Trotzdem, Herr Minister, haben Sie zugelassen, dass gestern und heute in der Berichterstattung gegenüber den Journalisten und gegenüber der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wurde, dass hier durch die Behörde massenhaft Datensätze rechtswidrig gespeichert wurden.
Warum macht man das? - Der Grund ist relativ einfach. Zum einen: Wer den Bericht dieser Taskforce liest, der wird feststellen, dass das, was ich eben ausgeführt habe, nämlich dass Journalisten oder Rechtsanwälte in besonderem Maße ins Visier des Verfassungsschutzes geraten sind, durch Ihre eigenen Mitarbeiter ausdrücklich widerlegt wird. Diese Behauptung hat nie gestimmt. Das steht ausdrücklich in dem Bericht.
Der zweite Punkt ist der, dass die immer wiederkehrende Behauptung, der Verfassungsschutz hätte in den letzten Jahren ein besonderes Augenmerk auf den Linksextremismus und auf den Islamismus gelegt und den Rechtsextremismus aus dem Blick genommen, durch die Daten, die in Ihrem Bericht stehen, Herr Minister, ausdrücklich widerlegt worden ist.
Ferner lässt sich feststellen, dass unter den neuen Maßstäben, die Ihre Taskforce anlegt, die allermeisten Datensätze, nämlich 1 400 Stück, im Bereich des Rechtsradikalismus gelöscht werden sollen. Wollen Sie das wirklich politisch verantworten, Herr Minister?
Damit das nicht so auffällt, Herr Minister, haben sich sowohl Ihre Mitarbeiter in der Taskforce als auch Sie gestern in der Berichterstattung und in der Pressekonferenz eines Tricks bedient. Sie haben zwar die Daten veröffentlicht, die den einzelnen Teilen des Extremismus zuzuordnen sind, aber die griffigen Beispiele, von denen Sie wissen, dass sie nachher von der Öffentlichkeit aufgenommen werden und die Sie gerade wieder ausgeführt haben, haben Sie natürlich nur aus dem Bereich des Linksextremismus oder des Islamismus gewählt.
Ich möchte auf diese Beispiele zu sprechen kommen: Da wären die Menschen, die sich entscheiden, in eine Moschee zu gehen, die extremistisch beeinflusst ist, in der extremistisches und salafistisches Gedankengut verbreitet wird. Und da fragen wir: Ist es denn falsch, wenn der Verfassungsschutz hinschaut, was für Menschen in die Fänge religiöser Hassprediger geraten? Zu einem Zeitpunkt, in dem die Entwicklung im Bereich des Salafismus höchste Sorge bereiten muss? Wo hier Jungen und Mädchen radikalisiert werden, um dann Richtung Syrien zu verschwinden, um dort zu kämpfen, Menschen zu töten und abzuschlachten, nur weil sie einen anderen Glauben haben?
Das ist doch keine Verletzung des Grundrechts auf Religionsausübung, wenn man da hinschaut. Das ist, meine Damen und Herren, staatlich notwendige Fürsorge.
Vielleicht haben wir doch die Chance, einen dieser jungen Menschen zu schützen, zu retten, seine Ausreise zu verhindern, Eltern oder Lehrer zu warnen.
(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Die, bei denen es diese Erkenntnis gibt, bleiben alle in den Namenskartei!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme nun zur Speicherung von Daten Minderjähriger. Sie sind gestern im NDR auf eine rechtswidrige Speicherung von Daten von Kindern angesprochen worden. Ihre Antwort, Herr Minister, war: Das ist im Grunde nicht aufklärbar. Die Wahrheit ist, dass es keinen einzigen Datensatz gibt, der über ein Kind gespeichert wurde. Es geht um Jugendliche über 14 Jahre, also um Jugendliche, die sich auch strafbar machen können. Worum geht es hier im Besonderen? - Übrigens von den 197 Fällen finden sich 118 im Bereich des Rechtsradikalismus wieder. Es geht also um junge Menschen - wahrscheinlich Männer, 16, 17 Jahre alt -, die sich bereits in der Gruppe brauner Mengen befinden,
die auf dem Weg sind, eine radikale Karriere anzutreten und Kaderschulungen mitzumachen. Wollen Sie, dass diese Leute nicht beobachtet werden?
