Protocol of the Session on May 15, 2014

Justizministerin Staatssekretär Wolfgang S c h e i b e l ,

Antje N i e w i s c h - L e n n a r t z (GRÜNE) Justizministerium

Ministerin für Wissenschaft und Kultur Staatssekretärin Andrea H o o p s ,

Dr. Gabriele H e i n e n - K l j a j i ć (GRÜNE) Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Staatssekretärin Almut K o t t w i t z ,

Stefan W e n z e l (GRÜNE) Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz

IV

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr.

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 35. Sitzung im 14. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 17. Wahlperiode. Im Namen des Präsidiums wünsche ich Ihnen einen guten Morgen.

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!)

Tagesordnungspunkt 17: Mitteilungen des Präsidenten

Ich darf im Einvernehmen mit den Schriftführern schon jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Meine Damen und Herren, Geburtstag hat heute der Kollege Axel Miesner.

(Beifall)

Herr Kollege Miesner, ich übermittle Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche. Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr!

Meine Damen und Herren, wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 18: Abgabe einer Regierungserklärung des Ministerpräsidenten mit dem Titel „Mehr als nur Binnenmarkt - Europa weiterentwickeln für Niedersachsen“. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 18.15 Uhr enden.

Ergänzend weise ich darauf hin, dass der Verein Kinderhospiz Löwenherz im Leibniz-Saal die Ausstellung „Ein großes Herz für kleine Löwen-(Her- zen)“ präsentiert, die heute gegen 13 Uhr eröffnet wird. Die Veranstalter freuen sich über Ihr Interesse.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer Herr Brinkmann mit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: von der Fraktion der SPD Frau Kathrin Wahlmann und Herr Dr. Christos Pantazis, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Julia Willie Hamburg und von der Fraktion der FDP Frau Almuth von Below-Neufeldt sowie Frau Gabriela König.

Danke schön, Herr Brinkmann. - Meine Damen und Herren, wir gehen über zu dem

Tagesordnungspunkt 18: Abgabe einer Regierungserklärung mit dem Titel „Mehr als nur Binnenmarkt - Europa weiterentwickeln für Niedersachsen“ - Unterrichtung durch den Ministerpräsidenten - Drs. 17/1493

Zunächst gibt Herr Ministerpräsident Weil die angekündigte Regierungserklärung ab. Danach folgt die Aussprache.

Ich erteile nun dem Herrn Ministerpräsidenten Weil das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 25. Mai dieses Jahres, in genau zehn Tagen, werden wir in ganz Europa und auch bei uns in Niedersachsen das neue Europäische Parlament wählen. Ich freue mich sehr, dass sich die Fraktionen dieses Hauses aus diesem Anlass auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag verständigt haben, den wir nachher noch beraten werden und dem ich selbstverständlich vollinhaltlich zustimme.

Die Entwicklung der Europäischen Union betrifft das Land Niedersachsen und die niedersächsische Landespolitik ganz unmittelbar. Die europäische Entwicklung ist für uns in Niedersachsen von allergrößter Tragweite. Deswegen dürfen wir den Wahlen zum Europäischen Parlament nicht desinteressiert oder gar distanziert gegenüberstehen, sondern müssen genauso engagiert für sie werben, wie es bei Bundestagswahlen, Landtagswahlen oder Kommunalwahlen für uns selbstverständlich ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Machen wir uns nichts vor: Die Zustimmung zu einem einigen Europa und zur Europäischen Union ist keineswegs mehr überall selbstverständlich. Das gilt in vielen europäischen Ländern, und das gilt - erfreulicherweise nur in abgeschwächter Form - auch bei uns in Deutschland. Ich betrachte es als Aufgabe aller verantwortungsbewussten politischen Kräfte, sich einem solchen schleichenden Euroskeptizismus engagiert entgegenzustellen. Wir in

Deutschland, wir in Niedersachsen haben allen Grund dazu, für Europa zu werben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich nur einige der wichtigsten Gründe für diese Meinung sagen, die mehr als eine Meinung, die eine Einstellung und eine Haltung ist. In wenigen Monaten werden wir uns gemeinsam an den Herbst 1989 - vor 25 Jahren - erinnern. Das waren historische Wochen, die wir alle - davon bin ich überzeugt - unser ganzes Leben lang nicht vergessen werden. Es war eine Zeit, als nach und nach der Warschauer Pakt in sich zusammenfiel und die friedliche Revolution in Osteuropa die Grundlage für eine neue Demokratie bildete. Es war die Zeit, als wir in der alten Bundesrepublik staunend und voller Bewunderung die friedliche Revolution in der DDR verfolgten. Es war die Zeit, als die Mauer fiel und wir das Wunder der deutschen Einigung erlebten. Nicht nur der Prozess der deutschen Einigung, sondern auch der europäischen Einigung hat sich für in Niedersachsen sehr positiv ausgewirkt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Niedersachsen ist heute kein Grenzland mehr an der Nahtstelle des Kalten Krieges, Niedersachsen liegt im Herzen Europas, mitten in seinem Zentrum. Die Europäische Union endet heute nicht mehr an der niedersächsischen Ostgrenze, sondern geht weit darüber hinaus. Die Situation unseres Landes hat sich durch die europäische Einigung fundamental verändert.

