2. Welche finanziellen Risiken kämen mit der Einrichtung einer Bad Bank für Atomkraftwerke und radioaktiven Müll auf die Steuerzahler zu?
3. In welcher Weise sieht die Landesregierung die Verursacher in der Verantwortung für Rückbau und Entsorgung der Atommeiler?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Umweltministerkonferenz hat sich bereits vor einem Jahr dafür ausgesprochen, die Rückstellungen, die die Kraftwerksbetreiber für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Entsorgung der Abfälle gebildet haben, schrittweise in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen. Wir waren uns dabei allerdings einig, dass dem Verursacherprinzip in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist und die Kraftwerksbetreiber durch die Fondsbildung nicht aus der rechtlichen und finanziellen Verantwortung für den Rückbau der Kernkraftwerke und die Entsorgung der Abfälle entlassen werden können.
Die Überführung der Rückstellungen in einen Fonds sollte vor allem dazu dienen, dass die notwendigen finanziellen Mittel auch bei einer veränderten wirtschaftlichen Situation der Kraftwerksbetreiber im Bedarfsfall tatsächlich zur Verfügung stehen. Das finanzielle Risiko sollte bei den Kraftwerksbetreibern verbleiben.
Zu Frage 1: Die Landesregierung lehnt es ab, die Atomkraftwerksbetreiber von den langfristigen Folgekosten für den Rückbau und die Lagerung von radioaktivem Müll freizustellen. Bei diesen Unternehmen handelt es sich um Aktiengesellschaften. Es ist verfassungsrechtlich nicht vertretbar, Aktionäre vor möglichen Wertverlusten ihrer Aktien zu schützen, zugleich aber Mittelständlern, Handwerkern oder anderen Wirtschaftsteilnehmern eine volle Verantwortung für Altlasten und Folgekosten ihres wirtschaftlichen Handelns abzuverlangen.
Zu Frage 2: Die finanziellen Risiken für den Steuerzahler sind nicht exakt kalkulierbar. Die Höhe hängt von den Rückbaukosten für stillgelegte Atomkraftwerke, den Kosten für die Zwischenlagerung und den Kosten für die dauerhafte Lagerung ab. Diese wiederum sind abhängig von den Sicherheitsstandards für die Zwischen- und Dauerlagerung. Bei der Dauerlagerung muss Sicherheit für 1 Million Jahre gewährleistet werden. Die geltenden Sicherheitsanforderungen schreiben vor, dass für mindestens 500 Jahre Behälterstabilität gewährleistet sein muss, um die Bergung oder Rückholung der Abfälle zu ermöglichen.
Unklar ist jedoch, wie hoch die Kosten für die Vorhaltung der technisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen sein und welche Kosten jährlich anfallen werden. Die Atommüll-Endlager-Kommission wird hier voraussichtlich weitere Anforderungen, Kriterien oder Verfahren festlegen. Zu erwarten sind in jedem Fall Kosten, die deutlich höher sein können als die bisher in die Bilanzen der Energieversorger eingestellten Rücklagen.
Daneben müsste der Bund auch für die restliche Betriebszeit der Atomkraftwerke das volle finanzielle Haftungsrisiko übernehmen. Der Durchgriff auf die Konzerne wäre verbaut.
Auf der anderen Seite würden auch die Einnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer in Höhe von 2 Milliarden Euro pro Jahr und die Einnahmen nach der Endlagervorausleistungsverordnung bzw. aus der Umlage nach dem Standortauswahlgesetz wegfallen.
Notwendig und sinnvoll ist daher eine ökonomische Gesamtbilanz, die alle anstehenden Kosten und den gesamten produzierten und noch entstehenden Atommüll bilanziert, klassifiziert und dem
Zum 31. Dezember 2013 betrugen die Rücklagen in den Unternehmensbilanzen 35,9 Milliarden Euro, davon 14,6 Milliarden Euro bei E.ON, 10,2 Milliarden Euro bei RWE, 7,6 Milliarden Euro bei EnBW und 1,6 Milliarden Euro beim Atomkraftwerk Brunsbüttel von Vattenfall bzw. 1,8 Milliarden Euro beim Atomkraftwerk Krümmel - ebenfalls von Vattenfall.