Der Verfassungsschutz sagt: Da ist eine Gruppe, in der Straftaten vorbereitet werden, die verfassungswidrig agiert. Die Mitglieder dieser Gruppe wollen wir erfassen.
Herr Nacke, einen Moment! - Ich darf doch bitten, die Zwischenrufe und Anmerkungen einzustellen. Es ist ausreichend Redezeit für alle gegeben. Man kann gegenteilige Positionen selbstverständlich hier zum Ausdruck bringen. - Herr Nacke, Sie haben das Wort.
Selbstverständlich ist es völlig unproblematisch, auch nach der geltenden Rechtslage, einen Minderjährigen dann zu erfassen, wenn er selbst gewalttätig ist, wenn es dafür Anhaltspunkte gibt. Der Verfassungsschutz sagt: Bei dem, der einer solchen Gruppe angehört, die insgesamt als gewalttätig einzustufen ist, dürfen wir davon ausgehen, dass er persönlich und individuell gewalttätig ist. - Ihre Taskforce kommt zu einer anderen Einschätzung. Ein anderer Maßstab ist zulässig. Aber ich kann hier doch nicht von einer rechtswidrigen Speicherung sprechen. Wollen Sie Daten von 17-Jährigen wirklich löschen, wenn sie gegenüber anderen Jugendlichen Führungsaufgaben übernehmen? Wenn 17-Jährige im Kader der Nazis auftreten: Sollen deren Daten nicht mehr gespeichert werden, nur weil sie noch keinen Knüppel in der Hand gehabt haben? - Das kann von Ihnen politisch nicht gewollt sein!
Ich komme nun zum Telefon des Hasspredigers. Wenn wir bei einem Hassprediger - bei dem auch Sie eingeräumt haben, dass er ganz klar ein Verfassungsfeind ist -, der Publikationen verbreitet, die verfassungsfeindliche Inhalte haben, die Chance haben, die Datensätze aus seinem Telefon auszuwerten - ja, ich habe den Anspruch, dass geschaut wird, mit wem er Kontakt hat. Denn ich glaube, dass man dadurch möglicherweise andere Verfassungsfeinde auffinden kann, andere Hassprediger ausmachen kann. Und wenn sich dann am Ende herausstellen sollte, dass es nur der Fußpfleger ist, dann kann die Nummer wieder gelöscht werden.
Bis das nicht geklärt ist, muss doch diese Nummer gespeichert werden. Sie haben dazu keine Auskunft gegeben, Herr Minister. Sie wissen auch warum.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anlegung eines neuen Maßstabes - das habe ich bereits gesagt - ist eine politische Entscheidung. Wir sollten uns über die politische Entscheidung austauschen. Wir hätten das längst tun können, weil CDU und auch FDP eine entsprechende Enquetekommission gefordert haben. Diese Enquetekommission war so angelegt, dass sie im Sommer ihre Arbeit hätte beenden sollen. Sie haben gerade angeführt, dass Sie Ihr Gesetz erst im September vorlegen können. Der Zeitplan hat gepasst, so wie der Kollege Birkner ihn damals vorgetragen hat, und auch ich habe mich entsprechend eingelassen. Wir hätten längst fertig sein können. Wir hätten längst in der weiterführenden Diskussion sein können. Aber Sie haben sich dem verweigert, weil Sie sich intern nicht einig sind. Das ist durch die Regierungserklärung noch einmal sehr deutlich geworden.
Aus dem vorgelegten Bericht wird deutlich, dass der Fachbereich - die Fachleute im Verfassungsschutz - die Rechtslage anders bewertet als die Mitglieder Ihrer Taskforce. Wir werden uns deswegen sehr genau anschauen, um welche Fälle es da geht. Auch die Beispiele, die Sie hier genannt haben, werden wir uns anschauen. Worum geht es da genau? Was hat da tatsächlich den Hintergrund gegeben? Wird sich wieder - wie schon im September - herausstellen, dass die heute hier vorgetragenen Beispiele einer ernsthaften Überprüfung nicht standhalten? - Ich darf Ihnen jetzt schon ankündigen, dass die entsprechenden Akten von uns angefordert werden. Ich kann Sie nur bitten und auffordern, das Parlamentsrecht hier nicht erneut mit Füßen zu treten, sondern die Akten sauber und ordentlich vorzulegen, meine Damen und Herren.
