Protocol of the Session on March 14, 2013

(Gabriela König [FDP]: Das ist Knei- fen!)

Da kann man nur sagen: Donnerwetter, Leihstimmenpartei! Leihstimmenpartei für Tarifautonomie - wie geht das denn? Dieselben Leute wie Frau König, die den kleinen Betrieben Betriebsräte verweigern wollte, sind auf einmal für Tarifautonomie.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Sie sind ja richtig mutig!)

Meine Damen und Herren, diese Täuschung stinkt zum Himmel. Sie sind der Wolf im Schafspelz, wenn es um Arbeitnehmerrechte und Tarife geht. Ihre Glaubwürdigkeit ist so weit geschädigt, dass man besser erst einmal aus dem Fenster guckt, wenn Sie einem „Guten Tag“ sagen. Vielleicht ist es tiefe Nacht.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Gero Hocker [FDP]: Das ist sogar dem Wirtschaftsminister peinlich!)

Wäre die Tarifautonomie wirklich in Gefahr, würde der DGB den Mindestlohn gar nicht fordern; denn die Tarifautonomie ist doch die heilige Schrift der Gewerkschaften. Das sollten Sie doch wissen!

(Gabriela König [FDP]: Herr Schmin- ke, was Sie sich hier leisten, ist wirk- lich ein Trauerspiel!)

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Busemann, der Präsident dieses Hauses, hat sich höchstpersönlich als Befürworter eines flächendeckenden Mindestlohnes geoutet und dies mit einem christlich-sozialen Profil begründet. Er hat damit ausgedrückt, was Millionen Menschen in Deutschland fühlen und fordern.

In den Talkshows ist übrigens auch Herr Geißler zu hören, der ganz ernsthaft über nicht auskömmliche Einkommen trotz vollschichtiger Arbeit redet - auch Herr Blüm tut das hin und wieder -, der die Situation von Millionen Menschen als Bittsteller anprangert und dazu auffordert, die Zustände schnellstens zu verändern, meine Damen und Herren. Denn hier tickt eine Zeitbombe, sagt er. Die Zeitbombe tickt wirklich. Herr Geißler erntet dafür Beifall. Aber seine Bundespartei, die mit der FDP in Regierungsverantwortung ist, sieht sich nicht in der Lage, sich in dieser Frage von der

Leihstimmenpartei der FDP zu lösen. Was ist denn das? Was ist denn das in Wirklichkeit? - Das ist doch Schwäche hoch fünf.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, nachdem Leiharbeiter ihren Anspruch auf Equal Pay und somit auf Lohnzahlungen und Sozialversicherungsbeiträge über das Bundesarbeitsgericht durchgesetzt hatten, wurde sogar die CDU aktiv. Sie setzte sich aber nicht für die betrogenen Menschen ein, sondern für eine Amnestie der Zeitarbeitsfirmen. Hier wird Ihre Geisteshaltung sichtbar. Sie schützen die Ausbeuter, während es uns um die Verbesserung der Situation von Millionen von Menschen geht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Selbst den Armutsbericht verfälschen Sie. So hilflos sind Sie inzwischen. Ihr Geschäftsmodell der Lohndrückerei wird demnächst ein Ende finden. Sie sind bereits heute handlungsunfähig, weil Ihnen die gestaltende Mehrheit im Bundesrat abhanden gekommen ist. Sie werden für Ihren krankhaften Deregulierungswahn bluten. Wir freuen uns auf die Auseinandersetzung im Ausschuss.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der FDP)

Als nächster Rednerin erteile ich für die FDP-Fraktion der Kollegin Gabriela König das Wort. Bitte schön, Frau König!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schminke, das war eine sehr schöne Gewerkschaftsrede - aber die sollte normalerweise nicht im Landtag gehalten werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie schreiben in Ihrem Antrag, der Niedriglohn habe sich in letzten Jahren rasant ausgedehnt. Ich weiß nicht, woher Sie diese Zahlen nehmen.

(Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das war schon die letzten fünf Jahre Ihr Pro- blem, dass Sie nicht erkannt haben, was hier passiert!)

Fakt ist, der Anteil der sogenannten atypisch Beschäftigten - der Teilzeitarbeiter, befristet Beschäftigten, Zeitarbeiter und Minijobber - an allen abhängigen Beschäftigten liegt seit 2005 stabil bei 25 %. Normalarbeitsverhältnisse werden dadurch überhaupt nicht verdrängt. Die Arbeitslosigkeit hat sich hingegen stark verringert, und die Aufstiegslöhne reichen damit in sehr vielen Bereichen bereits weit über Ihre Forderungen eines Mindestlohnes hinaus. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

(Beifall bei der FDP)

Die Internationale Arbeitsorganisation ILO bescheinigt Deutschland eine der erfolgreichsten Arbeitsmarktentwicklungen weltweit. Nicht nur das Volumen der Beschäftigung ist gestiegen, auch die Struktur hat sich verbessert. Unfreiwillige Teilzeit und unfreiwillige Befristung sind rückläufig.

