandal hatten, und nicht um den Tierschutzbereich. Ich glaube, irgendwie werfen Sie mal wieder ziemlich viel durcheinander. Deshalb weise ich Ihre Vorwürfe zurück.

Wir stehen zu den Kontrolleuren auf Landesebene, auf Kreisebene. Ich habe Ihnen gerade von der guten Kooperation mit dem Landkreis Vechta in diesen Fällen berichtet. Wir haben diese Erlasse immer mit den Kommunen abgestimmt, so auch in dem zweiten Punkt, den Herr Siebels angesprochen hat. Das ist der Erlass, der ohne direkten Anlass erarbeitet wurde, aber ein wichtiges Thema betrifft, nämlich die Einführung von Tierschutzindikatoren in der Hühnermast. Das ist ein konkretes Ergebnis der Arbeit der Facharbeitsgruppe des Tierschutzplans, in der die bäuerlichen Hühnerhalter, die Landkreise, die Tierschutzverbände, die Schlachtbetriebe vertreten sind. Dort ist dieser Plan erarbeitet worden. Auch dieser ist dann in der letzten Woche in Kraft gesetzt worden. Es mag Ihnen ja nicht passen, aber wir setzen endlich erfolgsorientierten Tierschutz um! Wir gucken eben, wie die Tiere dort ankommen.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Sie ha- ben die Empfehlungen der Tierschutzver- bände nicht umgesetzt!)

Wir machen nicht nur Zollstocktierschutz, wie Sie das gerne wollen. Wir sagen vielmehr im Konsens mit den Schlachtbetrieben, mit der Wirtschaft, mit den Tierschützern: Ja, es gibt eine Honorierung, es gibt aber auch negative Konsequenzen, wenn die Tiere in einem schlechten Zustand dort ankommen. Das ist ein echter Anreiz für mehr Tierschutz im Stall.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Das ist ein weiterer Erfolg für das Land Niedersachsen. Wir werden das im Herbst auch für die Puten machen. Viele andere Bundesländer - übrigens auch welche mit CDU-Agrarministern - fragen danach, wie wir das mit den Tierschutzindikatoren machen. Ich glaube, man sieht an diesen Erlassen: Hohe und machbare Tierschutzstandards werden Stück für Stück zum Qualitätsmerkmal für die Nutztierhaltung in Niedersachsen. Niedersachsen bleibt Agrarland Nummer eins und wird bundesweiter Vorreiter beim Tierschutz.

Ich lade die Opposition gerne zur konstruktiven Mitarbeit am Tierschutzplan, den Sie ja einmal mitentwickelt haben, ein. Was ich im Moment immer nur bemerke, ist Bremsen: „Das geht nicht, wollen wir nicht, machen wir nicht; der Minister macht Fehler.“

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Sie ha- ben das nicht konsensual mit der Wirt- schaft gemacht!)

Ich danke SPD und Grünen für den heutigen Rückenwind für die sanfte Agrarwende. Ich möchte die CDU und die FDP immer gerne auch an kommunale und Landtagswahlergebnisse erinnern und schließe mit der alten Bauernregel: Wer Massentierhaltung beschönigt oder Tiere quält, wird in Niedersachsen nicht gewählt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen zu dieser Aktuellen Stunde nicht vor bzw. die dafür vorgesehenen Redezeiten sind erschöpft. Deshalb kann ich die Erledigung des Punktes a feststellen.

Wir kommen jetzt zum Punkt

b) EU-Vertragsverletzungsverfahren abwenden: Nitratbelastung senken - Düngeverordnung endlich novellieren - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/1791

Dazu hat zunächst der Kollege Heinrich Scholing das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch ein Landwirtschaftsthema - vielleicht weil der Minister Geburtstag hat.

Wir bleiben eigentlich beim Thema, wir reden jetzt nur über die Kehrseite der Medaille. Auch hierbei wird es darauf ankommen, nicht Leute an den Pranger zu stellen, sondern die bestehenden Konflikte auszuhalten und Lösungen zu finden.

Es geht um das Thema Wirtschaftsdünger. Vor einigen Wochen hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil wir die EU-Nitratrichtlinie nicht umgesetzt haben. Es muss und wird also eine

Novellierung der Düngeverordnung geben müssen. In diese Debatte sollten wir uns - häufig gesagt: Agrarland Nummer eins; ich sage in Klammern: auch Nitratland Nummer eins - wirklich zwingend einbringen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Johanne Modder [SPD])

Wir haben uns das Thema sowohl hier im Plenum als auch im Ausschuss schon zu eigen gemacht, und das aus gutem Grund. Denn wir haben ein Problem. Dazu brauchen wir auch nicht ein Vertragsverletzungsverfahren der EU. Wir haben uns im Ausschuss die Frage gestellt, wie eine ordnungsgemäße Düngung flächendeckend sichergestellt und durchgesetzt werden kann. Dabei haben wir einen Kompromiss gefunden, der schließlich so tragfähig war, dass er hier einstimmig abgestimmt werden konnte.

Aber das ist nur die halbe Miete. Denn das, was ordnungsgemäß ist, definieren nicht wir, das definiert die Düngemittelverordnung des Bundes. Diese Düngemittelverordnung muss novelliert werden. Das, was bisher beim Stickstoff und auch beim Phosphat als ordnungsgemäß definiert wird, ist deutlich zu viel. Wir haben in Niedersachsen im Durchschnitt einen Stickstoffbilanzüberschuss von 109 kg pro Hektar und Jahr, in einzelnen Landesteilen von 140 kg. Dieser Überschuss landet natürlich mehr oder weniger im Grundwasser. Wenn es ein Überschuss ist, kann er ja von den Pflanzen nicht aufgenommen werden. Das haben wir im Rahmen der Anhörung im Agrarausschuss vom LBEG sehr deutlich gezeigt bekommen.

Wir müssen also von dieser Menge herunterkommen. Wir müssen schließlich bei einem Überschuss von 40, vielleicht 50 kg landen. Das ist die Messlatte, an der wir uns orientieren, wenn wir in die Debatte um eine neue Düngeverordnung gehen, wenn wir bewerten.

Aber auch andere Punkte werden zu berücksichtigen sein. Bisher bleibt vieles außen vor. Kunstdünger kommt nicht vor.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Das sind Kunstdünger, Herr Kollege!)

- Ja, aber Kunstdünger landet schließlich auch als Stickstoff im Boden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Klärschlamm, Kompost, Klärsubstrate aus Biogasanlagen - all das wird derzeit nicht erfasst. Das muss sich ändern. Ich sage es noch einmal: Wir

müssen beim Bilanzüberschuss deutlich herunterkommen. Wir müssen auf 40 bis 50 kg kommen. Das lässt sich doch nicht wegreden, meine Damen und Herren, auch nicht durch Zwischenrufe. Warum haben wir denn den Düngekompromiss in Bezug auf den Entschließungsantrag geschlossen? - Weil wir wussten, dass es hier einen Handlungsbedarf gibt. Ich zitiere jetzt einmal Sie: Aussitzen und später machen geht bei diesem Thema nicht!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Des Weiteren müssen selbstverständlich alle Betriebe, bei denen als Dünger eingesetzter Stickstoff anfällt, in die Verpflichtung zur Erstellung einer Bilanz einbezogen werden. Das ist im Moment auch nicht der Fall.