Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinterlässt die alte Landesregierung von CDU und FDP in finanzieller Hinsicht einen Scherbenhaufen?
In der Landeskasse fehlen laut HAZ vom 2. Februar 2013 rund 500 Millionen Euro. „Wir übernehmen in finanzieller Hinsicht von der Vorgängerregierung einen Scherbenhaufen“, sagte der designierte Ministerpräsident Stephan Weil. Deshalb solle nach dem Kassensturz im Zusammenhang mit der Mai-Steuerschätzung eine intensive Überprüfung aller Aufgaben stattfinden.
Der scheidende Finanzminister Hartmut Möllring hat dem in einer Pressemitteilung vom 4. Februar 2013 widersprochen und erklärt: „Die Einschätzung von Herrn Weil teile ich nicht. Die von uns vorgelegten Zahlen sind solide. Unabhängig davon, wie sich die Konjunktur und die Tarifverhandlungen entwickeln, verbleibt der neuen Landesregierung finanzieller Spielraum.“
1. Wie stellt sich die aktuelle Situation des Haushalts 2013 - auch angesichts des Tarifabschlusses vom Wochenende - tatsächlich dar?
2. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung aus der gegenwärtigen Haushaltssituation und der konjunkturellen Entwicklung für die Fortschreibung der Mittelfristigen Planung 2013 bis 2017?
3. Welche Schritte zur Konsolidierung des Landeshaushaltes sind angesichts dieser Einschätzung von der Landesregierung geplant?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:
Zunächst zur Frage 1 nach dem Haushalt 2013. Der Haushalt hat eine strukturelle Unterdeckung von 1,2 Milliarden Euro. Anders ausgedrückt: Es werden 1,2 Milliarden Euro ausgegeben, die nicht durch laufende Einnahmen gedeckt sind.
Diese Zahl setzt sich wie folgt zusammen: Im Haushaltsplan ist eine Nettokreditaufnahme von 620 Millionen Euro enthalten. Dies ist jedoch keineswegs die gesamte Schuldenaufnahme. Hinzu kommt eine Rücklagenentnahme von 283 Millionen Euro, also neue Schulden aus alten Kreditermächtigungen. Die tatsächliche, direkte Quasi-Neuverschuldung liegt damit bei rund 900 Millionen Euro. Weiterhin sind Einnahmen aus Beteiligungsveräußerungen in Höhe von 295 Millionen Euro eingeplant. Damit verbunden ist - das hatten wir gestern schon einmal erörtert - eine entsprechende Kreditbelastung bei der HanBG. Das Ergebnis: Das strukturelle Defizit 2013 beträgt damit ausweislich des vorliegenden Haushaltsplans rund 1,2 Milliarden Euro.
Wie befürchtet, tritt derzeit eine deutliche Dämpfung der Steuereinnahmeentwicklung ein. Im Sommer des letzten Jahres ging die Bundesregierung noch von einem realen Wachstum von 1,6 % aus. Für das Jahr 2013 wurden die Wachstumser
wartungen inzwischen auf 0,4 % reduziert. Die ersten beiden Monate des Jahres haben für das Land zu einem Minus bei den Steuern von 176 Millionen Euro geführt. Es ist allerdings - das will ich gern zugestehen - noch zu früh, aus diesen zwei Monaten abschließende Schlussfolgerungen für den Jahresverlauf zu ziehen.
Es ist jedoch aus heutiger Sicht - bestätigt eben auch durch diese zwei Monate - mit geringeren Steuereinnahmen als im Haushalt veranschlagt zu rechnen. Nähere Aufschlüsse wird uns auch hierüber erst die Steuerschätzung im Mai liefern können.
Zum Tarifabschluss ist festzustellen: Die Ansätze des Haushalts 2013 und der Mipla ab 2014 ermöglichen über alle Beschäftigtengruppen hinweg lineare Steigerungen bei den Personalausgaben von jeweils 2 %. Nach dem Ergebnis des Abschlusses vom letzten Wochenende sollen die Gehälter der Tarifbeschäftigten rückwirkend um 2,65 % steigen. Wir werden - das wissen Sie - die Tariferhöhungen, soweit es die erste Stufe angeht, 1 : 1 auf den Beamtenbereich und damit auch auf die Versorgungsempfänger übertragen. Die im laufenden Jahr entstehenden Mehrausgaben von 70 Millionen Euro werden wir innerhalb der Personalausgabenansätze erwirtschaften.
Zinsminderausgaben werden teilweise zur Kompensation der zusätzlichen Belastungen beitragen können. Das ist sehr erfreulich. In welchem Umfang dies der Fall sein wird, muss sich im weiteren Verlauf des Jahres zeigen.
Nicht zu vergessen ist bei der Beurteilung des Haushalts 2013 der Einzelplan 13 mit den dort veranschlagten globalen Minderausgaben von insgesamt 261 Millionen Euro. Diese Beträge sind im Rahmen der Haushaltsführung des laufenden Jahres noch zu erwirtschaften und stellen insoweit ein Risiko für den Jahresabschluss dar.
