Meine Damen und Herren, dabei geht es u. a. darum, das Strafrecht den Nutzungsmöglichkeiten, die das Internet heute bietet, anzupassen. Bereits der Zugriff auf kinderpornografische Netzinhalte, auch ohne sie herunterzuladen, und auch das sogenannte Grooming sollen unter Strafe gestellt werden. Beim Grooming geht es um Pädophile, die per Mail oder in Chatforen Kontakt zu Kindern aufnehmen. Auch das Posing und der gewerbsmäßige Handel mit Nacktbildern von Kindern und Jugendlichen sollen unter Strafe gestellt werden.
Ich finde das richtig, weil es um die Würde der Kinder, um ihre seelische und körperliche Unversehrtheit geht. Artikel 4 a der Niedersächsischen Verfassung verpflichtet uns, „Kinder und Jugendliche … vor körperlicher und seelischer Vernachlässigung und Misshandlung zu schützen“.
Wir müssen in der Gesamtdebatte aber aufpassen, dass wir in einer so emotional geführten Diskussion auch die Grenzen, die manchmal fließend sind, und die Grauzonen sehen. Die rechtliche, die politische und die ethische Ebene können hier leicht miteinander verworben werden. Es darf nicht zu Regelungen kommen, die zwar gut gemeint sind, aber letztlich keinem helfen, keinem von Nutzen sind. Daher ist es nötig, bei den Abgrenzungsfragen genau hinzugucken, damit ein wirklich wirksames Instrument entsteht.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Der neue Justizminister braucht keine Aufforderung aus Niedersachsen. Er kümmert sich um das, was liegen geblieben ist. Er wird diesen Gesetzentwurf einbringen.
Aber wir alle wissen auch: Wenn das Strafrecht zur Anwendung kommt, dann gibt es schon Täter, dann gibt es schon Opfer, dann gibt es großes Leid, und dann gibt es oft lebenslange körperliche und seelische Schäden. Wenn wir unseren Verfassungsauftrag ernst nehmen, dann müssen wir uns auch um das kümmern, was Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz vorhin in der Fragestunde angesprochen hat, dann müssen wir die Hilfsangebo
te für die Kinder, die Opfer geworden sind, ausweiten. Wir müssen - Sie haben es angesprochen, Frau Ross-Luttmann - im Datenschutz vieles tun. Wir müssen Kinder und Jugendliche aufklären. Wir müssen Eltern den richtigen Umgang mit den Daten ihrer Kinder immer wieder erläutern. Wir müssen unser Augenmerk aber auch auf die richten, die straffällig geworden sind, und auf die, die pädophile Neigungen haben, aber nicht straffällig werden wollen. Auch ihnen müssen Therapieangebote gemacht werden.
Frau Dr. Wernstedt hat dazu vor acht Wochen einen Antrag von SPD und Grünen eingebracht und sehr fundiert begründet. Ich will das hier nicht alles wiederholen.
All dies macht deutlich: Es gibt sehr viel zu tun, wenn wir es mit dem Schutz unserer Kinder ernst meinen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der sexuelle Missbrauch eines Kindes gehört ganz sicher zu den schlimmsten Verbrechen, die ein Mensch einem anderen Menschen antun kann.
Die Betroffenen sind fast immer für ihr Leben gezeichnet und in der Folge kaum in der Lage, eine erfüllende und vertrauensvolle Beziehung zu einem anderen Menschen aufzubauen.
Es ist daher richtig, dass die Strafbarkeit in den vergangenen 20 Jahren mehrfach verschärft wurde. Es wurden nicht nur die Strafen erhöht, sondern auch die Tatbestände erweitert. Das heißt, dass die Strafbarkeitsschwelle immer tiefer gesetzt wurde, bis bereits das Betrachten von entsprechenden Nacktbildern im Internet oder der Besitz geschlechtsbetonter Kinderbilder strafwürdig sein kann.
Die Folge der diversen Gesetzesänderungen aus den Jahren 1993, 1998, 2003 und 2008 war jedoch, dass immer undeutlicher wurde, was in Grenzbereichen noch erlaubt und was bereits strafbar ist. Das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot nach Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz ist jedoch gerade im Strafrecht eine evident wichtige Voraussetzung. Tragweite und Anwendungsbereich einer Norm müssen so deutlich sein, dass der Bürger erkennen kann, was genau strafbar ist.
Der hier vorliegende Entschließungsantrag stellt unter Nr. 2. auf - ich zitiere - sexuell aufreizende Nacktfotos von Kindern und Jugendlichen ab. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten, völlig subjektiven Begriff, der für das Strafgesetzbuch gänzlich ungeeignet ist. Auch wenn es sich hier nur um einen Entschließungsantrag handelt, sollten wir an dieser Stelle doch fachlich sauber formulieren.
Es ist nicht klar erkennbar, was genau unter Strafe gestellt werden soll; denn diese Fotos wirken auf verschiedene Menschen offenbar unterschiedlich. Genau das ist ja das Problem.
