Frau Kollegin Ross-Luttmann, wir sind uns, denke ich, im Ziel völlig einig. Wir wollen alle - um in dem Bild zu bleiben - das Schwert des Rechtsstaates an dieser Stelle schärfen. Wir wollen alle den Kindesmissbrauch so unmöglich machen, wie es nur irgend geht.
Was ich kritisiert habe und worauf ich hingewiesen habe, ist die Formulierung und die schwierige Abgrenzung, die wir an dieser Stelle vornehmen müssen.
Der Rechtsausschuss ist, glaube ich, der richtige Ort, um da noch weiter zu diskutieren. Um in dem Bild mit dem Schwert zu bleiben: Wir wollen ja nicht zurück ins Mittelalter mit dem Pranger und ähnlichen Dingen, sondern wir wollen das Ganze rechtsstaatlich lösen.
Da wir uns im Ziel einig sind - nicht nur CDU und FDP; ich gehe davon aus, dass das gesamte Plenum sich insoweit einig ist -, werden wir im Rechtsausschuss auch eine Formulierung finden, die insofern sachgerecht ist und durchschlägt.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich zu Beginn bei allen Fraktionen und allen Debattenrednerinnen und -rednern für das hohe und sachliche Niveau dieser Debatte bedanken. Das ist dem Ernst des Themas angemessen, denke ich.
Meine Damen und Herren, es ist zu Recht angesprochen worden: Möglicherweise waren die Bestellung und der Besitz der Bilder, die Herr Edathy bestellt hat, strafrechtlich in Deutschland nicht relevant. Aber - Frau Ross-Luttmann hat zu Recht eingangs darauf hingewiesen - klar ist doch auch, dass mindestens eine schwerwiegende Verletzung
der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Kinder vorgelegen hat. Meine Damen und Herren, ich finde es in diesem Zusammenhang unerträglich, wenn z. B. die Strafrechtsprofessorin Frommel oder auch andere diese Persönlichkeitsrechtsverletzung von Kindern bagatellisieren und herunterspielen.
Kinder - auch das ist bereits zu Recht gesagt worden - dürfen doch nicht zum Objekt, zu einer Ware degradiert werden, ihre Bilder dürfen nicht weltweit gehandelt werden. Und in der Tat - auch das ist zu Recht gesagt worden -: In Zeiten des Internets und elektronischer Massenspeichermedien hält diese Persönlichkeitsrechtsverletzung unter Umständen ein ganzes Leben lang an. Das zeigt, denke ich, die Dimension.
Aus meiner Sicht muss auch ganz klar sein: Wer solche Materialien bei einem Onlinehändler bestellt - mehrfach, wiederholt, in großen Mengen -, der muss sich dieser Persönlichkeitsrechtsverletzung bewusst sein, der nimmt ganz bewusst in Kauf, dass Kinder entwürdigt und zum Objekt degradiert werden, und kann sich aus meiner Sicht nicht damit herausreden, dass er davon ausging, dass das alles doch - strafrechtlich zumindest - erlaubt gewesen sei.
Ich kann mich in diesem Punkt meinem Vorredner, Herrn Dr. Genthe, anschließen. Wenn wir das strafrechtlich sauber abgrenzen und solche Praktiken, wie sie hier in Rede stehen, verbieten können, dann müssen wir das selbstverständlich tun. Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Ankündigung von Bundesjustizminister Heiko Maas, mit der gebotenen Ruhe und Sorgfalt nach einer Lösung zu suchen. Diese kann z. B. im Verbot des gewerbsmäßigen Verbreitens solcher Bilder liegen. Herr Dr. Genthe hat bereits darauf hingewiesen: Auch dabei wird es aber Probleme geben.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es Abgrenzungsprobleme auch an ganz anderen Stellen geben kann, wo wir sie vielleicht zum jetzigen Zeitpunkt nicht vermuten. Was ist, wenn in Spielfilmen, in Familienfilmen z. B. zwischendrin Sequenzen mit Bildern nackter Kleinkinder auftauchen? Auch dann läge eine gewerbliche Verbreitung vor. Aber das will jetzt sicherlich niemand von heute auf morgen verbieten.