Zu Frage 3: Nach § 7 c des Atomgesetzes obliegt dem Inhaber einer kerntechnischen Anlage die Verantwortung für die nukleare Sicherheit. Dazu zählt auch die dauerhafte Bereitstellung angemessener personeller und finanzieller Mittel zur Erfüllung seiner Pflichten.
Die Landesregierung hält es für notwendig, die Rücklagen mündelsicher und damit konkursfest anzulegen, um sicherzustellen, dass die Gelder für den notwendigen Zweck tatsächlich bereitstehen. Sinnvoll wäre daher die Sicherung in einem öffentlich-rechtlichen Fonds. Damit könnte auch verhindert werden, dass sich Eigentümer ihres Mülls illegal entledigen, um die anfallenden Kosten zu sparen. Negative Beispiele gibt es. Auch die Falschdeklaration von Wirtschaftsgut oder die Aufweichung oder Auflösung von Patronatserklärungen ist dem hinzuzurechnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Können die vier Atomkonzerne das notwendige Stiftungskapital - der Mindestsockel beträgt ja 36 Milliarden Euro - überhaupt aufbringen?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Atomkraftwerksbetreiber sind verpflichtet, Rücklagen zu bilden. Ich gehe davon aus, dass sichergestellt werden muss, dass diese Rücklagen
jederzeit zur Verfügung stehen. Irritiert hat mich allerdings im Spiegel-Bericht vom vergangenen Sonntag, dass erklärt wurde, dass die Firma RWE die Bereitstellung nur mittels einer Kapitalerhöhung sicherstellen könnte. Dieser Punkt muss meines Erachtens weiter geprüft werden.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Frau Staudte. Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass die drei EVU angekündigt haben, ihre Schadenersatzklagen bei einer Übernahme ihrer gesamten Atomsparten im Gegenzug zurückzuziehen? - Ist das nicht auch ein Indiz dafür, dass die Energieversorger gar nicht mehr davon ausgehen, die Schadenersatzverfahren überhaupt zu gewinnen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt eine Reihe sehr unterschiedlicher Klagen wegen einer Vielzahl unterschiedlicher Vorgänge. Einige davon halte ich auf jeden Fall von der Materie her nicht für geeignet, um Schadenersatzansprüche in einer hohen Größenordnung geltend zu machen. Andere werden beispielsweise vor einem Investitionsschutzgericht, einem Schiedsgericht in New York geführt. Dort versucht die Firma Vattenfall, Schadenersatz geltend zu machen. Das halte ich für problematisch; denn für solche Fälle haben wir eigentlich nach unserer Verfassung bestellte Gerichte. Wenn man Schadenersatz geltend macht, wäre es angezeigt, das vor den Gerichten zu tun, die in unserer Verfassung verankert sind. Die Frage, inwieweit die Urteile solcher Schiedsgerichte hinterher Rechtswirksamkeit entfalten, wäre sicherlich Gegenstand von Verfassungsklagen. Und ob die Konzerne jemals über solche Mittel verfügen könnten, möchte zumindest ich stark bezweifeln.
Vielen Dank, Herr Minister. - Auch die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Staudte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wir haben in den letzten Tagen lesen können, dass Frankreich einen neuen Weg beschreitet und eine Enquetekommission eingesetzt hat, um die gesamten Kosten der Atomkraft überhaupt mal zu bilanzieren. Wäre es aus Sicht der Niedersächsischen Landesregierung sinnvoll, auch in Deutschland Transparenz über die Kosten herzustellen? Denn die Höhe der Rückstellungen hat ja überhaupt nichts damit zu tun, wie hoch die Kosten eventuell werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die bisher vorliegenden Vorschriften sowohl dazu, was die steuerlichen Rückstellungen angeht, als auch dazu, was EUrechtliche Vorschriften betrifft, sind meines Erachtens nicht geeignet, um objektive, zuverlässige und transparente Aussagen zu den Entsorgungskosten zu bekommen.