(Jörg Bode [FDP]: Aha!)

Laut Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes stieg der Durchschnittslohn zwischen 2006 und 2010 von 9,90 Euro auf 10,36 Euro.

(Zurufe bei der SPD und bei den GRÜNEN: Oh!)

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist seit 2007 um 40 % gesunken. 2012 sank sie von 1,7 Millionen auf 1 Million.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Was das bedeutet? - Es ist immer besser, Arbeit zu haben, als die Zeit ohne Arbeit und ausgeschlossen vom gesellschaftlichen Leben zu fristen.

(Beifall bei der FDP)

Unsere vordringlichste Aufgabe muss doch wohl sein, in allen Teilen des Landes Vollbeschäftigung zu erlangen und aus den Einstiegslöhnen der Ungelernten so schnell wie möglich Aufstiegslöhne zu erzeugen.

(Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Das kann man aber nicht mit einem flächendeckenden, allgemeinverbindlichen gesetzlichen Mindestlohn. Und Sie wissen nur zu gut: Das will auch die Mehrheit der Gewerkschaftler nicht - jedenfalls wenn ich mit denen rede.

(Beifall bei der FDP - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Ja, das ist interessant.

Selbst Herr Steinbrück hat den gesetzlichen Mindestlohn 2006 noch vehement abgelehnt. Mit dieser Forderung kommen die Langzeitarbeitslosen und die Unqualifizierten nämlich gar nicht erst in Arbeit. Ganz im Gegenteil: Sie vernichten sogar Arbeitsplätze damit. Außerdem schwächen Sie die Tarifautonomie, was ich für sehr gefährlich halte. Haben Sie sich noch nie gefragt, warum einige Unternehmen aus der Tarifautonomie ausgestiegen sind?

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

- Ich kann Ihnen das erklären. Einige Unternehmen konnten die sehr hoch gesteckten Lohnforderungen nämlich teilweise gar nicht mehr erfüllen. Zur Wahl stehen entweder Entlassungen oder Insolvenz des Unternehmens. Beides heißt: Arbeitsplätze gehen verloren. Was würden Sie denn da tun? - Jetzt sind Sie still.

(Lachen bei der SPD)

Besonders für arbeitslose und gering qualifizierte Jugendliche ist ein Zugang zum Arbeitsmarkt sehr wichtig. Hier sind der Einstieg und der Aufstieg auch sozial von Bedeutung. Ansonsten besteht die Gefahr, die Arbeitslosenzahlen der unter 25-Jährigen unserer europäischen Nachbarn zu bekommen. Das wissen auch Sie. Sie liegen nämlich in Skandinavien - selbst dort - über 20 % und in den anderen Krisenländern bei bis zu 50 %. Überlegen Sie sich das einmal. Wollen Sie da gerne hin?

Auch wir Liberale sind gegen Dumpinglöhne und sittenwidrige Löhne.

(Lachen bei der SPD)

Dagegen muss man auch vorgehen. Wir müssen soziale Verwerfungen auffangen. Das ist aber keineswegs mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn möglich. Sie bestehen insbesondere in Bereichen der funktionierenden Tarifpartnerschaften und bei Unternehmen, die beispielsweise über Werkverträge Regelungen bewusst umgehen. Hier müssen wir ansetzen, unsere Instrumente prüfen. Das kann eine Regelung im Wirtschaftsrecht. Wenn es um Lohnuntergrenzen geht, gibt es viele Stellschrauben, die als Weg zur Verfügung stehen. Möglich wäre etwa ein Arbeitnehmerentsendegesetz oder ein Mindestarbeitsbedingungengesetz, um einen Vergleichslohn zu erwirken, der dann auch vom Staat kontrolliert werden sollte.

(Glocke des Präsidenten)

Es ist jedoch falsch zu glauben, dass es ein flächendeckender allgemein verbindlicher gesetzlicher Mindestlohn sein soll. Ich spreche Ihnen auch ab, dass Sie in jeder Branche genau das Richtige tun, was dort eigentlich gefordert ist. Das können Sie gar nicht wissen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen, weil Sie schon eine halbe Minute überzogen haben.

Okay. - Ich will Ihnen noch eines sagen. Altersarmut lässt sich mit diesem Lohn überhaupt nicht bekämpfen. Dann müssten Sie 14,40 Euro fordern, und das ist selbst für Sie ein bisschen zu hoch gegriffen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau König. - Sie haben gerade im Präsidium ein kleines Schmunzeln ausgelöst, als Sie an eine Fraktion gerichtet sagten: Jetzt sind Sie aber still. - Wir sollten es nicht so weit treiben, dass die Redner die Zwischenrufe und das Stören selber herausfordern.

(Heiterkeit bei der FDP)