Ein weiteres Problem ist - das ist immer wieder angesprochen worden, und ich begrüße, Frau Ross-Luttmann, dass Sie das hier noch einmal klargestellt haben -: Familienfotos sollen nicht kriminalisiert werden. Aber wir müssen bedauerlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass allein die Tatsache, dass ein Familienmitglied die Fotos schießt, noch lange nicht heißt, dass damit nicht der Gedanke oder auch die Tat eines Missbrauchs oder Weiterverbreitens der Bilder verbunden ist. Im Gegenteil, Missbrauch findet ganz häufig in Familien statt. Diese schwierige Abgrenzung ist auch ein Problem, dessen wir uns bewusst sein müssen.
Meine Damen und Herren, auch jenseits des Strafrechts müssen und sollen wir alle rechtlichen und alle tatsächlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um solche Praktiken zu unterbinden und um den betroffenen Kindern zu helfen. Wir sollten uns aber davor hüten, im Lichte hitziger Debatten mit strafrechtlichen Schnellschüssen vorzugehen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Politik in solchen Situationen oftmals mit Strafverschärfungen weit über das eigentliche Ziel hinausgeschossen ist. So hat z. B. die Entwicklung in Bezug auf die Sicherungsverwahrung in Deutschland gezeigt, dass Politik quer durch alle Parteien über die Grenzen des grundgesetzlich und europarechtlich Erlaubten weit hinausgeschossen ist.
Unklar bleibt - zumindest für mich - auch, warum in dem Entschließungsantrag auch die Verschärfung im Bereich der Jugendpornografie gefordert wird. Selbstverständlich brauchen auch Jugendliche allen Schutz vor sexueller oder wie auch immer gearteter Ausbeutung. Daran bestehen überhaupt keine Zweifel. Aber ich halte es nicht für sachgerecht, Bilder unbekleideter 17-Jähriger auf eine Stufe mit den Bildern unbekleideter 5-Jähriger zu stellen. Würden wir das beschließen, was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, dann würden z. B. ganze Jahrgänge der beliebten und allgemein anerkannten Jugendzeitschrift BRAVO verboten werden, weil sie Darstellungen unbekleideter Teenager enthalten. Das kann doch im Jahr 2014 nicht wirklich das Ziel einer aufgeklärten Rechtspolitik sein.
Meine Damen und Herren, die Kollegin SchröderEhlers hat es bereits angesprochen: Es gibt auch noch andere Maßnahmen zu tun. Ich begrüße, dass der Bundesjustizminister jetzt schnell die EURichtlinie zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeu
tung von Kindern umsetzen will. Diese Richtlinie wird in der Tat auch zur Strafverschärfung in Deutschland führen. Ihre Umsetzung ist überfällig. Ich bin optimistisch, dass das noch im Jahr 2014 passiert.
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die gründlichen und - ich bin sicher - sehr sachlichen Beratungen im Rechtsausschuss und hoffe, dass es gelingt, in dieser Frage zu einer fraktionsübergreifenden Einigung zu kommen.
Vielen Dank, Herr Limburg. - Jetzt hat sich die Justizministerin zu Wort gemeldet. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns nach den Stunden der Befassung mit der Täterseite zur Opferseite kommen. Ich freue mich sehr darüber.
Der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung und die Würde unserer Kinder müssen im Mittelpunkt weiterer Handlungsoptionen stehen. Diese zentralen Werte werden verletzt, wenn die Nacktheit von Minderjährigen kommerzialisiert wird. Sollte es Schutzlücken im Bereich der Kinder- und Jugendpornografie geben, sind diese schnellstmöglich und gründlich zu schließen.
