Protocol of the Session on March 14, 2013

(Heiterkeit bei der FDP)

Das bitte ich grundsätzlich im Interesse eines geordneten Ablaufs zu beachten. Es war eine scherzhafte Bemerkung.

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Thomas Schremmer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau König, Sie haben keine schöne Gewerkschaftsrede gehalten. Deswegen verstehe ich auch sehr gut, warum Sie keine Ahnung davon haben, was Gewerkschaften wirklich fordern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich kann Ihnen sagen: Es freut mich und mein Gewerkschaftsherz sehr, dass ich in meiner ersten Rede in diesem Hohen Haus zum Thema Lohngerechtigkeit sprechen darf. Ich bin mir sicher, dass die Mehrheit der Bevölkerung, die Mehrheit dieses

Hauses, die Mehrheit der Anhängerinnen der CDU/CSU und möglicherweise auch - ich habe zumindest gehört, dass sich auch der FDPVorsitzende an der Lebenswirklichkeit orientieren will - ein Teil der FDP für die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich rede hier von denjenigen - und ich spreche sie direkt an -, die eigentlich von diesem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn am meisten profitieren werden. Das sind nämlich die Arbeitnehmerinnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich sage es bewusst so, da es sich ausschließlich um Frauen handelt, die im Wesentlichen davon profitieren. Wir werden insofern diese Länderinitiative für den gesetzlichen Mindestlohn unterstützen. Die neue rot-grün geführte Bundesregierung wird das nach der Bundestagswahl 2013 umsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Schremmer, der Kollege Bley möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese zu?

Ich werde mich nachher mit dem Kollegen Bley unterhalten und im Ausschuss erst recht.

(Zurufe)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht sollten wir uns einmal ein paar Zahlen anschauen. Frau König hat ja auch ein paar genannt. Ich glaube, die Zahlen, die sie genannt hat, sind nicht relevant dafür, um diesen Niedriglohnbereich zu charakterisieren. Rund 1,3 Millionen Menschen stocken ihren Lohn auf, um überleben zu können. 350 000 dieser Menschen arbeiten in Vollzeit, d. h. sie gehen anschließend zum Sozialamt, zum Arbeitsamt, um aufzustocken. Die Dumpinglöhne zu subventionieren kostet Geld. Knapp ein Drittel des Arbeitslosengeldes II fließt an Erwerbstätige. Allein dafür zahlten 2010 Bund und Kommunen 4 Milliarden Euro. Das ist Geld, das an anderer Stelle fehlt.

Frau König, meine Damen und Herren, es handelt sich um Steuergelder, die dann z. B. nicht für den

Ausbau von anderen Maßnahmen, wie z. B. den Ausbau der Bildungsinfrastruktur, zur Verfügung stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Auch das werden wir ändern. Der Kollege Schminke hat sich entsprechend geäußert. Philipp Rösler hat am Wochenende bei dem Parteitag der FDP gesagt: Wir wollen uns ein bisschen der Lebenswirklichkeit der Menschen annähern. - Ich hoffe, dass das einmal passiert.

(Ulrich Watermann [SPD]: Nur ein bisschen!)

Ich kann Ihnen sagen, die Lebenswirklichkeit der Menschen in der Bundesrepublik sieht so aus - das gilt aber auch für Niedersachsen -, dass in Brandenburg Friseurinnen für einen Stundenlohn von 3,05 Euro zur Arbeit gehen und davon leben müssen. Das ist ein Skandal.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Gleiche, Frau König, finden Sie hier in Niedersachsen. In Niedersachsen verdient ein Fleischergeselle möglicherweise in Massentierhaltungsbereichen, die wir ja abschaffen wollen, 6,31 Euro.

(Gabriela König [FDP]: Sittenwidrig!)

Rechnen Sie das einmal hoch, Frau König! Wir zahlen, wenn wir den gesetzlichen Mindestlohn eingeführt haben, 8,50 Euro und vielleicht etwas später auch einmal das, was tatsächlich benötigt wird, um Altersarmut zu verhindern. Aber 8,50 Euro sind für eine 30-jährige Arbeitnehmerin bei Steuerklasse 1 netto 1 070 Euro. Davon können auch Sie nicht leben. Das entspricht gerade einmal Ihrer Aufwandsentschädigung, die Sie hier bekommen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Was Sie über Arbeitslosigkeit erzählt haben, ist ein reines Märchen.

(Gabriela König [FDP]: Was?)

Hier in Niedersachsen - das beweist ein aktuelles Papier des DGB - sind innerhalb der letzten zehn Jahre 85 000 Vollzeitstellen abgebaut worden, 150 000 Teilzeitstellen aufgebaut worden und 90 000 mehr Minijobs entstanden. Insgesamt - das zeigen alle Studien - hat sich vom Jahr 2000 bis

zum Jahr 2012 das Arbeitsvolumen, in Arbeitsstunden gerechnet, nur um 0,3 % erhöht.

(Gabriela König [FDP]: Aber es hat sich erhöht, im Gegensatz zu Ihrer Regierungszeit!)

Damit haben Sie nicht Arbeitslosigkeit verändert; denn es ist weiterhin verkappte Arbeitslosigkeit. Das werden wir in diesem Land nicht mehr durchgehen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Gabriela König [FDP]: Während Ihrer Regierungszeit ist doch alles he- runtergegangen! Es ist schlimmer ge- worden!)

Sie können das möglicherweise bei anderen Dingen versuchen, aber Sie werden uns nicht übers Ohr hauen. Sie versuchen das beim Krippenausbau. Auch da ist Niedersachsen Schlusslicht, obwohl behauptet worden ist, dass es hier so etwas wie eine Ausbaudynamik gibt. Mit solchen Taschenspielertricks kommen wir nicht weiter. Wir müssen die Leute anständig bezahlen. Dafür ist ein gesetzlicher Mindestlohn genau das Richtige.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss. Ich überziehe auch einmal eine halbe Minute, dann sind wir gleich, Frau König.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich glaube, dass in Deutschland quasi alle vernünftigen Menschen als Antwort auf die würdelose Bezahlung die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns von mindestens 8,50 Euro wollen. Wir werden das machen. Vielleicht machen Sie das in der Regierung ja sogar selbst noch, bevor die Bundestagswahlen sind, um das Thema aus dem Wahlkampf herauszunehmen; denn im Abräumen von Positionen sind Sie ja spitze. Sie haben nicht nur die Regierungsbank verlassen, sondern alle Positionen einkassiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir werden jedenfalls diesen Mindestlohn einführen.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen. - Vielen Dank.

Herr Kollege Schremmer, auch Ihnen Glückwunsch für Ihre erste Rede im Parlament und den Versuch, die Geschäftsordnung eigenmächtig zu ändern.

(Heiterkeit)

Wir haben das hingenommen, wir waren bei der Kollegin König großzügig, Sie haben das ausgeglichen.

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Danke!)

Es geht in der Debatte mit dem Kollegen Dirk Toepffer für die CDU-Fraktion weiter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dieser munteren Debatte möchte man sich als CDU-Politiker am liebsten heraushalten, gebe ich offen zu.

(Heiterkeit und starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der FDP)

Man muss ja auch einmal ehrlich sein.