Dann werden Sie entscheiden müssen. Wollen Sie tatsächlich die Verantwortung dafür übernehmen, dass 1 400 Datensätze im Bereich des Rechtsradikalismus gelöscht werden? - Das ist doch nicht die Lehre aus den Erkenntnissen rund um den NSU. Im Gegenteil. Das SPD-Mitglied und der damalige Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Herr
Edathy, hat doch die Behörden ausdrücklich aufgefordert, die Daten nicht zu löschen. Das ist ein Grund, Sie haben es gerade erwähnt, warum diese Daten zum Teil noch da sind, obwohl deren Löschung bereits vorgesehen war. Wollen Sie noch weitere Hunderte von Akten aus dem Bereich des Rechtsradikalismus löschen? Wer sagt Ihnen denn, dass in diesen Akten nicht der nächste Hinweis auf eine braune Mörderbande oder auf eine rechtsradikale Terrorgruppe enthalten ist? - Dafür übernehmen Sie die politische Verantwortung, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wer sagt Ihnen denn, dass wir nicht Daten von Rückkehrern aus Syrien haben, die hier möglicherweise einen Anschlag vorbereiten? - Warnsignale, die wir brauchen, Warnsignale, die jetzt möglicherweise in falsch verstandenem Liberalismus gelöscht werden sollen.
Ich sage Ihnen: Wir kommen überein. - Ich habe damit eingeführt und ich bleibe dabei: Soweit sind SPD und CDU in der Arbeit des Verfassungsschutzes nicht auseinander.
Wir haben eine gemeinsame Lösung gefunden, und ich bin mir sicher, dass wir auch in Zukunft eine gemeinsame Lösung finden werden.
Ich sage Ihnen auch, wo Sie die CDU finden werden. Sie finden die CDU an der Seite der Opfer von braunen Mörderbanden.
(Lachen bei Bündnis 90/Die Grünen - Karl-Heinz Klare [CDU]: Was ist das denn? Was gibt es denn da zu lachen? - Weitere Zurufe von der CDU)
Sie finden die CDU an der Seite der Opfer brauner Mörderbanden. Sie finden die CDU an der Seite von Polizeibeamten, die in Sorge um ihre Familie
und ihr Eigentum leben, weil sie auf der Liste von linken Terrorgruppen stehen. Sie finden die CDU an der Seite von Frauen, die aus falsch verstandenem religiösen Fanatismus, gepredigt von Hasspredigern, unterdrückt werden. Sie finden die CDU an der Seite der ganz normalen Menschen, die ihr Leben, ihre körperliche Unversehrtheit, ihre Familie und ihr Eigentum von leistungsfähigen Sicherheitsbehörden geschützt wissen wollen. An deren Seite finden Sie die CDU.
Es ist eine politische Entscheidung, welcher Maßstab angelegt wird. Wenn Sie einen Maßstab anlegen, der den Bedürfnissen dieser Menschen entspricht, dann werden Sie ein Gesetz vorlegen, das die Zustimmung der CDU finden kann.
Für uns passt es einfach nicht zusammen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie auf der einen Seite fordern, das Bankgeheimnis aufzuheben, um einen vollen Zugriff auf die finanziellen Daten aller Bürgerinnen und Bürger zu erhalten, und auf der anderen Seite nicht bereit sind, jene zumindest in einer Akte festzuhalten, die Hasspredigern in einer salifistischen Moschee mit leuchtenden Augen zuhören. Das passt für uns nicht zusammen.
Wir verlangen einen leistungsfähigen Verfassungsschutz, der uns vor den Bedrohungen von links, von rechts, durch Islamisten und durch ausländische Geheimdienste beschützt. Wir nehmen nicht hin, dass Sie auch nur einen Datensatz, beispielsweise einen der 1 400 Datensätze aus dem Bereich des Rechtsextremismus, löschen, der später gebraucht werden könnte, um die Aufgaben des Verfassungsschutzes zu erfüllen.