Die Strafvorschriften zur Kinder- und Jugendpornografie wurden in den vergangenen Jahren mehrfach verschärft. Heute ist jede Form der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes von Nacktaufnahmen Minderjähriger strafbar, wenn diese sexuelle Handlungen von, vor oder an Kindern zum Gegenstand haben. Das Spektrum strafbaren kinder- und jugendpornografischen Materials reicht hierbei seit der im November 2008 in Kraft getretenen Novelle des Strafgesetzbuchs von der Darstellung sexuellen Missbrauchs bis zum sexuell motivierten Posieren. Strafbare Posing-Darstellungen sind Fotos mit Abbildungen von Minderjährigen, die ihre Genitalien oder ihr Gesäß unbedeckt und aufreizend zur Schau stellen. Gemeint ist hierbei das aktive Einnehmen sexuell betonter Körperhaltungen und Positionen. Die filmische oder fotografische Fixierung von Nacktheit selbst ist vom geltenden Strafrecht nicht erfasst.
Der heute zur ersten Beratung anstehende Antrag der Fraktion der CDU dringt auf eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel einer weitreichenden Verschärfung der §§ 184 b und c StGB. Explizit wird gefordert, diese beiden Bestimmungen so zu reformieren, dass die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz von sexuell aufreizenden Nacktfotos von Kindern und Jugendlichen generell strafbewehrt werden. Das würde dann insbesondere auch für Filme und Fotos gelten, die keine aktive Handlung des Kindes oder Jugendlichen zeigen. Es käme in keiner Weise darauf an, wer die Aufnahmen gemacht hat und zu welchem Zweck.
Meine Damen und Herren, dieser Antrag macht deutlich, dass eventuell weitere notwendige Änderungen der §§ 184 b und c StGB mit großer Gründlichkeit angegangen werden müssen. Qualität geht hier vor operativer Hektik. Bereits die vergangenen Novellierungen des Sexualstrafrechts haben deutlich gezeigt, wie schwierig es ist, Strafbarkeitsbestimmungen in diesem Bereich trennscharf und bestimmt zu fassen. Damit Strafbarkeitslücken umfassend geschlossen werden können, bedarf es reiflicher Überlegung. Wir sollten uns auch vorsehen, strafrechtliche Bestimmungen derart weit zu fassen, dass schon der Besitz völlig unbedenklicher Bilder im Familienalbum strafbar wird.
Insbesondere die Arbeit von Künstlern, von Fotokünstlern, aber auch bildenden Künstlern muss hier abgegrenzt und beachtet werden. Statt einer punktuellen Verschärfung sollte daher eine umfassende und vor allen Dingen kohärente Novellierung des Sexualstrafrechts in Angriff genommen werden. Eine solche Reform ist überfällig. Denn die EU-Richtlinie 2011/93 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung muss umgesetzt werden. Die letzte schwarz-gelbe Koalition hat auch in diesem Bereich durch Nichtstun geglänzt. Die zwingend zu beachtende Umsetzungsfrist hierfür ist bereits am 19. Dezember 2013 abgelaufen. Erst das neue Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat angekündigt, diese Richtlinie zeitnah umzusetzen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz lässt im Vorgriff auf diese Novelle bereits prüfen, ob sich der gewerbliche Handel mit Nacktbildern von Minderjährigen unter Strafe stellen lässt. Ein solcher Vorschlag hat meine volle Unterstützung.
Wir sollten uns allerdings nicht der Illusion hingeben, dass sich hierdurch alle Probleme lösen lassen. Nicht erfasst blieben bei dieser Konstellation z. B. der Tausch und die kostenlose Weitergabe von Nacktaufnahmen von Minderjährigen in Internetforen. Insoweit werden wir zumindest in Teilbereichen künftig vielleicht Lücken hinnehmen müssen.
Eine der großen praktischen Schwierigkeiten liegt zudem darin, dass sich Server, über die kinder- und jugendpornografische Bilder verbreitet werden, vornehmlich im Ausland außerhalb der Europäischen Union befinden. Hierdurch wird ein technischer Zugriff auf die Server genauso erschwert wie der strafrechtliche Zugriff auf deren Betreiber und Nutzer.
