Protocol of the Session on March 26, 2014

(Zurufe von der CDU: Genau!)

Meine Damen und Herren, die soziale Marktwirtschaft hat sich in Deutschland bewährt. Das Betriebsverfassungsgesetz ist ein Eckpfeiler des deutschen Modells und - hier zitiere ich gerne meinen Kollegen Max Matthiesen - des Modells „Soziale Partnerschaft statt Klassenkampf“.

(Beifall bei der CDU)

Hier, lieber Herr Schminke, schließt sich auch der Kreis, warum wir Ihrem Antrag so nicht zustimmen können. Sie wollen wieder einmal eines: Klassenkampf pur! - Das haben wir hier im Plenarsaal gerade erlebt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Rot-Grün möchte, dass der Landtag dazu aufruft, dass alle wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben ohne Betriebsrat initiativ werden usw. usf. Dies, lieber Herr Schminke, gibt das Betriebsverfassungsgesetz in § 1 schon her, und daher gehört es gar nicht in diese Entschließung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Betriebsverfassungsgesetz ist auch geregelt - das ist das, worüber Sie beide sich gerade gestritten haben -, dass in Betrieben mit mindestens fünf abstimmungsberechtigten Arbeitnehmern Betriebsräte gewählt werden können.

Sie möchten, dass der Landtag feststellt, dass sich die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes aus dem Jahr 2001 und insbesondere die damit verbundenen verbesserten Freistellungsmöglichkeiten usw. bewährt haben. An die Freistellungs- und die Mitbestimmungsmöglichkeiten will doch nun niemand heran. Somit besteht aus dieser Richtung auch gar keine Gefahr, und insofern kann man auf diese Formulierung in der Entschließung verzichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nicht alle weiteren Punkte, die wir nicht mittragen können, aufführen, da die Redezeit dafür nicht reichen würde. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, kennen sie. Es sind genau die Punkte, die sich bereits 2010 als nicht konsensfähig erwiesen haben. Ihr heutiger Antrag entspricht genau dem des Jahres 2010.

Wenn Ihnen wirklich an einer gemeinsamen Erklärung gelegen ist, dann lassen Sie uns die Entschließung von 2010 nehmen und sie erneut verabschieden. Damals hat der Landtag dies auch einstimmig beschlossen. So könnten Sie hier und heute sozialen Frieden im Landtag herstellen.

Meine Damen und Herren, der soziale Frieden in Deutschland ist die Basis für den vertrauensvollen Austausch und die Zusammenarbeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Arbeitgebern. Die betriebliche Mitbestimmung ist ein Teil unserer demokratischen Gesellschaft und unverzichtbar.

Wir wünschen uns für diese Betriebsratswahlen sowie für die Jugend- und Auszubildendenvertreterwahlen eine sehr hohe Wahlbeteiligung - gern auch eine Beteiligung, die über jene der letzten beiden Wahlen von gut 80 % hinausgeht. Wir wün

schen uns auch in weiteren Betrieben die Gründung von Personalräten.

Die CDU-Landtagsfraktion ruft die Beschäftigten auf, von ihrem Recht auf Mitbestimmung Gebrauch zu machen und wählen zu gehen. Nutzen Sie bitte diese Gelegenheit!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Fredermann. - Zu Wort hat sich jetzt Herr Minister Lies gemeldet. - Herr Lies, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Eingriff in die Tarifautonomie“, „Nicht vorschreiben“ und „Lassen Sie den Menschen die Freiheit“, das sind die Zitate, die mir aus den Reihen der Opposition im Ohr geblieben sind. Ich finde, das ist der falsche Ansatz. Es geht nicht um „Lassen Sie den Menschen die Freiheit“, sondern um „Geben Sie den Menschen die Rechte, die sie brauchen“, damit Mitbestimmung in unserem Land wirklich funktioniert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Gabriela König [FDP]: Haben sie doch!)

So müssen der Aufruf und der Appell lauten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gute Arbeit und betriebliche Mitbestimmung sind die wesentlichen Bausteine des deutschen Wirtschaftserfolgs. Das muss man an jeder Stelle wiederholen. Deswegen unterstützt die Landesregierung den vorliegenden Entschließungsantrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in vollem Umfang.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Die Feststellungen sind zutreffend

(Detlef Tanke [SPD]: Gute Entschei- dung!)

und die Appelle sind ebenso berechtigt wie auch die Missbilligung betriebsratsfeindlicher Verhaltensweisen, die in einzelnen Unternehmen oder von einzelnen Managern gezeigt werden.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Die Aufforderung, an den Betriebsratswahlen und an den Jugend- und Auszubildendenvertreterwahlen 2014 teilzunehmen, sich bei nicht vorhandener Interessenvertretung im Betrieb - übrigens trotz vorliegender gesetzlicher Voraussetzungen - für deren Einrichtung einzusetzen, sind begründet und wichtig. Sie ist als weithin vernehmbares Signal des Niedersächsischen Landtags zu begrüßen und braucht eigentlich auch eine breite Zustimmung durch das Parlament. Das wäre das richtige Signal, das wir heute setzen können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sind einige Beispiele genannt worden. Ich habe in den letzten Jahren mit sehr vielen Unternehmen und übrigens auch mit sehr vielen Betriebsräten gesprochen. Das Thema Schlecker ist heute genannt worden. Ich will daran erinnern, dass wir darüber auch hier im Landtag diskutiert haben. Die Betriebsräte waren die einzigen, die sich um die Rechte der Frauen - es waren zu über 90 % Frauen, die dort beschäftigt waren - gekümmert haben. Hätten wir keine Betriebsräte, wäre es den Frauen am Ende noch schlechter gegangen. Die haben dafür gekämpft, dass sie am Ende überhaupt noch etwas hatten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Gabriela König [FDP])

Denken wir an die Meyer-Werft, wo es der Betriebsrat war, der für tarifliche Möglichkeiten gesorgt hat, um für die Werkvertragsarbeitnehmer zumindest halbwegs vernünftige Bedingungen zu schaffen.

