Protocol of the Session on July 22, 2014

Meine Damen und Herren, hier geht es um die Frage, ob der Staat, der eine unabhängige und objektive Kontrolle durchzuführen hat, dafür auch die Kosten trägt oder ob er die Kosten von den zu Kontrollierenden erhebt. Die Darstellung, dass die Lebensmittelbereitstellung allein schon ein Risiko darstellt, wird nicht nur von unserer Fraktion, sondern auch von sehr vielen Unternehmen der Lebensmittelbranche entschieden zurückgewiesen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks sagt z. B., dass es ein falsches politisches Signal ist, wenn sich der Staat aus der Finanzierung des Verbraucherschutzes herauszieht.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Das ist eine Bankrotterklärung des Staates.

Die kommunalen Spitzenverbände sagen uns, dass das einen Verwaltungsmehraufwand bedeutet, und beklagen die fehlende Praktikabilität.

Auf EU-Ebene befindet sich eine entsprechende Verordnung in der Überarbeitung - sie liegt also überhaupt noch nicht vor. Wir würden vorpreschen, wenn wir hier eigene Regelungen träfen.

Die Niedersächsische Geflügelwirtschaft sagt ebenso wie die Bäckerinnung, dass das Kontrollniveau eher gesenkt wird, wenn die Eigenkontrollen zurückgeführt werden, weil man sich verstärkt auf staatliche Kontrollen verlassen will. Das zweistufi

ge Prinzip der Kontrolle der Eigenkontrolle würde geschwächt oder gar aufgegeben. Das bringt nicht mehr, sondern eher weniger Verbrauchersicherheit.

(Zustimmung bei der FDP)

Der Fleischerverband Niedersachsen-Bremen sagt, diese Gebühr belaste kleine und mittlere Betriebe in besonderem Maße.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dazu ein Beispiel aus eigener Anschauung nennen - Herr Minister, ich denke, der Kreis Holzminden ist Ihnen ein Begriff -: Wir haben im Kreis Holzminden noch einen kleinen, feinen Schlachthof. So etwas gibt es eigentlich so gut wie gar nicht mehr, weil die Hygieneanforderungen so hoch sind, dass sich solch kleine Einheiten überhaupt nicht mehr halten lassen. Dort werden etwa 200 Schweine und 10 Rinder in der Woche geschlachtet, also so gut wie gar nichts. Das Handwerk, die Landwirtschaft und alle Innungen sind dabei, dieses Kleinod zu erhalten.

In Zukunft gibt es - so wurde es mir vor einigen Tagen berichtet - vier Kontrollen: Dann kommt ein Kontrolleur vom LAVES aus Oldenburg viermal im Jahr. Der fährt 500 km hin und 500 km zurück, guckt - so wurde es mir gesagt - eine Viertelstunde anstandshalber in die Bücher, kriegt noch eine Tasse Kaffee - wie das bei uns im Kreis Holzminden ist -, und das war es. Das Ganze kostet 2 000 Euro. Das hört sich nicht viel an, ist für diesen kleinen Schlachthof aber eine dicke Summe.

Dazu kommt z. B. die Wasseruntersuchung. Das Wasser war immer in Ordnung und ist tipptopp. Diese Untersuchung hat in der Vergangenheit 250 Euro gekostet. In Zukunft kostet sie - das ist nicht Ihr Bier -, weil das Institut nicht zertifiziert ist, 1 200 Euro. Das Wasser ist nicht fünfmal so gut geworden, aber die Untersuchung ist fünfmal so teuer geworden.

Das, meine Damen und Herren, meint der Fleischerverband Niedersachsen-Bremen, wenn er sagt: Dieser Gebührenwust, den Sie über diese Betriebe ausschütten wollen, trifft ganz besonders die kleinen und mittleren Betriebe und dreht denen den Hals um. - Dann haben wir am Schluss nur noch Großschlachtereien!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Schweine und die Rinder aus dem Kreis Holzminden, wo die Ladenschlachter vor Ort schlachten, werden in Zukunft auf Lkw verladen und über

größere Entfernungen zu Großschlachthöfen transportiert werden müssen, wenn dieser Schlachthof nicht zu halten ist.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus gibt es nach wie vor rechtliche Bedenken. Verschiedene Verbände mahnen an, dass es nicht mit den rechtlichen Bestimmungen vereinbar ist, wenn die Gebühren in dieser Weise erhoben werden.