Meine Damen und Herren, dies zeigt bereits, dass sich die Bekämpfung der Kinder- und Jugendpornografie nicht alleine durch eine Verschärfung des Strafrechts bewerkstelligen lässt. Das Strafrecht kann nicht alles kompensieren. Hierfür scheint mir vielmehr ein umfassender Ansatz erforderlich, über den wir alle gemeinsam mehr nachdenken sollten. Ich möchte deshalb Ihren Blick auf die Kriminalprävention lenken.
Durch eine erfolgreiche Präventionsarbeit kann erreicht werden, dass Straftaten gar nicht erst begangen werden. Pädophilie ist relativ weit verbreitet. Wir sind schockiert, wenn sie in unserer unmittelbaren Umgebung auftaucht. Wir sind entsetzt und beschämt. Aber es ändert nichts an den Umständen, dass sie in unserer Nachbarschaft und überall sein kann. Manche haben das im Griff, aber längst nicht alle. Wer pädophile Neigungen verspürt, der lässt sich in der Regel aber auch nicht durch Strafandrohung davon abschrecken. Deshalb ist es erforderlich, potenzielle Täter rechtzeitig zu therapieren. Unsere Aufmerksamkeit muss daher auch darauf gerichtet sein, individuelle Therapie- und Beratungsangebote in ausreichender Zahl vorzuhalten. Hierbei ist für die Akzeptanz und den Erfolg derartiger Angebote von herausragender Bedeutung, dass die Anonymität der Teilnahme an solchen Therapiemaßnahmen gesichert ist.
Beispielhaft dafür ist für meine Begriffe das an der Berliner Charité ins Leben gerufene Projekt „Kein Täter werden“. Einen erfolgreichen Ableger dieses bewährten Präventionsprojekts gibt es auch an der Medizinischen Hochschule Hannover. Dabei handelt es sich um ein kostenloses und durch die Ver
schwiegenheitspflichten geschütztes Behandlungsangebot. Im Rahmen der Therapie erfolgt eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität, um den Betroffenen dazu zu verhelfen, verantwortungsvoll mit ihrer Neigung umzugehen.
Die Förderung und der Ausbau solcher Angebote tragen wesentlich zur Bekämpfung der Kinder- und Jugendpornografie bei. Gleiches gilt für Konzepte, die Kinder und Jugendliche in ihrer persönlichen Entwicklung unterstützen und sie hierdurch stark machen. Diesen Bereich der Präventionsarbeit möchte ich künftig noch weiter voranbringen. Wir müssen uns auch um diese Angebote und nicht nur ums Strafrecht kümmern.
Meine Damen und Herren, die Diskussion hat deutlich gemacht, dass wir beim Sexualstrafrecht zupacken müssen, nicht punktuell, sondern in einem geschlossenen System, das neue Strafverfolgungslücken und Wertungswidersprüche vermeidet. Das Strafrecht ist wichtig, aber wir schützen unsere Kinder und Jugendlichen am besten durch vorbeugende Maßnahmen. Um Strafbarkeitslücken zu schließen, werden wir gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium dessen angekündigte Reformvorschläge konstruktiv begleiten.
Vielen Dank, Frau Ministerin Niewisch-Lennartz. - Jetzt hat sich der Kollege Ulf Thiele für die CDUFraktion zu Wort gemeldet.
Für die anderen Fraktionen: Die Ministerin hat vier Minuten länger geredet. Wenn nachher Bedarf besteht, gibt es natürlich die Möglichkeit, zusätzliche Redezeit zu beantragen. - Herr Thiele!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Zunächst darf ich mich für die, wie ich finde, sehr konstruktive Debatte unseres Entschließungsantrags bedanken, der zum Ziel hat, die Gesetzeslücken zu schließen, die jetzt gerade im Fall Edathy wieder offenkundig geworden sind.
Ich will darauf hinweisen, dass es offensichtlich dieses Falls bedurfte, dass der Bundesjustizminister eine Initiative angekündigt hat. Ergriffen ist sie ja noch nicht.