Welche Schlussfolgerungen bringen diese Erkenntnisse für die Mipla? - In der Mipla der Vorgängerregierung sind für die Jahre 2014 bis 2016 folgende Handlungsbedarfe aufgeführt: 139 Millionen Euro im nächsten, dann 58 Millionen Euro, dann 41 Millionen Euro. Das bedeutet für die Aufstellung des Haushalts 2014, dass zuallererst die erwähnten 139 Millionen Euro einzusparen sind, bevor auch nur daran gedacht werden kann, Spielräume für das Umsteuern von Fachpolitiken zu schaffen.
Bei den Steuereinnahmen des Jahres 2012 - das ja noch nicht abgeschlossen ist; aber für diesen Bereich kann ich es schon sagen - wurde das Gesamtsoll nicht vollständig erreicht. Der negative Basiseffekt führt zusammen mit den erwähnten geringeren Wachstumserwartungen laut Jahreswirtschaftsbericht zunächst einmal zu einer Minderung der Einnahmeerwartungen in der Größenordnung von im Moment natürlich immer noch geschätzten rund 200 Millionen Euro. Auch hierüber wird uns die Steuerschätzung im Mai nähere Aufschlüsse liefern.
Für das Jahr 2014 würde die 1:1-Übernahme des Tarifabschlusses ein Haushaltsloch von 170 Millionen Euro jährlich aufreißen. Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, über diese zweite Stufe der Tariferhöhung in Verbindung mit der Haushaltsaufstellung 2014 im Rahmen der Haushaltsklausur im Juli zu entscheiden.
Weiter zur Mipla. Im Einzelplan 13 finden wir Beteiligungsveräußerungen von 110 Millionen Euro pro Jahr des Mipla-Zeitraums. Als Begründung, warum dies 110 Millionen Euro sind, wird angegeben, dass es sich dabei um einen Durchschnittswert der 15. und 16. Legislaturperiode handele. Allerdings, meine Damen und Herren, sind diese Planansätze durch keinerlei reale Maßnahmen hinterlegt. Das sind Hoffnungswerte.
Eine rückblickende Betrachtung, also den Durchschnitt der Vergangenheit, zugrunde zu legen, halte ich nicht für sinnvoll. Man kann nicht aus Verkäufen in der Vergangenheit auf die Zukunft schließen. Das Tafelsilber steht immer nur einmal zur Verfügung. Es ist ein bisschen so wie folgender Vergleich: Im vorigen Jahr habe ich mein altes Auto verkauft und bin von dem Geld in den Urlaub gefahren; das werde ich nächstes Jahr wieder machen. Das geht aber nicht; denn das Auto ist weg. Diese rückblickende Betrachtung ist also wenig sinnvoll.
In der Koalitionsvereinbarung der Regierungsfraktionen wird eine kritische und ausschließlich am Landesinteresse orientierte Begleitung der Beteiligungen des Landes angekündigt. Wir werden in diesem Sinne eingehend prüfen, ob und in welcher Höhe Beteiligungsveräußerungen - so denn noch etwas vorhanden ist - aus dem Vermögensportfolio des Landes realisierbar sind. Klar ist - das steht auch in der Koalitionsvereinbarung -: Die großen strategischen Landesbeteiligungen Volkswagen,
Somit, meine Damen und Herren, bestehen allein für 2014 konkrete Deckungslücken und Risiken in Höhe von rund 0,5 Milliarden Euro, ohne dass auch nur eine Rechtsverpflichtung oder eine alte Maßnahme aktuell teurer geworden wäre.
Zusammengefasst noch einmal: 139 Millionen Euro Handlungsbedarf, 200 Millionen Euro weniger Steuern, 170 Millionen Euro Tariferhöhungen. - Das sind die 500 Millionen Euro. Das Risiko bei den Veräußerungen, das ich eben angesprochen habe, ist dabei noch nicht mitgerechnet.
Ersparnisse bei den Zinsen und der noch vorhandene Bestand der allgemeinen Rücklage werden höchstens die Hälfte dieser Summe decken können.
Ich will noch einmal hervorheben: Die allgemeine Rücklage beträgt, so wie es im Moment aussieht, 125 Millionen Euro. Wenn Sie bedenken, dass im Gegensatz dazu im laufenden Haushalt 2013 der allgemeinen Rücklage 283 Millionen Euro entnommen werden, sodass diese jetzt auf die erwähnten 125 Millionen Euro sinkt, dann wird vielleicht deutlich, dass das, was wir hier ererbt haben, nicht gerade üppig ist.
(Reinhold Hilbers [CDU]: Immerhin geben Sie zu, dass Sie eine Menge geerbt haben! Das ist schon einmal gut! - Weitere Zurufe von der CDU)
In der Mipla sind darüber hinaus für die Jahre 2014 bis 2016 globale Minderausgaben von insgesamt 850 Millionen Euro ausgebracht. So gut ist das nicht; globale Minderausgaben sind nämlich Geld, das man nicht hat. Davon entfallen allein 265 Millionen Euro, also 30 %, auf die Ressorthaushalte. Im Sinne einer soliden Haushaltsführung und der erforderlichen Haushaltstransparenz gehört es dazu, auch auf diese Vorbelastung hinzuweisen.