Und ganz aktuell: In der letzten Woche hatte ich Gespräche mit dem Betriebsrat von Eurogate. Auch da ist es der Betriebsrat, der sich für den Erhalt von Beschäftigungen einsetzt, mit Zugeständnissen, die dort gemacht werden. Das ist die Arbeitsweise von Betriebsräten in Niedersachsen und in Deutschland. Sie zu unterstützen und dazu zu ermuntern, wählen zu gehen, wäre ein klares, ein wichtiges und ein deutliches Signal dieses Landtags.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister, eine Sekunde! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fredermann?

Ja, sicher. Selbstverständlich.

Herr Fredermann!

Vielen Dank, Herr Minister. Ihre Einleitung - ich bin ein wenig spät mit meiner Frage, weil ich erst ein bisschen nachdenken musste - habe ich so verstanden, dass es um den Kampf für die Rechte der Mitarbeiter geht. Da frage ich mich: Bietet aus Ihrer Sicht das Betriebsverfassungsgesetz den Arbeitnehmern in Deutschland keine ausreichenden Rechte?

Das kann ich gern beantworten.

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Fredermann, das Betriebsverfassungsgesetz hat Lücken. Ich will sie offen ansprechen, weil wir sie in Zusammenhang mit einer weiteren Entschließung zum Thema Werkverträge, die in diesem Landtag auf den Weg gebracht wurde, diskutiert haben. Wir haben Handlungsbedarf, auch das Betriebsverfassungsgesetz zu erweitern. Deswegen ist es richtig, nicht nur zu Betriebsratwahlen aufzufordern, sondern auch das Betriebsverfassungsgesetz und das Personalvertretungsgesetz in den Blick zu nehmen. Das ist vernünftige Politik, die wir machen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich gehe noch einen Schritt weiter. Es sind die Betriebsräte, aber es ist doch auch die Sozialpartnerschaft in unserem Land, die Deutschland stark und erfolgreich gemacht haben. „Sozialpartnerschaft“ heißt starke Arbeitgeberverbände und starke Gewerkschaften. In wesentlichen Bereichen ziehen sich Arbeitgeber aus Arbeitgeberverbänden heraus. Wir brauchen starke Betriebsräte, starke Gewerkschaften und starke Arbeitgeberverbände. Starke Sozialpartnerschaft ist das eigentliche Ziel von Tarifautonomie. Da müssen wir uns übrigens auch gar nicht einmi

schen, wenn es so funktioniert. Aber dazu muss man auch ermuntern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von Gabriela König [FDP])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann immer wieder auch deutlich machen, was Betriebsräte leisten. Sie haben einen erheblichen Anteil am unternehmerischen und nachhaltigen Erfolg. Sie fördern effizientes Wirtschaften, und sie steigern die Wettbewerbsfähigkeit. Sie übernehmen Mitverantwortung für unternehmerische Weichenstellungen, für notwendige Veränderungen und insbesondere auch für Innovationen. Sie übernehmen soziale Verantwortung, und sie haben nicht zuletzt dafür gesorgt, dass Möglichkeiten, Instrumente der Beschäftigungssicherung wie flexible Arbeitszeiten, Abbau von Überstunden, Arbeitszeitkonten heute in vielen Unternehmen zum anerkannten Standard geworden sind - mit Mitbestimmung, mit Betriebsräten, mit Partnerschaft im Unternehmen. Deswegen ist das so wichtig, sehr geehrte Frau König.

(Gabriela König [FDP]: Wem erzählen Sie das denn alles?)

Übrigens darf ich sagen, dass genau dieser Standard und die vom Staat geförderte Kurzarbeit, die gerade im Ausland auf zunehmendes Interesse stoßen, ein wirksames Instrument zur Krisenbewältigung gewesen sind. Durch die Krise 2008 und 2009 sind wir auch mit starker Sozialpartnerschaft und starken Betriebsräten gekommen. Ich glaube, das muss man immer wieder deutlich sagen.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, die betriebliche Mitbestimmung wird zu Recht als eine der Grundfesten der von uns allen gewünschten und zu bewahrenden sozialen Stabilität unseres Landes bezeichnet - übrigens nicht nur in Zeiten der wirtschaftlichen Krisen. Das Maß gilt natürlich auch für Auszubildende.

Ich will diese Debatte aber auch dazu nutzen, noch einmal etwas zu den Betrieben, zu den Unternehmen zu sagen, die Mitbestimmung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht wünschen, die zum Teil hartnäckig versuchen, die Beschäftigten von der Gründung eines Betriebsrats abzuhalten.