In diesem Zusammenhang sind wir uns sicher einig, dass der Familienvater, der am Strand seine Kinder fotografiert, sich nicht strafbar machen soll. Auch derjenige, der am Strand die schönen Palmen fotografiert und dem in 15 m Entfernung ein fremdes Kind in die Kamera läuft, soll nicht strafrechtlich erfasst werden, selbst dann nicht, wenn er später das Bild mit den schönen Palmen bei Facebook hochlädt.
Die notwendigen Abgrenzungen in diesem Bereich sind für die Gerichte und für die Ermittlungsbehörden jedoch nicht einfach zu handhaben.
Erschwerend kommt in diesem Zusammenhang hinzu, dass der bloße Verdacht, kinderpornografische Bilder zu besitzen, eine bürgerliche Existenz vernichten kann.
Hinter einer solchen bürgerlichen Existenz kann übrigens auch eine Familie mit völlig unbetroffenen Kindern stehen.
Welch dramatische Auswirkungen hier zu befürchten sind, zeigen beispielsweise die drei Prozesse Mitte der 90er-Jahre vor dem Landgericht Mainz bezüglich eines angeblichen Kinderpornorings in Worms.
Am Ende wurden 25 Beschuldigte freigesprochen. Aber diverse Ehen scheiterten, mehrere Kinder wurden aus den Familien in Heime verbracht und kehrten teilweise nie zurück, viele Familien gerieten in den finanziellen Ruin. Der immer gern zitierte Satz „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“ stimmt an dieser Stelle ganz sicher nicht.
Einmal mit diesem Verdacht in das Visier der Ermittler geraten, wird ein Betroffener diesen Makel nie mehr los. Selbst dann, wenn das Ermittlungsverfahren mit großem Bedauern und einer persönlichen Entschuldigung der Justizministerin eingestellt wird, kann es für die Reputation des Betroffenen und dessen Familie bereits zu spät sein.
Das macht noch einmal deutlich, wie verheerend es ist, in diesem Bereich mit unklaren Formulierungen zu arbeiten.
Das vom Bundesjustizminister eingebrachte Argument, auf die Gewerbsmäßigkeit, also den Handel mit entsprechendem Material, abzustellen, erscheint grundsätzlich richtig. Sich lediglich auf den Handel zu beziehen, wirft aber ebenfalls viele Fragen auf. So wird der Handel mit vielen Kunstwerken aus dem Mittelalter oder Literatur von Thomas Mann am Ende zu bewerten sein. Die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Frau Künast, will Kunst und Kultur insoweit herausnehmen. Doch was ist noch Kunst, und was ist schon strafbar?
Aufgrund der aufgezeigten Unbestimmtheit hat die FDP-Fraktion mit dem Entschließungsantrag in dieser Form durchaus Bauchschmerzen.
Übrigens sollte man sich von einer Gesetzesverschärfung auch nicht zu viel erwarten. Beispielsweise hat Herr Edathy seine Bilder in Kanada gekauft. Produziert wurden sie offensichtlich in Rumänien. In beiden Ländern gilt das deutsche Strafrecht nicht.
Meine Damen und Herren, Kindesmissbrauch muss mit dem schärfsten Schwert, das der Rechtsstaat zur Verfügung hat, bekämpft werden.
Die FDP sieht da aber noch erheblichen Diskussionsbedarf, der ohne Schnellschüsse abgearbeitet werden sollte, um am Ende auch durchschlagende Normen verabschieden zu können. Dazu werden wir, denke ich, in den Ausschussberatungen Gelegenheit haben.
Danke schön, Herr Präsident. - Sehr geehrter Kollege Genthe, selbstverständlich wollen wir mit unserem Antrag nicht sozial adäquates Verhalten verurteilen. Selbstverständlich sollen nach wie vor Familienfotos möglich sein. Das ist überhaupt keine Frage. Das steht ja auch gar nicht zur Debatte.
Uns war bei der Formulierung durchaus bewusst, dass es schwierig ist, eine Differenzierung zu finden. Und niemand möchte ein Problem lösen und ein anderes schaffen. Gerade weil es so schwierig ist, hier eine genaue Differenzierung zu finden und auch eine haltbare Definition zu finden, freue ich mich auf die Beratung im Rechtsausschuss.
Nur, ich erwarte von diesem Haus, dass wir alles tun, um die Kinder zu schützen, und dass wir auch alles dafür tun, eine Formulierung zu finden, die in unserem Strafgesetzbuch eine Ergänzung schafft, damit eben gerade diese Differenzierungen in diese unterschiedlichen Kategorien nicht vorkommen.
Meine Damen und Herren, ich finde es schier unerträglich, wenn wir zwischen irgendwelchen Kategorien differenzieren und nicht am Anfang sehen, wo das nackte Kind steht. Deshalb sollten wir alles daransetzen, im Interesse dieser Kinder eine Formulierung zu finden, die tragfähig ist.
Frau Kollegin Ross-Luttmann, wir sind uns, denke ich, im Ziel völlig einig. Wir wollen alle - um in dem Bild zu bleiben - das Schwert des Rechtsstaates an dieser Stelle schärfen. Wir wollen alle den Kindesmissbrauch so unmöglich machen, wie es nur irgend geht.