Die CDU hat nun einen interessanten Vorschlag gemacht. Sie fordert die Landesregierung auf, Betriebe, denen Verstöße gegen geltendes Lebensmittelrecht nachgewiesen werden können, zur vollen Finanzierung der Kontrollkosten heranzuziehen. Meine Damen und Herren, dieser Gedanke ist zwar faszinierend, aber, denke ich, nicht zielführend. Wenn ein Betrieb wirklich schwerwiegende Verfehlungen begangen hat - vielleicht sogar vorsätzlich -, dann ist das entsprechend scharf und hart zu sanktionieren. Aber dass er dann die Untersuchung voll bezahlen muss, ist sicherlich nicht das geeignete Instrument. Es gibt verschiedene Abstufungen. Es gibt formale Überschreitungen, die mehr im bürokratischen Bereich liegen; dann geht es nicht darum, dass etwas schuldhaft verursacht worden ist. Deshalb ist dieses Verfahren kaum handelbar. Denn wie will man bestimmen, ab wann ein Betrieb diese Untersuchung bezahlen muss?

Klare Kante - der Staat hat hier eine Daseinsvorsorge zu erfüllen. Er hat zu untersuchen und - vorhin wurde schon gesagt: Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen! - das zu bezahlen. Das wäre ja noch schöner! Wenn wir uns das nicht mehr leisten können, dann sollten wir den Laden dichtmachen oder „Bananenrepublik“ oben drüberschreiben.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegt ja auch ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU vor. Wenn wir eine sachgemäße Erledigung und zweckmäßige Gestaltung der Beratung wollen, dann müsste jetzt eigentlich der Änderungsantrag der CDUFraktion eingebracht werden. - Einverstanden? - Okay. Wir könnten das auch anders machen, aber dann ist das mit der sachgemäßen Erledigung schwierig.

Herr Kollege Oesterhelweg, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte eigentlich erst den Kollegen die Möglichkeit zum Reden geben, damit ich hinterher noch ein bisschen dazwischenhauen kann. Aber diese Möglichkeit haben wir ja immer.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege, Sie meinen das „Dazwischenhauen“ verbal?

Selbstverständlich, Herr Präsident.

Alles klar. Man könnte es auch anders verstehen. Aber so, wie ich Sie kenne, meinen Sie es verbal. Bitte schön!

Gerade bei Ihrer Sitzungsleitung mache ich das - mit allergrößtem Respekt - natürlich nur verbal.

(Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das ist eine ganz neue Strategie, Herr Kolle- ge!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Saubere Luft, sauberes Wasser, saubere und gesunde Lebensmittel - ohne sie könnten wir nicht leben. Allerdings tritt ihre Bedeutung in der Wertigkeit manches Mal in den Hintergrund, weil wir - bleiben wir bei Lebensmitteln - ausreichend davon zur Verfügung haben. Was man in Hülle und Fülle hat, das ist für manchen schon nichts mehr wert.

Jawohl, meine Damen und Herren, das ist die große Leistung unserer Landwirtschaft und unserer Lebensmittelbranche im handwerklichen und - ich sage es ganz bewusst - im industriellen Bereich. Wir verfügen über preiswerte Lebensmittel in ausreichender Menge und Auswahl und in bester Qualität, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Um es deutlich zu sagen: Vor dem Hintergrund dieser Leistung, die zumindest die ältere Generation angesichts anderer Erfahrungen noch zu schätzen weiß, ist Ihr Kreuzzug, Herr Minister, gegen unsere Land- und Ernährungswirtschaft

(Zurufe von den GRÜNEN: Oh!)

erstens ungerecht, zweitens ungerechtfertigt und drittens - mit Verlaub - auch dumm, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Was soll denn das? - Wiard Siebels [SPD]: Entgleisung!)

Das, was hier an Häme und Diffamierung zu beobachten ist, ist schlicht und einfach ein Skandal.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Lebensmittelüberwachung als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge ist zu stärken. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Klare rechtliche Vorgaben, wirksame und umfangreiche Eigenkontrollen mit der Ergänzung der entsprechenden staatlichen Kontrollen - dieses System hat sich schlicht und einfach bewährt, meine Damen und Herren. Dieses System gilt es zu stärken und zu perfektionieren. Sie wollen es abschaffen; durch mehr Bürokratie, durch mehr staatliche Gängelung und durch höhere Kosten für Wirtschaft und Verbraucher. Sie machen unseren Mittelstand platt und die Verbraucher zu Verlierern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie laufen los, Herr Minister, blind vor Eifer, mit einem Fanatismus, der schon beängstigende Züge hat. Augen zu und durch, ohne Rücksicht auf Verluste, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD: He!)

Es ist Ihnen vollkommen egal, dass man auf EUEbene eben gerade dabei ist, dieses Kontrollsystem und dessen Finanzierung zu beraten. Das ist Ihnen vollkommen egal. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks formuliert treffend - Zitat -:

„Vor dem Hintergrund dieser unsicheren Rechtslage kann es nicht Aufgabe oder Intention einer Landesregierung sein, ein Gesetz“

- hier ist es eine Verordnung -

„zu schaffen, welches aufgrund möglicher Europarechtswidrigkeit und verfassungsrechtlicher Bedenken augenblicklich wieder aufgehoben wird.“

Genau so ist es, Herr Minister. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

(Beifall bei der CDU)