Für die Prüfung der Rückstellungen sind auch die von den EVUs bislang zur Verfügung gestellten Informationen nicht ausreichend. Das hat bereits 2007 der Bundesrechnungshof kritisiert.
Von daher ist es meines Erachtens eine wichtige Aufgabe für die Atommüllkommission, die noch in diesem Monat erstmals zusammentreten wird, eine solche vollständige Bilanzierung vorzunehmen und dabei nicht nur zu gucken, welcher Müll in der Vergangenheit angefallen ist, sondern auch ganz genau zu gucken, welche Eigenschaften dieser Müll hat und welche Vorkehrungen für die Sicherheit daraus abzuleiten sind. Darin ist aus meiner Sicht in der Vergangenheit viel zu wenig an Knowhow und Forschung investiert worden. Ich glaube, dass dies ein zentraler Punkt ist, um die langfristigen Kosten einschätzen zu können.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Herr Kollege Bäumer. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass sich die Bundesregierung, die Landesregierung von NordrheinWestfalen, die Landesregierung des Saarlandes, die Gewerkschaft IG BCE und die RAG im Jahr 2007 darauf verständigt haben, die subventionierte Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018 sozial verträglich zu beenden und die Ewigkeitsaufgaben zu finanzieren, frage ich die Landesregierung, worin sich die RAGStiftung und die von den Energiekonzernen vorgeschlagene Bad Bank unterscheiden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bäumer, ich danke herzlich für diese Frage: Was ist der Unterschied zwischen Kohle und Atommüll? Das ist ja im Grunde der Kern Ihrer Frage.
Kohle wird seit vielen Jahrhunderten von der Menschheit genutzt. Wir wissen ziemlich genau, wie es um die Folgekosten bestellt ist. Wir wissen auch, dass das Ruhrgebiet noch über sehr lange Zeit mit den Folgen des Bergbaus zu kämpfen haben wird.
Beim Atommüll ist, wenn man sich die Quellen anguckt, die ich kenne, die Materie etwas anders zu bewerten. Meines Erachtens gibt es bis heute keinen Konsens darüber - auch in anderen Ländern nicht -, wie eine sichere Endlagerung oder eine sichere Dauerlagerung tatsächlich erfolgen kann. Kein Land der Erde hat in dieser Frage bisher eine Entscheidung getroffen. Von daher hängen die künftigen Kosten natürlich auch von politischen Entscheidungen ab, die noch zu treffen sind.
Deshalb ist es sehr schwierig, hier eine Summe festzulegen, die tatsächlich die künftigen finanziellen Folgen der Nutzung der Atomkraft beschreibt.
es hier mit Aktionären zu tun haben, die Aktien dieser Unternehmen gekauft haben, um Geld zu verdienen, um Geldanlage zu tätigen und um Rendite zu erzielen. Die Frage ist: Auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz? Entlasten wir diese Aktionäre von künftigen Haftungen, und wie gehen wir dann mit einem Handwerker oder einem Mittelständler um, dem wir bisher beispielsweise im Konkursfall oder in dem Fall, dass es eine sonstige Altlast auf seinem Betriebsgelände oder einen Betriebsausfall gibt, ein volles Einstehen bis in die persönlichen Beziehungen hinein abverlangen? - Das wäre eine Frage, die nicht so einfach zu klären ist.
Von daher nehme ich diese Diskussion als willkommenen Anlass, um eine solche Gesamtbilanz einzufordern. Wir werden alles tun, um das von unserer Seite zu unterstützen. Aber ich glaube, es kann nicht so sein, dass sich hier Unternehmen, die jetzt sehen, dass eine schwierige Phase kommt, einfach auf Kosten der Allgemeinheit finanziell aus der Affäre ziehen.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion: Herr Kollege Bäumer, bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer ist nach Einschätzung der Landesregierung finanziell dafür verantwortlich, dass es bis heute kein Endlager für hoch radioaktiven Abfall gibt?