Zweitens nenne ich Motasem N., der trotz eines Selbstmordversuches am 19. März 2014 aus der Psychiatrie abgeholt, von seiner Frau getrennt und abgeschoben wurde.
(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ulf Thiele [CDU]: Haben Sie gerade gesagt, „mit ärztlichem At- test“, Herr Pistorius?)
Vielen Dank, Herr Focke. - Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Besprechung zu Punkt c.
d) Niedersachsens Gymnasien stärken - für ein modernes Abitur und mehr Chancengleichheit - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 17/1367
Herr Poppe, eine Sekunde noch! - Meine Damen und Herren, wer diese Besprechung nicht verfolgen möchte, den darf ich bitten, jetzt herauszugehen. Wir beraten nun ein neues Thema. - Herr Poppe, Sie haben das Wort.
Mit Recht ist das Dialogforum zum Schlussbericht der Expertenrunde zum Thema „Gymnasien gemeinsam stärken“ als beispielhaft sachlich, sogar als Beitrag zum Schulfrieden gelobt worden. Dazu hat sicherlich die umfassende, kenntnisreiche, abgewogene Ausarbeitung der Experten beigetragen. Noch einmal Dank an alle Beteiligten von dieser Seite.
Dazu wird auch beigetragen haben, dass viele Ergebnisse so eindeutig ausgefallen sind. Und dazu wird drittens beigetragen haben, dass sich die Ministerin und mit ihr die Fraktionen von der SPD und den Grünen in allen wichtigen Punkten an diesen Empfehlungen orientiert haben.
Entsprechend positiv waren die Reaktionen von Eltern, Schülervertretern und von Verbänden, und zwar unabhängig von den üblichen Klischees, Ritualen und Kampflinien: Rückkehr zum G 9 im
Grundsatz, damit mehr Zeit zum Lernen in der Sekundarstufe I; eine Rückbesinnung auf vertiefendes Lernen im Sekundarbereich II und das Angebot neuer Prüfungsformen, die Möglichkeit für Leistungsfähige, weiterhin in zwölf Jahren zum Abitur zu gelangen. Das alles findet eine hohe Akzeptanz.
Den geplanten Regelungen stimmt unter den Lehrerverbänden nicht nur die GEW zu, sondern auch der Philologenverband, der von einem Sieg der schulpolitischen Vernunft und von einer besseren Voraussetzung für gründliches Lernen spricht und CDU-Kritik deutlich zurückweist.
Die Niedersächsische Direktorenvereinigung schreibt, dies sei eine fast schon historisch zu nennende Entscheidung und ein gutes Beispiel für gelebte Demokratie.
Auch die Einführung zum Schuljahr 2015/2016 ist unstrittig. Sorgfalt in der Vorbereitung muss sein. Dafür können dann 2015 die Jahrgänge 5 bis 8 gemeinsam starten. Dazu sagt die Direktorenvereinigung: Konsequent und richtig.
Meine Damen und Herren, weil das so ist, liegt der SPD-Fraktion in dieser Aktuellen Stunde auch nicht daran, noch einmal auf die Pauke zu hauen. Wir wollen und ich will betonen, dass all diese Entscheidungen vor allem pädagogisch, also für die Schülerinnen und Schüler, sinnvoll sind.
Erstens. Nachhaltiges Lernen braucht Zeit. Diese Zeit geben wir den Schülerinnen und Schülern zurück.
Zweitens. Schulentwicklungen, die erfolgreich sein sollen, müssen den gesellschaftlichen Entwicklungen entsprechen, und sie müssen nachhaltig sein, dürfen sich also nicht an Legislaturperioden oder anderen kurzfristigen Erwägungen orientieren. Am Anfang dieses Jahrhunderts gab es dagegen eine weitverbreitete Ungeduld, eine Neigung, immer
mehr Lernerfolge in immer kürzere Zeit zu packen. Das ist in der Durchführung so misslungen, dass es korrigiert werden musste.
Drittens. Bei dieser Reform geht es nicht um ein einfaches Zurück zum alten G 9. Die bessere Einbindung des Ganztags gilt es zu berücksichtigen. Es gilt ferner, die bessere Studien- und Berufsorientierung mit zu bedenken; denn die möglichen Wege sind auch an Gymnasien inzwischen vielgestaltig. Auch die gymnasiale Oberstufe selbst wird modernisiert. Dies ist also keine Rolle rückwärts, sondern eine Fortentwicklung zu einem modernen G 9.
Bei den wenigen Kritikern des Regierungskonzeptes gibt es zum einen die Marktschreier, die schreien, das Gymnasium werde ruiniert, Lehrerstellen würden abgebaut. Diese Argumente sind dürr. Und sie sind falsch.
(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Das ist ein bisschen peinlich und unter Ih- rem Niveau!)
- Das war nur zufällig identisch mit dem Namen. Denn die benötigten Lehrerstellen bleiben im Saldo über die Jahre fast gleich.
Zum anderen gibt es die Nachdenklichen, die fragen, ob die Leistungsanforderungen nicht doch sinken und ob man den Leistungsfähigen nicht auch systemische Angebote machen müsste. Mit diesen Fragen muss man sich ernsthaft auseinandersetzen.
Zum einen: Die Leistungsanforderungen bleiben in vollem Umfange erhalten und bleiben im Rahmen der KMK-Vereinbarungen.
An die Stelle einiger Klausuren treten andere Prüfungsformen, und auch die Pflichtbelegung von Fächern bleibt bestehen.
Zum anderen sind Varianten denkbar, aber auch die Experten lehnen eine frühzeitige Aussonderung durch eine Schnellläuferklasse eindeutig ab.
Gestatten Sie mir zum Schluss, Herr Präsident, eine pädagogische Reminiszenz: In einer Abiturrede habe ich 1995 das Buch „Die Entdeckung der
Langsamkeit“ von Sten Nadolny behandelt. Damals, vor fast 20 Jahren, lautete mein Fazit: Wir haben uns vielleicht zu einseitig angewöhnt, in Kategorien der Geschwindigkeit und Effizienz zu denken und Lerntempo und Qualität zu unbedacht gleichzusetzen. Der Bedächtige, der Abwägende kommt allzu leicht zu kurz. Das Problem, das John Franklin, der Held des Romans, bei Überlegungen zu einer eigenen Schulgründung anspricht, ist noch heute ein zentrales: Die Schule soll Dauerhaftigkeit lehren, ohne zu langweilen.
Jetzt hat sich der Kollege Kai Seefried zu Wort gemeldet. - Wenn am Ende einer Rede so ein pädagogischer Satz kommt, dann kann ein ehemaliger Schulpolitiker nicht Nein sagen. - Also Herr Seefried, wenn Sie das hinbekommen, dann können auch Sie ein wenig überziehen.
Mein sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! An dieser Stelle muss ich mich bei der SPD für diesen Antrag zur Aktuellen Stunde bedanken, weil er uns als CDUFraktion noch einmal wunderbar die Gelegenheit gibt, unsere Positionen zu verdeutlichen und herauszustellen, Herr Tanke, wie die Realität tatsächlich aussieht.