Was wir seitdem erlebt haben, ist - das kann man so sagen - tatsächlich einmalig: Wann in der Geschichte - nicht allein in der relativ kurzen Geschichte unseres Bundeslandes, sondern weit darüber hinaus - hat es über 50 Jahre der persönlichen und der politischen Freiheit, des zunehmenden Wohlstands in unserer Heimat gegeben? Die Antwort lautet: Niemals! - Wir verdanken der europäischen Einigung eine historisch einmalige Blütezeit unserer Heimat. Das müssen wir betonen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den Grünen sowie Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Das in Erinnerung zu rufen, ist nicht überflüssig in einer Zeit, in der vor allem junge Leute Schlagbäume und Reisepässe innerhalb Europas schlichtweg nicht mehr kennen. Die europäische Einigung ist ein historisches Friedensprojekt. Und schon deswegen

verdient sie es, mit Überzeugung und Begeisterung vertreten zu werden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, diesen Feststellungen wird kaum jemand ernsthaft widersprechen können. Aber dennoch erleben wir auch in unserem Land Skepsis und Distanz gegenüber der Europäischen Union. Vor allem deswegen, weil die unschätzbaren Vorteile dieses Projektes inzwischen als selbstverständlich angesehen werden und auf der anderen Seite bisweilen der Eindruck vorherrscht, Europa nehme nur, gebe aber nichts.

Wir müssen, so meine ich, dieses Klischee ernst nehmen, aber wir dürfen es nicht unwidersprochen lassen. Es ist schlichtweg falsch. Das müssen wir immer und überall in Erinnerung rufen. Es ist falsch, wenn wir auf die wirtschaftliche Entwicklung schauen, gerade bei uns in Niedersachsen. Nicht weniger als zwei Drittel der Exporte der niedersächsischen Unternehmen gehen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Deutschland hat als Exportnation von den offenen Grenzen im europäischen Binnenmarkt ganz besonders profitiert - und damit auch wir in Niedersachsen. Wo wäre heute die Volkswagen AG, wo wäre die Continental AG, wo wäre die niedersächsische Agrarwirtschaft - um nur einige Beispiele zu nennen - ohne den europäischen Binnenmarkt? Wie viele Arbeitsplätze würde es bei uns in Niedersachsen wohl kosten, hätten wir nicht eine gemeinsame Währung mit unseren europäischen Nachbarn? Und wie wären wohl die Exportmöglichkeiten der niedersächsischen Unternehmen in den außereuropäischen Raum, würde nicht auch die niedersächsische Wirtschaft davon profitieren, dass die europäische Staatengemeinschaft mit einer Stimme spricht, z. B. wenn es um Zollfragen geht?

Nein, wem es um den Wohlstand und um die Arbeitsplätze in unserem Land geht, der muss den Europa- und den Eurokritikern laut und deutlich widersprechen: Europa und der Euro sind die entscheidende Grundlage für den Wohlstand in unserem Land, meine Damen und Herren!

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Europa gibt nicht, Europa nimmt nur? - Der Gegenbeweis lässt sich ganz konkret in jeder niedersächsischen Region führen. In allen Teilen Niedersachsens gibt es Projekte und Vorhaben, die in den vergangenen Jahren durch die Strukturförderung der Europäi

schen Union realisiert werden konnten. Leider werden wir in der nächsten Förderperiode einen Rückgang dieser Förderung zu verzeichnen haben. Aber bis zum Ende dieses Jahrzehnts werden aus dem Europäischen Sozialfonds, dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Europäischen Programm zur Förderung der ländlichen Entwicklung 2,1 Milliarden Euro nach Niedersachsen fließen. Dazu kommen weitere Programme, etwa zur Förderung grenzüberschreitender Projekte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind auf diese Unterstützung dringend angewiesen. Ohne die europäische Strukturförderung wären wir unter den finanziellen Gegebenheiten unseres Landes schlichtweg nicht imstande, die regionale Entwicklung in Niedersachsen wirkungsvoll voranzubringen. Das ist ein Thema, das gerade bei uns von allergrößter Bedeutung ist. Überall in Europa, aber gerade auch bei uns in Niedersachsen begegnen wir dem Phänomen, dass sich Regionen auseinanderentwickeln. Wir freuen uns über die Dynamik und das Wachstum in den großen Städten in Niedersachsen, wir freuen uns über die sehr gute wirtschaftliche Entwicklung vor allen Dingen im niedersächsischen Westen, aber wir müssen uns auch Sorgen im die Perspektiven anderer Regionen in unserem Land machen: im Süden, im Osten und in anderen Räumen Niedersachsens. Ich halte die regionale Disparität für eine der größten Herausforderungen, die sich uns in der Landesentwicklung überhaupt stellt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Gerade vor diesem Hintergrund erklärt sich, wie wichtig die Unterstützung aus Europa für uns ist. Wir haben vor, diese Chancen zu nutzen. Die neuen Fördergrundsätze der Europäischen Union geben uns die Möglichkeit, eine integrierte Planung für einzelne Regionen voranzutreiben, gemeinsam mit den Kommunen, der Wirtschaft, mit vielen anderen Beteiligten. Wir wollen diese Möglichkeit engagiert nutzen - zum Wohle der Regionen in Niedersachsen und zum Wohle der Menschen in diesen Regionen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Europa nimmt an der einen oder anderen Stelle - das ist sicher wahr -, aber unter dem Strich gibt Europa viel mehr. Europa ist für uns nicht mehr wegzudenken, und deswegen verdient Europa es auch, dass wir für den Einigungsprozess werben,

dass wir uns zu diesem Einigungsprozess bekennen und dass wir uns insgesamt für diese europäische Einigung engagieren. Das ist im Interesse des Landes Niedersachsen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es wäre gleichwohl falsch, Skepsis und Kritik in unserer Gesellschaft an der Entwicklung der Europäischen Union einfach nur abzutun. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Gerade die engagiertesten Freundinnen und Freunde der europäischen Einigung müssen das größte Interesse an einer positiven weiteren Entwicklung haben.