Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 4. Sitzung im 2. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 17. Wahlperiode.
Ich stelle fest, dass bereits eine hinreichende Zahl von Abgeordneten im Plenarsaal anwesend ist. Ich stelle somit die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.
Wir haben Freudiges zu vermelden: Wir haben zwei Geburtstagskinder. Geburtstag haben heute Herr Innenminister Boris Pistorius und der Abgeordnete Marco Brunotte. Im Namen des Hauses herzlichen Glückwunsch an die beiden!
Es bleibt im Übrigen zu klären, welche schöne Folgewirkung es für die beiden Geburtstagskinder hat, dass man hier so herzlich beglückwünscht wird. Aber das klärt sich im Laufe des Tages.
Ihnen beiden jedenfalls Gesundheit und Wohlergehen für das jeweils vor Ihnen liegende neue Lebensjahr!
Meine Damen und Herren, wir wollen in die Tagesordnung einsteigen. Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 14, Dringliche Anfragen. Sodann setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.
Für den heutigen Tag haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Weil, von der Fraktion der CDU Herr Lammerskitten bis 14.30 Uhr und Frau Klopp ab 10.15 Uhr.
Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Da wir heute zum ersten Mal in dieser Wahlperiode Dringliche Anfragen behandeln, weise ich zunächst auf die dafür geltenden Regelungen hin.
Jede Fraktion kann bis zu fünf Zusatzfragen stellen. Zusatzfragen dürfen nicht verlesen werden. Sie müssen zur Sache gehören und dürfen die ursprüngliche Frage nicht auf andere Gegenstände ausdehnen. Die Zusatzfragen müssen knapp und sachlich sagen, worüber Auskunft gewünscht wird. Zusatzfragen, durch deren Inhalt der Tatbestand einer strafbaren Handlung begründet wird oder die Werturteile oder parlamentarisch unzulässige Wendungen enthalten, sind unzulässig. Kurzinterventionen sind ebenfalls unzulässig. Einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen sind - darauf weise ich besonders hin - nicht zulässig.
Ich gehe davon aus, dass wir diese Regelungen zukünftig als bekannt voraussetzen dürfen. Gegebenenfalls wird das Präsidium, in welcher Zusammensetzung auch immer, ordnend eingreifen und auf die Spielregeln immer wieder einmal hinweisen.
Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass Sie sich jeweils schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten. - Das vorweg.
a) Aufklärung der Widersprüche des Innenministers im Fall der am 23. Februar 2013 teilweise abgeschobenen Familie Osmani aus Lüchow - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 17/39
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herzlichen Glückwunsch auch von uns, Herr Minister Pistorius!
Das Hamburger Abendblatt berichtete am 16. November 2012, Frau Doris Schröder-Köpf würde Integrationsbeauftragte einer neuen rot-grünen Landesregierung werden.
Es zitiert Frau Schröder-Köpf folgendermaßen: „Mit mir wird es keine Nacht-und-Nebel-Aktionen der Abschiebung geben.“ Im gleichen Artikel wird der damalige Spitzenkandidat der SPD mit den Worten über Frau Schröder-Köpf zitiert: „Ihr Wort hat Gewicht.“
In seiner Regierungserklärung erklärte Ministerpräsident Weil am 19. Februar 2013, die neue Regierung werde in der Flüchtlingspolitik einen Paradigmenwechsel vornehmen und in Härtefällen den Gesichtspunkt der Mitmenschlichkeit in den Vordergrund stellen.
Die tageszeitung vom 25. Februar 2013 berichtete, der Landrat des Landkreises Lüchow-Dannenberg, Jürgen Schulz, sei, nachdem die Landesregierung ins Amt kam und der Paradigmenwechsel vom Ministerpräsidenten angekündigt wurde, beim Innenministerium vorstellig geworden, um die bevorstehende Abschiebung einer Familie aus Lüchow in die Republik Kosovo „zu stornieren“. Das Innenministerium habe ihn zu seiner Überraschung in „scharfer Form“ gefragt, wie er das begründen würde.