Im Zusammenhang mit den Berechnungen zum Haushalt 2012 kristallisiert sich heraus, dass sich die optimistische Annahme meines Amtsvorgängers nach dem ersten Abschluss im Januar, rund 200 Millionen Euro Rücklage würden verschont werden können, leider nicht verfestigt hat.
Die Ressorts haben Rekordanmeldungen bei den Haushaltsresten vorgelegt: 1,56 Milliarden Euro. Das ist eine Summe, die nach dem Auslaufen der Konjunkturpakete rekordverdächtig erscheint. Diese Reste werden zurzeit, bis Ende März, von den Haushaltsreferaten geprüft. Das Ergebnis bleibt abzuwarten. Erst danach werden wir Klarheit über den Haushaltsabschluss 2012 und damit auch über den tatsächlichen Stand der Rücklage haben.
Insgesamt, meine Damen und Herren, bestätigen die vorhandenen Deckungslücken und die bereits jetzt bekannten Risiken unsere Annahme, dass die Mipla der alten Landesregierung auf dem Prinzip Hoffnung beruht. Sie geht bei der Entwicklung der Steuereinnahmen von zu optimistischen Annahmen aus, die aktuell infrage zu stellen sind, sie baut auf nicht konkretisierte Veräußerungserlöse, und sie enthält nur eine bescheidene Tarifvorsorge.
Daraus wird deutlich, dass es eines Kassensturzes bedarf, um auf der Grundlage der dann erkennbaren tatsächlichen finanziellen Situation der Landesfinanzen im Rahmen des Aufstellungsverfahrens 2014 und der Fortschreibung der Mipla rechtzeitig die notwendigen Weichenstellungen vornehmen zu können. Diesen Kassensturz werden wir durchführen, wenn wir die Haushaltsanmeldungen der Ressorts kennen und die Ergebnisse der Steuerschätzung im Mai vorliegen.
Klarstellen möchte ich aber jetzt wie gestern schon: Die Regierungskoalition hat sich das Ziel gesetzt, die Schuldenbremse des Grundgesetzes umzusetzen und landesrechtlich zu verankern. Dafür streben wir eine Änderung der Verfassung an. Das bedeutet natürlich auch, dass wir einen Abbaupfad vorsehen werden.
Allerdings ist der Abbaupfad, den die alte Parlamentsmehrheit in den § 18 a der Landeshaushaltsordnung gegossen hat, angesichts der beschriebenen Entwicklung realitätsfern. Wir haben das Thema bereits gestern erörtert.
Nun zur Frage 3 nach den Konsolidierungsschritten. Ich möchte zunächst noch einmal auf die aktuelle Verschuldungssituation eingehen, weil das sicherlich von allgemeinem Interesse ist. Am
31. Dezember 2012 betrug der Verschuldungsstand - Kreditmarktschulden - 55,33 Milliarden Euro. Im Verlauf des Jahres 2012 wurde keine Nettokreditaufnahme realisiert. Das war möglich durch die Inanspruchnahme von Kassenkrediten in Höhe von 885 Millionen Euro - das ist der Stand zum 31. Dezember, wie auch die Zahlen, die ich Ihnen jetzt vortrage, keineswegs nach der Regierungsbildung verändert worden sind, sondern die Zahlen sind, die Minister Möllring vorgelegen haben; 885 Millionen Euro, Stand der Kassenkredite zum Jahresende - und sonstiger zur Verfügung stehender Liquidität, wie z. B. zum jeweiligen Stichtag nicht erforderlicher Bestände von Sondervermögen wie dem Wirtschaftsförderfonds.
Eine Zuordnung der Kreditaufnahme zum jeweiligen Haushaltsjahr, meine Damen und Herren, erfolgt regelmäßig erst nach dem dritten Haushaltsabschluss, also im Mai.
Nach jetzigem Anmeldungsstand der Haushaltsausgabereste werden die noch zur Verfügung stehenden Gesamtkreditermächtigungen - alte und neue sowie Ermächtigungen für Kassenkredite - in Höhe von 3,5 Milliarden Euro weitestgehend für den Haushaltsabschluss 2012 verbraucht werden. Das ist immer schwer zu durchschauen.
Ich empfehle, wenn es weitere Fragen dazu gibt, die jetzt nicht zu beantworten sind, dieses Thema ausgiebiger noch einmal im Haushaltsausschuss zu beraten.
Der Unterschied zwischen der Veranschlagung mit nachlesbaren Zahlen im Haushaltsplan und dem Haushaltsvollzug mit Liquiditätssteuerung ist natürlich erheblich. Wir haben wegen des Auseinanderfallens von Zeitpunkten von Steuereingängen und Ausgaben zeitweilig große Überschüsse in der Kasse und legen Geld an - wir kriegen dafür leider im Moment auch nicht ganz so viel Zinsen -, haben dann aber auch wieder Zeitpunkte, in denen Liquiditätsprobleme entstehen und in denen Kassenkredite in dieser so herum betrachtet günstigen Kreditsituation in Anspruch genommen.