Nach einem Bericht der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen vom 26. Februar 2013 hingegen hatte sich der Landkreis Lüchow-Dannenberg zunächst sogar erfolgreich an das LKA mit der Bitte gewandt, die Abschiebung aufzuschieben. Daraufhin habe sich das Innenministerium eingeschaltet, weil der Innenminister keinen Grund sehe, die Abschiebung zu stoppen.
Der Landrat bat nun laut des Berichtes in der tageszeitung vom 25. Februar 2013 ausdrücklich, die Sache dem Innenminister Pistorius vorzutragen und ihm schriftlich zu bestätigen, dass Minister Pistorius der Vorgang vorgetragen wurde und sich an der Einschätzung des Innenministeriums dennoch nichts geändert habe. Daraufhin soll er am Donnerstag, dem 21. Februar 2013, also zwei Tage nach der Regierungserklärung, eine entsprechende E-Mail des Innenministers erhalten haben.
In einem Beitrag des Fernsehmagazins „Hallo Niedersachsen“ vom 26. Februar 2013 im NDR war ein Ausdruck dieser E-Mail zu sehen. Dort war deutlich zu lesen: „Herr Minister Pistorius ist informiert.“
Am Samstag, dem 23. Februar 2013, wurde die Familie Osmani nachts um 3.30 Uhr in Lüchow von Polizei und Ausländerbehörde aus dem Schlaf gerissen, um daraufhin abgeschoben zu werden. Weil der 16-jährige Sohn nicht anwesend war, konnte die Maßnahme gegen ihn und seinen Vater nicht vollstreckt werden. Gleichwohl wurden die Mutter und die 7- und 13-jährigen Söhne noch am gleichen Tag allein in die Republik Kosovo abgeschoben.
Auf erste Presseanfragen zu diesem Fall antwortete der Pressesprecher des Innenministeriums laut tageszeitung vom 25. Februar 2013, man sei sich mit dem Landkreis über die vorliegenden und notwendigen Voraussetzungen für eine Abschiebung einig gewesen. Der Vater sei einmal wegen Betruges, einmal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkundenfälschung verurteilt worden und die Mutter wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung. Minister Pistorius werde sich zu dem Fall nicht äußern. Ferner soll der Pressesprecher laut tageszeitung gesagt haben: „Wenn man das Verfahren abbrechen will, braucht es natürlich Begründungen.“
In einer Pressemitteilung des Innenministeriums vom 26. Februar 2013 teilte Minister Pistorius mit, der konkrete Fall der abgeschobenen Romafamilie sei ihm nicht bekannt gewesen. In der Mediathek des NDR ist ein Interview bei „Hallo Niedersachsen online“ vom 26. Februar 2013 abrufbar, in dem Minister Pistorius sagte: „Die Abschiebung ist gewissermaßen ohne meine Kenntnis des Einzelfalles gelaufen.“
1. Wie detailliert wurde Minister Pistorius, von wem und zu welchem Zeitpunkt über den Fall der Familie Osmani und die Fragen des Landkreises Lüchow-Dannenberg informiert, und welche Anordnungen und Veranlassungen hat er getroffen?
2. Warum fand die Abschiebung nachts und am Wochenende statt, und entspricht dieses Verfahren der Einlassung der designierten Integrationsbeauftragten Schröder-Köpf, nach der es keine Nacht-und-Nebel-Abschiebungen geben werde?
3. Warum wurde die Familie Osmani zerrissen und die Mutter allein mit zwei minderjährigen Kindern in die Republik Kosovo abgeschoben, und entspricht dieses Verfahren dem vom Ministerpräsidenten angekündigten Paradigmenwechsel?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal bedanke ich mich für die Gelegenheit, meinen Geburtstag in diesem Hohen Haus verbringen zu dürfen.
Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sich auf einen Paradigmenwechsel in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik verständigt.